Zwei Jahre nach der Orchesterfusion musiziert das SWR-Symphonieorchester ab September unter einem Chefdirigenten. Teodor Currentzis steht für Vertiefung, Hingabe und Magie, und in Stuttgart will er 2018/19 er große Präsenz beweisen.

Stuttgart - Die Konzerte der kommenden Spielzeit waren schon vorgeplant. Dann erst wählte das SWR-Symphonieorchester Teodor Currentzis zu seinem ersten Chefdirigenten. Betrachtet man jetzt das Programm der ersten Saison des Orchesters unter dem in Russland sozialisierten Griechen, dann scheint es so, als sei der Spielplan schon auf diesen exzentrischen Mann für das Besondere hin konzipiert worden. Welche anderen Komponisten hätten schließlich derart tief in die Abgründe des 20. Jahrhunderts geblickt wie Gustav Mahler und Dmitri Schostakowitsch, deren Werke 2018/19 im Mittelpunkt der Programme stehen, und welcher andere Dirigent schärft den Sinn der Zuhörer für diese Abgründe so sehr wie Currentzis? Außerdem konzentrieren sich die SWR-Konzerte bewusst auf das große sinfonische Repertoire: „Wir wollen“, so der Orchestermanager Felix Fischer, „keine Verdoppelung von Currentzis’ MusicAeterna-Ensemble sein.“

 

Es gehört mit zu diesem hochenergetischen Dirigenten, dass er den Kontakt sucht – nicht nur zu den einzelnen Musikern seines Orchesters, sondern auch zu den Menschen, die ihm zuhören. Deshalb wird Currentzis schon am 10. September in einem Überraschungskonzert nur für Freunde, Förderer und Abonnenten die Ergebnisse eines Workshops präsentieren, in dem er Werke unterschiedlicher Epochen einstudieren und dabei die Musiker seines neuen Orchesters besser kennenlernen will. Und jeweils an den Dienstagen vor seinen Stuttgarter Konzerten wird es in der Musikhochschule ein „Currentzis Lab“ geben, bei dem er die Hintergründe gespielter Werke und seine Ideen zur Musik erklärt, verschiedene Einspielungen vergleicht und womöglich auch einmal zum Taktstock greift. Der Eintritt soll hier zwar frei sein, ein Zugangsticket muss allerdings im Internet erworben werden.

Vier Abonnementskonzerte wird der 46-Jährige im Beethovensaal dirigieren, je zwei Mal werden Christoph Eschenbach und Eliahu Inbal am Pult stehen; hinzu kommen Pablo Heras-Casado, Michael Sanderling und Kent Nagano. Unter den Solisten sind die Geigerin Janine Jansen, die Pianistin Anna Vinnitskaya und der Bratscher Antoine Tamestit, der auch bei den stärker gewichteten Mittagskonzerten und in einem der ebenfalls aufgewerteten fünf Kammerkonzerte (hier gemeinsam mit Bratschern des Orchesters) das Image der Viola aufpolieren will. Ein breites Education-Programm bereitet interessierte Zuhörer von Schülern bis hin zu Senioren auf die Konzertprojekte vor, und in eigenen Familien- und Jugendkonzerten geht es unter anderem um Schostakowitsch und (im Club Wizemann) um eine bunte Reise durch die Musikgeschichte, für deren visuelle Umsetzung der Lichtkünstler Kurt Laurenz Theinert sorgt. Außerdem bringt ein Sonderprojekt an acht Terminen in der Staatsgalerie Bibers Rosenkranzsonaten mit ausgewählten Marienbildnissen zusammen.

Leicht erhöht hat das SWR-Symphonieorchester seine Gastspiel- und Tourneetätigkeit. „Currentzis“, sagt Johannes Bultmann, künstlerischer Gesamtleiter der Klangkörper und Festivals beim SWR, „beschert uns eine deutlich höhere Nachfrage, als wir befriedigen können.“ Im übrigen erwarte der neue Chefdirigent von den Musikern dieselbe Leidenschaft, die auch ihn antreibe. „Wir stehen“, sagt Felix Fischer hoffnungsfroh (und denkt dabei auch zurück an das so glückliche Stuttgarter „Experiment Norrington“), „am Anfang eines langen Weges.“