Am 26. März gibt es weitere Tarifverhandlungen zwischen Verlegern und Journalisten. Wenn dort keine Einigung, kann es in etlichen Zeitungshäusern zu unbefristeten Streiks kommen – mit entsprechenden Folgen für die Blätter.

Politik: Matthias Schiermeyer (ms)

Stuttgart - Es ist die wohl härteste Tarifauseinandersetzung für die 14 000 Journalisten an Tageszeitungen, die bisher in Deutschland ausgetragen wurde. Seit Sommer 2013 ringt der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger (BDZV) mit den Gewerkschaften Deutsche Journalisten-Union (dju) in Verdi und Deutscher Journalisten-Verband (DJV) um ein neues Tarifwerk. Acht Runden blieben erfolglos. Vor Runde neun am 26. März keimt erstmals die Hoffnung, dass sie die letzte sein könnte. Zumindest erkennen die Tarifparteien nun ernsthafte Verhandlungsabsichten auf der Gegenseite an – ein Fortschritt.

 

Die Gewerkschaften sehen dies auch als Resultat der Proteste, die bisher vor allem in Baden-Württemberg initiiert wurden. Der Druck soll noch verstärkt werden. Bereits am Freitag wurden Journalisten einzelner Zeitungen zum Streik aufgerufen. Weitere Blätter folgen in dieser Woche. An vier Tagen ist davon auch die Stuttgarter Zeitung betroffen. Am Montag und Donnerstag soll es zudem jeweils kurze öffentliche Kundgebungen in der Stuttgarter Innenstadt geben. Gelingt am 26. März keine Einigung, kommt es eventuell in etlichen Redaktionen zum unbefristeten Streik.

Erhalt des Flächentarifvertrages als Ziel

Der Tarifkonflikt ist eher ein Grundsatzstreit als der übliche Poker um Lohnprozente – das macht ihn so schwer lösbar. Weil seit Jahren die Umsätze aus Anzeigen und Werbung wegbrechen und weil wegen der Konkurrenz durch Online-Angebote die Leserzahlen kontinuierlich zurückgehen, hält der Verlegerverband Eingriffe in die Tarifstruktur für geboten. „Beide Seiten sind sich darin einig, dass die Tarifverträge die Arbeitswirklichkeit der Redaktionen nicht mehr spiegeln“, so eine BDZV-Sprecherin.

Als Beispiel nennt sie die wachsende Zahl der Online-Redakteure, die nun generell – und nicht mehr nur bei einzelnen Zeitungen – in den Entgelttarifvertrag aufgenommen werden sollen. Dies sehen im Prinzip auch die Gewerkschaften so, allerdings sollen sie für die Einbindung der Onliner Zugeständnisse machen. Der Verlegerverband hat seine diversen Veränderungswünsche in einem sogenannten „Tarifwerk Zukunft“ auf den Tisch gepackt, das den Verlagen Einsparungen und damit finanziellen Spielraum für Investitionen an anderer Stelle bringen soll. Der Druck speziell seitens der norddeutschen Verleger ist immens, denn sie sehen sich vom Strukturwandel der Branche mehr bedroht als der Süden. Als Generalziel hat der BDZV-Verhandlungsführer Georg Wallraf daher den Erhalt des Flächentarifvertrages benannt, der nun „am seidenen Faden“ hänge. Ohne Umsetzung des Tarifwerks könnten mehr Verlage die Flucht in die OT-Mitgliedschaft (Ohne Tarifbindung) antreten oder sich weitere Landesverbände aus dem Flächentarif verabschieden, warnt Wallraf.

Einkommensniveau soll nicht weiter sinken

Konkret bedeutet das etwa, dass die Arbeitgeber die Sonderleistungen für Redakteure (Urlaubs- sowie Weihnachtsgeld) stufenweise von 175 auf 150 Prozent kürzen wollen – was bezogen auf das Bruttojahresgehalt einem Minus von 1,9 Prozent gleichkäme. Ferner soll für neu einzustellende Redakteure die Berufsjahresstaffel gestreckt werden – der Aufstieg in eine bessere Gehaltsstufe würde dann jeweils später erfolgen. Auch soll eine untere Tarifgruppe für Mitarbeiter ohne journalistische Ausbildung gebildet werden. Offen ist, inwieweit der BDZV seinen Plan, die Journalisteneinkommen an die regionale Kaufkraft zu koppeln, weiter verfolgt.

Im Gegenzug sind die Verleger zu einer Gehaltserhöhung bereit. Diese wird vom Arbeitgeberverband nicht offiziell beziffert – aus Verhandlungskreisen ist aber zu hören, dass sie nach dem bisherigen Stand deutlich unter der Inflationsrate liegen würde. Somit sehen sich die Redakteure wie im Jahr 2011 in einer Abwehrschlacht, bei der es weniger darum geht, die Forderungen nach 5,5 Prozent (Verdi) und 6,0 Prozent (DJV) mehr Lohn durchzusetzen – vielmehr soll das Einkommensniveau nicht weiter sinken und gravierende Schlechterstellungen für den Nachwuchs verhindert werden.

Keine einheitliche Strategie zeigen die Gewerkschaften in der Frage, ob es sich überhaupt noch lohnt, den Flächentarif zu bewahren. Viele Redakteure im Südwesten sind nicht mehr bereit, für ein ohnehin löchriges Konstrukt mit einer verschwindend geringen Tarifbindung in manchen Bundesländern große Opfer zu bringen. Sie halten die Situation ihrer Verlage für günstiger als in anderen Teilen der Republik. Ihrem Wunsch nach einem Regionaltarifvertrag wollen die Verleger aber bis jetzt nicht nachkommen.