Bei ihrem Konzert in Stuttgart zeigen The Boss Hoss, wie man mit mittelmäßigen Songs einen mitreißenden Auftritt hinlegen kann.

Lokales: Matthias Ring (mri)

Stuttgart - Mit Vorbands ist das so eine Sache: Sie dürfen die Stimmung nicht nach unten drücken, aber dem Hauptact auch nicht die Schau stehlen. Insofern wirken The Graveltones am Samstagabend in der Schleyerhalle vor achttausend Boss Hoss-Fans fast kontraproduktiv, denn sie zelebrieren die pure Urgewalt des Rock ’n’ Roll – dies zu zweit und nur mit Gitarre und Schlagzeug ausgerüstet. Dagegen sind die großen Gesten von The BossHoss, einer Band mit sieben Musikern, mit dem Bläsersatz von The Tijuana Wonderbrass gar zu zehnt, eigentlich Gemache, das selten die Intensität der zwei bärtigen Männer erreicht, die durch das Vorprogramm wüten.

 

Aber gut, bei Boss Hoss ist ohnehin alles nur Spaß, das ganze Projekt aus einer Bierlaune der Werbegrafiker Alec „Boss“ Völkel und Sascha „Hoss“ Vollmer heraus entstanden. Mit Country-Coverversionen von Gassenhauern hat es angefangen, inzwischen ist man im zehnten Jahr des Bestehens, und die Gründer haben ihre gelernten Berufe längst aufgeben können. Boss und Hoss sind als Jurymitglieder von „The Voice of Germany“ einem Millionenpublikum bekannt, und wie es der ausgeklügelte Marketingplan vorsieht, ist zu Beginn der dritten Staffel das siebte Album erschienen, das sich als Neueinsteiger in den LP-Charts auf Platz zwei zwischen Helene Fischer und Andrea Berg einkuscheln konnte. Das Neue an „Flames of Fame“ ist, dass man auf dem Album ganz ohne Coverversionen auszukommen glaubt. Die Partyband hat sich im Gegensatz zu einem Dieter Thomas Kuhn, der nur noch die Karikatur einer Karikatur ist, also konsequent weiterentwickelt.

Schon einmal gehört

Allerdings kann man auch feststellen, dass die Stärken von The Boss Hoss nicht im Songwriting, sondern in der Präsentation liegen. Vom ersten Moment ihres gut zweistündigen Konzerts, das bescheiden mit „If you mess with BossHoss, you mess with God“ beginnt, bis zum letzten Takt von „Word up“ können Sie den Spannungsbogen halten. Dabei ziehen sie alle Register des Showbusiness, blasen zuerst mit viel Druck ein paar neue Songs weg, lassen im vorbeiratternden „Polk Salad“ den Gitarristen Russ T. Rocket und den Mundharmonikaspieler Hank Williamson aufeinander los, um es sich dann für ein Unplugged- Set vorne auf dem erleuchteten Podest gemütlich zu machen. Dort wird „I say a little Prayer” interpretiert, was zweierlei zeigt: erstens, dass diese Perle von Burt Bacharach auch in einer eher albernen Version noch funkeln kann; und zweitens wie vergleichsweise mittelmäßig viele Songs von The Boss Hoss sind. Völkel und Vollmer sprechen gerne vom „Alleinstellungsmerkmal“ ihrer Musik, die Rock, Pop, Country, Soul und Hip-Hop zu einem dichten Sound verbindet. Das Gegenteil ist richtig: Alles hat man irgendwo schon einmal gehört.

Vielleicht ist gerade das gut für die Bühne, wo weiter in die Trickkiste gegriffen wird. Boss lässt sich mit nacktem Oberkörper vom Publikum auf Händen tragen, die Band wird immer lauter und entlädt eine Menge guter Laune in der langen Ulkversion von Outkasts „Hey ya“. Im Zugabenblock erscheint Hoss zunächst allein mit Gitarre, ehe sich die Show noch einmal mit „Word up“ steigert, zu dem einige „Ladies“ und auch die Graveltones auf die Bühne geholt werden. „Is there any Schwobaseggl in the House“, wurde zwischendurch im gefakten Südstaaten-Kauderwelsch das beste und schönste Publikum der Welt gefragt. Natürlich keiner. Für ein paar Stunden können alle – ob nun mit oder ohne Ironie – ganz aus dem Häuschen sein, bis der Cowboyhut daheim wieder an den Nagel gehängt wird. So wie die wilden Kerle Boss und Hoss nach ihrer Tour und dem Finale von „The Voice“ wieder die ganz normalen Latte-Macchiato-Vatis Alec und Sascha in Prenzlauer Berg und Friedrichshain sein werden – und in Ruhe ihr eigenes „The BossHoss Beer“ trinken können.