Was tun, wenn der Hund entlaufen ist – und nicht mehr auftaucht? Viele Hundehalter sind mit dieser Situation überfordert. Hilfe bekommen sie bei Hund entlaufen Baden-Württemberg.

Architektur/Bauen/Wohnen: Andrea Jenewein (anj)

Stuttgart - Alles beginnt mit Wanja. Die Mischlingshündin reißt sich im Februar 2013 am Katzenbacher Hof in Vaihingen los, nachdem ein Knall sie erschreckt hat. Wanja rennt weg – und ist verschwunden. Ihre Besitzerin setzt alle Hebel in Bewegung, um Wanja wiederzufinden: Sie hängt Plakate auf, Zeitungen und Radio berichten.

 

So wird auch Nadja Jurk auf Wanja und ihr Verschwinden aufmerksam. Und da sie mit ihren zwei Hunden sowieso immer Gassi geht, denkt sich die Lehrerin, dass sie bei dieser Gelegenheit auch nach Wanja Ausschau halten kann. Doch aus diesem vagen Ausschauhalten wird bald eine groß angelegte Suchaktion: Jurk schart ein Team um sich, das gezielt versucht, Wanja zu finden. Die Fahnder verteilen mehr Flyer und richten eine Seite im Internet ein.

Immer mehr Anfragen von Hundehaltern

Im Laufe der Zeit wird zudem Ausrüstung angeschafft, etwa Wild-Cams, vor allem aber wird Wissen angehäuft. „Ganz am Anfang haben wir natürlich alles falsch gemacht, was man falsch machen kann“, sagt Jurk. So sei man etwa mit einem Suchtrupp durch den Wald gestürmt, was den Hund aber verschreckt – und vertreibt. Doch der professionelle Hundesucher Frank Weißkirchen aus Breitscheid berät Jurk und ihr Team – und bringt ihnen die Grundlagen und Feinheiten einer Tiersicherung bei.

Schon nach kurzer Zeit bekommt Jurk immer mehr Anfragen von anderen Haltern, deren Hund entlaufen ist – anfangs vor allem aus Stuttgart und der Umgebung, bald schon aus ganz Baden-Württemberg. Jurk kann und will nicht Nein sagen. So stellt sie die Seite Hund entlaufen ins Netz; seither helfen sie und ihr Team, wo und wie sie können – unentgeltlich und in ihrer Freizeit.

„Hundesicherung ist ansteckend“

Als Administratoren der Internetseite gehören Steffi Schulze, Kathrin Haller und Irina Knecht dem Team an, aktiv unterwegs sind neben Jurk vorrangig Petra Veiel und Vanessa Russig. Beide lernt Jurk über deren Arbeitsstelle kennen: Veiel ist Pressesprecherin des Tierheims Botnang, Russig macht eine Ausbildung zur Tierpflegerin im Tierheim Ludwigsburg. „Die Hundesicherung ist ansteckend“, sagt Veiel. Denn schließlich habe das Ganze etwas von Miss-Marple-Spielen. So gelte es, Spuren zu lesen und zu schauen, ob irgendwo Mülleimer durchwühlt worden sind. „Das ist dann die Abteilung Forensik“, sagt Veiel und lacht. Auch strategisches Denken sei gefragt, wenn man etwa anhand der Sichtungskarte versuche vorherzusagen, an welche Futterstelle der Hund als nächstes gehen wird. „Im Idealfall ist man dem Hund einen Schritt voraus“, sagt Jurk, die derzeit ihren Gibson zum Mantrailer-Hund ausbildet.

Ist der Hund dann in die Lebendfalle gegangen, meldet dies der Fallenmelder, der mit den Handys der Frauen verbunden ist – und auch mitten in der Nacht heißt es dann: Raus aus den Federn, rein in die Jogginghose und ab zur Falle. Oftmals mit enttäuschendem Ergebnis, denn auch Füchse und Igel fühlen sich freilich von dem „Fünf-Gänge-Menü“ in der Falle – Grillhähnchen, Frikadellen, Döner und Leberwurst – immer wieder magisch angezogen.

Im Jahr 2017 haben die Frauen bereits acht Hunde gesichert

Wenn dann aber der Hund in der Falle sitzt, sei dies ein „ergreifendes Gefühl“, sagt Russig, die einen der streunenden, herrenlosen Hunde, die die Frauen auch immer wieder sichern, bei sich aufgenommen hat. „Ich habe in solchen Momenten auch schon geweint“, bekräftigt Jurk. „Da fällt die Anspannung von Tagen oder Wochen von einem ab.“ Denn so lange kann es dauern, bis ein Hund gesichert wird. „Wochenenden und Feiertage gibt es nicht mehr“, sagt Veiel. In diesem Jahr haben sie bereits acht Hunde gesichert – generell sind sie in 80 Prozent der Fälle erfolgreich.

Das spornt an. Auch dazu, Geld aus der eigenen Tasche in das Projekt zu stecken. Denn bisher ist Hund entlaufen Baden-Württemberg kein Verein – und darf deshalb keine Spenden, sondern höchstens Schenkungen annehmen. „Wir hatten schlicht keine Zeit für die Vereinsgründung“, sagt Jurk. Deshalb finanzieren sie die Ausstattung – Wild-Cams, Lebendfalle, Zwinger und Gehege – vorrangig aus persönlichen Mitteln. „Unser Wunsch wäre es, ein Netzwerk aufzubauen, auch an Handwerkern, die uns etwa mit dem Gehege helfen“, sagt Veiel.

„Die Hunde, die wir nicht sichern können, lassen uns nicht los“

Wanja ist nicht wieder aufgetaucht. Doch die Frauen haben sie weder vergessen noch aufgegeben. Ihre Seite im Internet besteht noch immer – und ab und zu posten sie erneut eine Suchmeldung auf Hund entlaufen Baden-Württemberg. „Die 20 Prozent an entlaufenen Hunden, die wir nicht sichern können, setzen uns zu, die lassen einen nicht los“, sagt Jurk. Die vielen Hunde, die gesichert werden und wieder nach Hause dürfen, würden zum Dank aber sicher ihren Hundekuchen mit den Miss Marples teilen.