Am Sonntagabend geht es im Tatort aus Saarbrücken um eine Rocker-Gang, die mit Drogen dealt. Ein schweres Thema? Ja, richtig. Wenn da nicht Kommissar Jens Stellbrink wäre. Devid Striesow gibt aber nur vordergründig den Lausbub.

Digital Desk: Jan Georg Plavec (jgp)

Saarbrücken - Es gibt düstere, ja fast gewalttätige Tatort-Folgen. Der ARD-Krimi vom Ostermontag war so einer, in München haben sich darin Polizisten selbst getötet und es ging um Gewalt bei den Ermittlungen. Beim Saarbrücken-Tatort „Eine Handvoll Paradies“ (Sonntag, 7. April, 20.15 Uhr im Ersten und in der ARD-Mediathek) ist der Grundton eher komödiantisch, was vor allem an Hauptkommissar Jens Stellbrink liegt.

 

Devid Striesow spielt bei seinem zweiten Auftritt im Saar-Tatort einen fast Kerkeling-haften Ermittler – den (wenigstens vordergründig) gut gelaunten, tapsigen und trotzdem professionellen Kommissar. Und das, obwohl es bei der Rocker-Gang „Dark Dogs“ höchst brutal zugeht.

Naiv, und trotzdem ein Ermittler

Stellbrink gibt den Naivling und ist dabei trotzdem ein hervorragender Ermittler. Sein Verhalten kontrastiert ganz wunderbar mit dem fiesen Auftreten der „Dark Dogs“. Zumal, wenn er mit seinem roten Roller und weißen Helm in die stilecht in schwarz gekleidete Rocker-Gang hineinfährt, die, so vermutet Stellbrink, „diese wunderbare Landschaft und diese dramatische Wolkenbildung in vollen Zügen genießen“ will. Der Lausbuben-Trick ist, zumindest in diesem Tatort, die richtige Masche, um in dem verschwiegenen Milieu zu ermitteln.

Ernsthaftigkeit ist Sache der anderen. Lisa Marx (Elisabeth Brück) gibt den strengen Part bei diesem Ermittler-Duo. Auch die Staatsanwältin Nicole Dubois (Sandra Steinbach) spielt eine selbstbewusste, ja dominante Rolle. Sie ist einer Drogengeschichte auf der Spur; der Schlüssel zum Mordfall wie auch zu den Drogen ist der V-Mann Tim (Tim Olrik Stöneberg).

Paradise, so heißt die titelgebende, von den „Dark Dogs“ ins Saarland eingeschleuste synthetische Droge, ist laut Staatsanwältin Dubois „billiger als Heroin und doppelt so gefährlich wie Crystal Meth“. Für diesen Fall, „eine der größten Drogenoperationen in der Geschichte des Bundeslands“ ist eine eigene Sonderkommission gegründet worden – und bei dem Mordfall und seinen Umständen schaut die Staatsanwältin deshalb nicht so genau hin. Sie gibt lieber Anweisungen und beobachtet alles mit dem Opernglas.

Wie die Hühnchen auf der Stange

Stellbrink tastet sich derweil im Rocker-Milieu voran. Er düst mit seinem Moped durchs Saarland, dabei sind – kleine Beobachtung am Rande – neben vielen Industrieruinen fast immer Windräder zu sehen. Die Gehirnerschütterung, die er sich bei den Ermittlungen zuzieht, passt zum rauen Umgang der Rocker. Da werden Beine und Nasen gebrochen, Männer ertränkt, Frauen verprügelt und natürlich auch scharf geschossen. Die Todesursache des Rockers, um die es bei den Ermittlungen geht, ist in dieser Aufzählung noch nicht mal enthalten.

Dass diese Gewalt von Stellbrink immer wieder komödiantisch gebrochen wird, macht das in der Realität schwere und hoch relevante Thema erträglich. Es passt auch besser zum Sonntagabend als eine bierernste Darstellung der düsteren Rocker-Welt und der zuständigen Ermittler.

Ein kleiner Tiefschlag gegen dominante Ladies

Stattdessen geht es auch diesmal um Polizei-Interna und die Staatsanwaltschaft, deren Soko mit den Kommissaren nicht wirklich zusammenarbeitet. Aber Stellbrink hat das – kleiner Tiefschlag gegen die etwas überzeichnet spielenden, dominanten Ladies bei Polizei und Staatsanwaltschaft – schon im Griff, und wenn er dafür beim Showdown in einer leeren Fabrikhalle ziemlich hoch pokern muss.

Am Ende rettet ihn der Zufall – und die Rocker sitzen, wenig überraschend, wie schon zu Beginn dieses unterhaltsamen Tatorts wie die Hühnchen an der Stange im Polizeirevier. Für den Toten aber ist ein anderer verantwortlich – wer, das wird hier selbstverständlich nicht verraten.

Schönste Krimifloskel: „Sie kann sich nicht nur gut bewegen, sie macht auch einen exzellenten Filterkaffee à la Morddezernat. Also husch, husch, die Zahnbürsten eingepackt, und dann geht’s los“, sagt Stellbrink über seine Kollegin Lisa Marx, als er die Rocker-Gang des ermordeten Rüde aufs Revier mitnehmen lässt.

Heimliche Stilikone: Stellbrink in Minute 41. Der Kommissar hat sich beim Ermitteln in der Bauruine „Badeparadies Saarbrücken“ eine gefangen und durchlebt eine Albtraum: Er ist jetzt ein tätowierter Rocker-Präsident mit Lederweste und Baseballschläger. Ein fantastischer psychedelischer Exkurs!

Gefühlter Moment, in dem der Fall gelöst ist: Als Stellbrink sich von einer Komplizin der Rocker alles erklären lässt und samt einer Packung Speed mit seinem Moped ins Revier rast.