Martina Holler ist sehr sozial engagiert. Sie ist die Neue im Führungsduo des Strohgäu-Ladens.

Ditzingen - Das ist mein Job, den will ich haben.“ So habe sie reagiert, erzählt Martina Holler, als sie die Stellenausschreibung für den Strohgäu-Laden gelesen habe. Sie bekam die Aufgabe. Seit einigen Wochen bildet die 54-Jährige zusammen mit Claudia Reichel das neue Führungsduo der Ditzinger Tafel. Der Laden an der Mittleren Straße ist das Geschäft für die Menschen, die jeden Cent mehrmals umdrehen müssen, bevor sie ihn ausgeben. Das sind ältere Menschen mit Minimalrente ebenso wie Alleinerziehende, es sind Flüchtlinge, Hartz-IV-Empfänger oder Menschen, die sich mit Minijob und Aufstockung durchs Leben lavieren.

 

In den Strohgäu-Laden geht man nicht mit Einkaufszettel und einem oder mehreren Zwanzigern. Man wählt nicht aus, ob es die teure Butter aus Irland oder dem Alpenraum sein soll. Und den Kunden hier stellt sich auch nicht die Frage „Rostbraten oder Schweinefilet?“ Sie sind schon froh, wenn ein paar Möhren oder zwei Brokkoli das tägliche Essen verfeinern. Und eine kleine Dose Wurst wird zur Delikatesse. „Hier läuft’s andersrum“, hat Martina Holler schon nach wenigen Tagen bemerkt. „Andersherum“ heißt hier: Die Kunden schauen, was im Angebot ist, und sie richten ihren Speiseplan sehr flexibel danach aus.

Dankbar für jede Milchpackung

Jeden Morgen holt der junge Mann im Freiwilligendienst in verschiedenen Läden grüne Kisten mit Obst und Gemüse ab. Einiges muss zwar aussortiert werden. Aber man staunt, was nach dem Sortieren alles für wenige 20-Cent-Münzen angeboten wird. Es könnte freilich mehr sein, denn bei drei Produktgruppen gibt es häufig mehr Mangel als Ware: Obst, Gemüse und Milchprodukte. „Wir sind dankbar für jede Packung oder jede Palette H-Milch“, sagt Holler. Brot und Backwaren werden dagegen reichlich abgegeben.

Der Laden ist im Bewusstsein der Ditzinger: „Manchmal kommen Menschen vorbei, die im Supermarkt ein paar Sachen für uns mitgenommen haben und hier mit wenigen Worten eine volle Tüte abstellen“, sagt Holler. Große Geschäfte als Lebensmittelspender gebe es genug; nur leider, so die neue Frau im Führungsduo, sei der Wareneingang unregelmäßig und kaum berechenbar. „Ich weiß nicht, was nachher oder morgen da ist. Das ist das Hauptproblem.“

400 Kunden hat der Strohgäu-Laden. „Es ist traurig, dass Menschen hierherkommen müssen“, sagt Martina Holler. „Hier offenbart sich das Gesicht der Armut. Mir tut es weh, dass es so etwas geben muss.“ Dennoch will sie die Aufgabe nicht missen.

Soziales Engagement

Nach der Familienphase baute die gelernte Werbekauffrau ab 2010 den „Pfiffikus“-Laden mit auf – eine Einrichtung, die Menschen mit Handicap beschäftigt bei Wäscheservice, Reinigung und Mitarbeit in Schulmensen. Danach arbeitete sie in der Wäscherei einer Ditzinger Firma, „dann wollte ich mich nach vier Jahren wieder sozial engagieren“. Da kam das Stellenangebot des Strohgäu-Ladens genau richtig.

„Ein Herz für den Menschen haben“ ist Hollers Devise. Wie für diejenigen, „die ein Leben lang geschafft haben und nun zu uns kommen, weil sie jeden Cent brauchen. Die Leute sind so dankbar, dass es uns gibt“. Das schließt die 40 Freiwilligen ein, die den Laden erst ermöglichen – „es ist toll, dass die Ehrenamtlichen das tun“, sagt Holler. „Ich bin unbedarft an die Aufgabe herangegangen und habe für mich das Richtige gefunden.“ Ihre Kenntnisse in der Werbung will sie auch einsetzen: Briefe an potenzielle Spender und eine E-Mail-Adresse („wir müssen mit modernen Mitteln erreichbar sein“) sind erste Ideen. Weitere Gedanken mache sie sich im neuen Jahr.

Eine frohe Botschaft ist da gewiss, dass der evangelische Kirchenbezirk den Laden bis 2021 sichert. Dazu trug das gute Ergebnis von 2016 bei – statt eines Defizits ergab sich ein Plus, das die Rücklagen stärkt.