Wer lässt sich denn schon gerne stechen? Auch manche Säugetiere und Vögel nutzen natürliche Repellents gegen die lästigen Blutsauger. Im Labor stellen Biologen fest: ätherische Öle, Ameisensäure und Tausendfüßer-Sekret vertreiben Mücken und Zecken tatsächlich.

Stuttgart - Die Plagegeister haben wieder Hochkonjunktur. Ein vielköpfiges Heer von Mücken, Zecken und anderen Blutsaugern startet seine Angriffe. Das kann einem den Grillabend oder Waldspaziergang verleiden. Doch Menschen sind keineswegs die einzigen Opfer der kleinen Vampire. Schließlich lässt sich eine nahrhafte Blutmahlzeit genauso gut aus einem anderen Säugetier oder einem Vogel zapfen. Auch die sind allerdings nicht bereit, die Attacken einfach über sich ergehen zu lassen. Tiere haben im Laufe ihrer Evolution eine ganze Palette von Insekten-Repellents erfunden.

 

Die Osha-Wurzel, die in den Rocky Mountains wächst, ist zum Beispiel ein echtes Allround-Talent. Sie wirkt nicht nur gegen Magenschmerzen und Infektionen, sondern schlägt auch Insekten in die Flucht. Kein Wunder, dass die karottenähnliche Pflanze mit dem wissenschaftlichen Namen Ligusticum porteri in der traditionellen indianischen Medizin beliebt war. Eine Legende der Navajo-Indianer erzählt, dass es einst die Bären waren, die den Menschen das Wissen über die Heilkräfte des Gewächses gebracht haben. Und vielleicht ist da sogar etwas dran. Schließlich zerkauen nordamerikanische Braunbären immer wieder mal eine Osha-Wurzel und schmieren sich den mit Speichel vermischten Brei ins Gesicht. Wollen sie sich mit der stark nach Sellerie duftenden Rezeptur gegen lästige Insekten schützen? Eine bessere Erklärung für das ungewöhnliche Verhalten hat noch niemand gefunden.

Aus Studien an anderen Tieren wissen Biologen jedenfalls, dass aromatische Pflanzen durchaus wirksame Waffen gegen Blutsauger sein können. Die Weißrüssel-Nasenbären auf der Insel Barro Colorado in Panama zum Beispiel haben die Vorzüge eines Gehölzes namens Trattinickia aspera entdeckt. Dieses Gewächs, das zur gleichen Pflanzenfamilie wie Weihrauch und Myrrhe gehört, sondert ein stark nach Menthol riechendes Harz ab. Ein Nasenbär, der sich das ins Fell schmiert, mag hinterher duften wie ein Hustenbonbon. Dafür hält er sich auf diese Weise Flöhe, Zecken, Läuse und Stechmücken vom Leib.

Die Apotheke der Natur hält viele Mittel bereit

Andernorts setzen Nasenbären dagegen lieber auf die abschreckende Wirkung von Zitrusfrüchten. Und damit sind sie keineswegs die Einzigen. Die Anthropologin Mary Baker von der University of California in Riverside hat schon Anfang der 90er Jahre beobachtet, wie sich Weißschulter-Kapuzineraffen in Costa Rica mit dem Saft und dem Fruchtfleisch verschiedener Zitrusgewächse einrieben. Und das scheint durchaus zu helfen. Laborversuche haben inzwischen gezeigt, dass diese Pflanzen Verbindungen enthalten, die Insekten und Spinnentiere vertreiben oder abtöten können.

So hat ein Team um Paul Weldon vom Smithsonian-Institut im US-amerikanischen Front Royal die Wirkung von Zitrusfrüchten auf Zecken getestet. Dabei haben die Forscher nicht nur aus Zitronenschalen gewonnene Flüssigkeit unter die Lupe genommen, sondern auch 24 einzelne Verbindungen aus den Früchten und Blättern verschiedener Zitrusgewächse. Tatsächlich krabbelten die Zecken etlichen dieser Substanzen aus dem Weg. Und wenn sie doch damit in Kontakt kamen, konnten sie anschließend nicht mehr richtig klettern. Die größte Wirkung zeigten dabei die Flüssigkeit aus der Zitronenschale und die Verbindung Carveol.

Allerdings beschränken sich Kapuziner-Affen nicht nur auf solche Zitrus-Wirkstoffe. Gerade diese Primaten, von denen etliche Arten durch die Wälder Mittel- und Südamerikas turnen, sind als einfallsreiche Repellent-Nutzer bekannt. Je nach Art und Region schmieren sie sich und ihren Gefährten die unterschiedlichsten Substanzen in den Pelz. Schließlich bietet ihr Lebensraum eine ganze Palette von aromatisch duftenden Pflanzen, die sich mit Speichel zu einem wirksamen Repellent verarbeiten lassen. Zwiebeln zum Beispiel oder Pfeffergewächse. Dabei sind die Tiere durchaus wählerisch. So rupfen sie keineswegs irgendwelche Vertreter der Pfefferverwandtschaft ab, sondern entscheiden sich gezielt für die Art Piper marginatum – ein Gewächs, dem das ätherische Öl Safrol einen lakritzähnlichen Duft verleiht. Diese Vorliebe ist offenbar kein Zufall. Die Biologin Erica Jansen vom Hope College im US-Bundesstaat Michigan hat in Laborversuchen herausgefunden, dass Piper marginatum Mückenlarven viel effektiver abtötet als Pfefferarten ohne Lakritz-Aroma.

