Für Anfang des nächsten Jahres plant Tatjana Matter eine Reihe von Koch-Abenden mit Flüchtlingen. „Die Aktionen sind Brücken. Man lernt Menschen kennen, die man sonst nie getroffen hätte, kocht zusammen, isst zusammen.“ Oder man pflückt gemeinsam Äpfel: Foodsharing bedeutet auch, mit Bauern zu sprechen, auf abgeerntete Felder zu gehen und Handlese zu machen. Oder Künstler und Besucher des Sommerateliers mit selbst gekochten Gerichten aus geretteten Lebensmitteln zu verköstigen. Umsonst natürlich.

 

In der Weststadt schaut Tatjana Matter bei der Gruppe 91 vorbei, noch so ein besonderes Wohnprojekt. Linda Li, Tübinger Original und Herzstück des Künstlerkollektivs rund um den 2006 gestorbenen Maler und Bildhauer Herbert Rösler, wartet schon vor der Tür. Die Mitbewohnerin Dina Linicke steht auch dabei. Die Frauen umarmen einander zur Begrüßung. Die von Tatjana geretteten Lebensmittel werden Linda und Dina am Wochenende an Freunde und Nachbarn verteilen. „Für mich ist es wichtig zu wissen, dass die Sachen unentgeltlich weitergegeben werden“, sagt Tatjana Matter, „ich trage die Verantwortung.“

Während sie sich mit leichtem Gepäck auf den Weg zu den Ziegen macht, sitzt ihr Foodsharing-Kollege Raimon im Bistrobereich eines Bioladens am Bahnhof. Vor der Brottheke steht eine Schlange Kuchenhungriger. Nach Ladenschluss wird Raimon wie jede Woche übrig gebliebenes Essen mitnehmen. Er habe durch Foodsharing wieder ein Bewusstsein dafür entwickelt, was er wirklich brauche, sagt der 29-Jährige. „Hier steht das Lebensmittel im Mittelpunkt.“ Oft verschenkt er schon auf dem Rückweg süße Stückchen an Straßenmusiker oder an Bekannte, die ihm begegnen. „Foodsharing ist für mich eine Inspiration für mehr Vertrauen. Eine Lektion auch im Schenken und Annehmen.“

Für den gelernten Bäcker und Fahrradmechaniker steht die Qualität der Lebensmittel „und damit die Qualität des Lebens“ im Vordergrund. „In dem hochgradigen Überfluss, in dem wir leben, ist das Teilen eine wunderbare Erfahrung.“