Tierheim Esslingen Einst retteten die Tierschützer über 100 Tiere aus einer Messiewohnung

Beschlagnahmte Tiere erfordern besonders viel Geduld, sagen Horst Theilinger (li ) und David Koch vom Tierheim Esslingen. Foto: Roberto Bulgrin

Im Tierheim Esslingen werden auch Hunde oder Katzen aus nicht-artgerechten Haltungen untergebracht. Dabei stoßen die Verantwortlichen oft auf furchtbare Zustände.

Vier Hunde vegetieren eingepfercht in einem engen Käfig dahin. Futter gibt es nur spärlich. Und wenn etwas zu fressen in das Gehege geworfen wird, rangeln sich die Tiere um die karge Ration. Bisswunden sind die Folge, und die Vierbeiner sind bis auf die Rippen abgemagert. Das Leiden dieser Hunde war furchtbar, sagt Horst Theilinger, der Leiter des Tierheims Esslingen. Das Veterinäramt habe sie vor etwa einem halben Jahr beschlagnahmt und in die Einrichtung auf der Neckarinsel gebracht. Solche Zustände seien die Ausnahme, ergänzt David Koch als Vorsitzender des Tierschutzvereins Esslingen und Umgebung. Viele Zirkusse würden sich gut um ihre Vierbeiner kümmern. Doch beschlagnahmte Tiere erfordern vom Tierheim-Team viel Geduld, Einsatz, Zeit und Engagement.

 

Diese Bilder sehen die beiden Tierschützer noch vor sich. In einem Haus in Hochdorf, so erinnern sie sich an einen Fall vor vielen Jahren, waren über 100 Tiere in einer völlig verschmutzten Messie-Wohnung untergebracht. Unter Müllbergen seien Tierskelette zum Vorschein gekommen und eine lebendige Schildkröte. Im Tierheim fanden die Geschundenen eine vorläufige Heimat.

Fristen werden gewährt

Ein solcher Zuwachs sei immer eine Herausforderung, so Horst Theilinger. Die Tiere müssten untersucht, meist noch kastriert, gechippt und geimpft werden. Gerade das ausgelaufene Jahr 2023 habe einige Beschlagnahmungen mit sich gebracht. Viele dieser Neuzugänge hätten an neue Besitzer vermittelt werden können. Doch von den etwa 160 derzeit betreuten Tieren stammen fünf aus Beschlagnahmungen. Zuwächse aus illegalem Handel wären drei bis vier Mal im Jahr zu verzeichnen. Die Zustände müssten schon sehr schlecht sein, bevor Tiere ihren Besitzern weggenommen werden. Meist räume das Veterinäramt eine Frist zur Verbesserung der Zustände ein.

In einer Dachwohnung in der Pliensauvorstadt wurde eine solche Frist nicht genutzt. Auf 60 Quadratmetern wurden Ende 2018 dort 43 Katzen gehalten. Die Zustände waren katastrophal, hat David Koch noch im Gedächtnis. Fälle von „Animal-Hoarding“, von einem „Tierhorten“ mit einer gehäuften Haltung, gebe es immer wieder. Die Besitzer würden aus falsch verstandener Tierliebe handeln und den Tieren nicht Gutes tun.

Wesenstest für Hunde

Auch Massenhaltungen von Hunden kommen vor. Bei nicht artgerechter Haltung landen sie oft im Tierheim. Bei Pitbulls, American Staffordshire Terriern oder Bullterriern könne das problematisch werden. Für diese Tiere und Mischlinge aus diesen Rassen werde ein Wesenstest verlangt, sagt Horst Theilinger. Diese Verhaltensprüfung werde von dem Veterinäramt zusammen mit der Polizeihundestaffel etwa im Tiefenbachtal bei Nürtingen durchgeführt. Alltagssituationen würden nachgestellt und das Verhalten der Hunde in Augenschein genommen. Die Tiere würden von einer Menschengruppe in die Mitte genommen, von Fahrradfahrern überholt oder mit einem Kinderwagen passiert. Die Vierbeiner müssten sich ruhig und friedlich verhalten. Früher habe es nur eine Möglichkeit für den Test gegeben, in jüngster Zeit bestehe manchmal noch die Chance, Verhaltensauffälligkeiten zu korrigieren. Allerdings geschehe es sehr selten, dass ein Vierbeiner bei der Verhaltensprüfung durchrassele. Aber die Vorbereitung darauf sei sehr aufwendig.

Fällt ein Hund durch, sei er fast nicht mehr zu vermitteln. Viele Städte und Gemeinden würden für Tiere ohne Wesenstest eine höhere Hundesteuer verlangen als für andere Vierbeiner. Schon diese Aussicht würde viele Menschen von der Übernahme eines solchen Hundes abhalten. Das Tierheim gebe sie – wenn überhaupt – nur an Halter ab, die bestenfalls schon Erfahrung mit diesen Rassen hätten.

Erbschaften fehlen

Beschlagnahmte Tiere und Hunde mit Pflicht zu Wesenstests belasten den Etat des Tierheims, sagt David Koch. Etwa 1,2 Millionen Euro würden jährlich für den Unterhalt der Einrichtung auf der Neckarinsel benötigt. Die Kosten werden seinen Worten zu Folge durch Spenden in Höhe von etwa 100 000 Euro pro Jahr, die Mitgliedsbeiträge, Erbschaften oder die Zahlungen von Kommunen für die Versorgung von Fundtieren getragen. „Ohne die Erbschaften könnten wir gar nicht überleben. Aber auch sie gehen zurück, weil viele Menschen in ihrem letzten Willen keine Vereine mehr bedenken“, erklärt David Koch. Die Jubiläumsgala zu den runden Geburtstagen von Verein und Tierheim habe etwa 30 000 Euro in die Kassen gespült, die dem Tierheim zu Gute kämen.

Dennoch seien Spenden immer willkommen. Und Menschen, die Tiere mitnehmen. Ambra etwa, einer der Hunde aus der nicht artgerechten Haltung des Zirkus, hat noch kein neues Zuhause gefunden.

Das Tierheim Esslingen

Einrichtung
 Im Tierheim Esslingen, so erklärt Leiter Horst Theilinger, sind 22 Mitarbeitende beschäftigt. Aktuell werden in der Einrichtung etwa 160 Tiere versorgt – vor allem Hunde, Katzen und Kleintiere. Träger ist der Tierschutzverein Esslingen und Umgebung, dem laut Vorsitzendem David Koch 1600 Mitglieder angehören.

Doppeljubiläum
 Im letzten Jahr wurde ein Doppeljubiläum gefeiert. Der Tierschutzverein Esslingen und Umgebung war vor 70 Jahren gegründet worden, das Tierheim im Nymphaeaweg 6 auf der Esslinger Neckarinsel bestand seit 60 Jahren. Dieser zweifache runde Geburtstag wurde mit einer Benefizgala begangen.  

Geschäftsstelle
 In der Geschäftsstelle in der Grabbrunnenstraße 10 in Esslingen werden auch persönliche Beratungen zu Fragen von Tierhaltung oder Tierschutz angeboten.

Weitere Informationen im Internet unter: www.tierschutzverein-esslingen.de

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