Statt Zitrus tut’s auch Ameisensäure

Doch warum sich auf Pflanzenpräparate beschränken? Braune Kapuzineraffen sind auf die Idee gekommen, sich mit Tausendfüßern der Art Orthoporus dorsovittatus einzureiben. Auch hinter diesem Verhalten haben Paul Weldon vom Smithsonian-Institut und seine Kollegen einen insektenbekämpfenden Zweck entdeckt. In den Sekreten der Tausendfüßer finden sich nämlich etliche giftige Verbindungen aus der Gruppe der Benzochinone. Und zwei davon schlugen in den Experimenten der Forscher die Weibchen der Gelbfiebermücke Aedes aegypti in die Flucht.

Auch Ameisensäure scheint ein wirksames Rezept gegen Blutsauger zu sein – und zwar eines, das keineswegs nur Kapuziner und andere Affen kennen. Mehr als 200 Vogelarten nehmen immer mal wieder ein Bad in einem Ameisenhaufen oder schmieren sich die Krabbeltiere mit dem Schnabel ins Gefieder. Dabei haben sie eine Vorliebe für solche Arten, die reichlich Ameisensäure produzieren. Die wirkt im Labor besonders effektiv gegen Federläuse.

Nun ist es für einen Vogel ja gut und schön, den eigenen Körper gegen Blutsauger zu verteidigen. Doch was ist mit dem Nest? Dort lauert schließlich noch ein Heer von Parasiten, die Küken und Eltern nicht nur Blut abzapfen, sondern auch Krankheiten übertragen können. Wenn Gesundheit und Bruterfolg nicht übermäßig leiden sollen, sind also auch Maßnahmen zum Schutz der Kinderstube gefragt.

Mancher Spatz greift zur Zigarette

Manche Vögel scheinen auch dabei auf pflanzliche Unterstützung zu setzen. Etliche Arten wie Stare, Spatzen oder Blaumeisen sind dafür bekannt, dass sie regelmäßig frische, aromatische Pflanzen in ihre Nester tragen. Einige Biologen vermuten, dass sie mit einer solchen Ausstattung vor allem ihre Partner beeindrucken wollen. Doch die duftende Raumausstattung könnte auch gegen Blutsauger wirken. Manche Stare tragen zum Beispiel gern die Stängel der Wilden Möhre in ihr Nest. Diese Pflanze enthält eine Verbindung namens Beta-Sitosterol, die Milben abschreckt und an der Eiablage hindert.

Einige Stadtvögel scheinen sich mittlerweile allerdings auf eine modernere Variante des Nestschutzes verlegt zu haben. Diesem Trend ist ein Team um Montserrat Suárez-Rodríguez von der Universidad Autónoma de México in Mexiko-Stadt auf die Spur gekommen. Die Forscher hatten die Nester der Haussperlinge auf dem Gelände der Universität untersucht und in fast neunzig Prozent davon Cellulosefasern aus Zigarettenfiltern gefunden.

Kippen in der Kinderstube – das klingt erst einmal nicht nach einer gesundheitsfördernden Idee. Andererseits haben Tabakpflanzen ihr Nikotin ja gerade entwickelt, um hungrige Insekten und andere krabbelnde Angreifer von ihren Blättern fernzuhalten. Greifen also auch die Spatzen im Kampf gegen Parasiten neuerdings zur Nikotinwaffe? Nach den Befunden der mexikanischen Forscher spricht einiges dafür, denn bei den untersuchten Nestern ließ sich ein Trend erkennen: je mehr Zigarettenreste, umso weniger Milben.

Auch das Ergebnis eines Experiments passt ins Bild. Dazu hatten die Forscher die Spatzen-Kinderstuben mit Parasitenfallen bestückt, die entweder den Filter einer frischen oder den einer gerauchten Zigarette enthielten. Letztere lockten wesentlich weniger Blutsauger an – vermutlich wegen des darin enthaltenen Nikotins. Allerdings könnten nach Einschätzung der Forscher auch andere Tabakinhaltsstoffe eine Rolle gespielt haben. Klar ist jedenfalls, dass gegen die alten Gegner im Nest immer neue Strategien gefragt sind. Da greift der moderne Stadtvogel schon mal zur Zigarette.

Tipps (für Menschen) gegen Mückenstiche

Kleidung
Menschen haben mehr Möglichkeiten zur Abwehr von Blutsaugern als jedes Tier. Dabei muss nicht immer Chemie zum Einsatz kommen: Schon helle, langärmlige Kleidung, Fliegengitter vor den Fenstern und ein Moskitonetz über dem Bett helfen.

Repellents
Mittel für die Haut sollte man nur anwenden, wenn tatsächlich stechende Insekten unterwegs sind. Beim Einreiben oder Einsprühen sollte man den Bereich um Augen und Mund aussparen, auch Wunden und entzündete Stellen sind tabu. Bei Kindern unter drei Jahren empfiehlt die Stiftung Warentest, generell auf Repellents zu verzichten.

Tests
Die beste Abschreckung zeigen Mittel mit dem synthetischen Wirkstoff Diethyltoluamid (DEET), sagt die Stiftung Warentest. Für Reisen in die Tropen, wo Krankheiten wie Malaria drohen, empfehlen die Tester daher solche Produkte. Allerdings hat der Wirkstoff auch Nachteile, weil er die Schleimhäute reizt. Als besser verträglich und fast so wirksam erwies sich der synthetische Wirkstoff Icaridin, der nach Einschätzung der Tester für europäische Länder in der Regel ausreicht.

Hilfsmittel
Armbänder, die ätherische Öle freisetzen, zeigten im Test keine Wirkung. Die Stiftung rät in den meisten Fällen von Geräten ab, die Insektizide im Raum verdampfen. Zwar seien diese wirksam, könnten aber für Menschen und Haustiere ungesund sein.