Tobias Bacherle, Grünen-Stadtrat in Sindelfingen und Mitglied im Vorstand der Grünen Jugend Baden-Württemberg, hat mit Kollegen eine Initiative gestartet. Ziel ist eine Verjüngung der Kreis- und Gemeindeparlamente nach der Wahl im kommenden Jahr.

Sindelfingen - Ohne Gegenstimmen wurde beim Landesparteitag der Grünen am Wochenende in Leinfelden-Echterdingen (Kreis Esslingen) ein Antrag der Grünen-Jugend angenommen. In diesem fordern die Nachwuchspolitiker eine Initiative zur Kommunalwahl im kommenden Jahr, um mehr junge Leute in die Kommunalparlamente zu bekommen. Der 23 Jahre alte Sindelfinger Stadtrat Tobias Bacherle hatte den Antrag eingebracht. Im Interview erzählt er, was er und seine Mitstreiter sich davon versprechen.

 
Herr Bacherle, sind Sie vielleicht die Ausnahme? Die meisten jungen Leute interessieren sich doch nicht für Politik.
Das stimmt so nicht. Die Shell-Studie bestätigt zwar, dass viele Jugendliche kein Interesse an Politik haben, aber auch viele, die das interessiert, und deren Zahl steigt. Junge Leute bewegen die großen Themen: Klimaschutz, Ausländerfeindlichkeit. Rechtsradikalismus, Flüchtlinge. Für Straßensanierungen – oft ein Thema auf lokaler Ebene – interessieren sie sich nicht so. Deshalb ist es wichtig, dass wir aufzeigen, dass es die Aufgabe von Gemeinderäten ist, die großen Themen im Lokalen umzusetzen. Radwege zu planen, aber auch die Tiefgaragensanierung haben mit dem Klimaschutz zu tun.
Sie selbst sind seit vier Jahren Sindelfinger Rat. Mal ehrlich, sind die Sitzungen nicht sehr langweilig?
Ja, manche Sitzungen sind wirklich schrecklich. Wenn beispielsweise zwei Stunden darüber diskutiert wird, dass die Sauna des Hallenbads für zwei Wochen zumacht. Aber ich halte das aus, weil ich weiß: danach kann ich wieder über Spannendes wie die Einrichtung eines Kulturzentrums oder die Digitalisierung diskutieren.
Wie wollen Sie junge Leute anwerben?
Es gibt bereits auf Landesebene bei den Grünen eine Arbeitsgemeinschaft mit dem Namen „Für Politik begeistern“. Da planen wir eine Kampagne für die sozialen Medien mit jungen Kommunalpolitikern, ich bin einer davon. Hier im Kreis setze ich zum einen auf persönliche Gespräche, die ich bereits jetzt führe. Dann wollen wir Events organisieren, mit denen wir junge Leute ansprechen können. Das sollen aber keine Reservate für Jugendliche sein, sondern so gestaltet, dass sich viele Menschen angesprochen fühlen. Und natürlich setzen wir stark auf die sozialen Medien.
Eine Gemeinderatsperiode dauert fünf Jahre. Ist es realistisch, sich als 18- oder 20-Jähriger für ein solch lange Zeit zu verpflichten? Studium, Berufseinstieg, Auslandsaufenthalte sind in diesem Alter wichtiger.
Ich denke, wenn jemand drei Jahre lang Gemeinderat ist und das cool macht, ist es okay, wenn dieser dann aus persönlichen Gründen wegzieht oder auch wegen eines Auslandsaufenthalts ein paar Monate Pause macht.
Vor vier Jahren gab es in Sindelfingen eine 18-Jährige, die kandidierte, obwohl sie wusste, dass sie nach Afrika geht. Ist das nicht eine Täuschung der Wähler, die eine Junge wählten und stattdessen als Nachrücker einen älteren Mann bekamen?
Ich stimme Ihnen zu. Das geht nicht. Deshalb spreche ich bereits jetzt mit den Leuten: Die sollen sich überlegen, was sie wollen. Im Januar, Februar werden die Listen aufgestellt. Ich denke mit einer guten digitalen Plattform kann auch jemand, der in Heidelberg studiert, Gemeinderat in Sindelfingen sein und zu den Sitzungen anreisen.
Was ist Ihr Ziel für die Wahl?
Schön wäre es, sechs bis sieben junge Leute quer durch die Fraktionen im 40-köpfigen Gremium zu haben. Für uns Grüne sollten wir mindestens drei Leute unter 28 auf der Liste haben plus einen für Maichingen.
Was, glauben Sie, ändert sich mit mehr jungen Leuten im Rat?
Solange Akteure, die seit 25 Jahren im Rat sitzen, sich kennen, mögen und hassen, ihre Auseindersetzungen mit den immer gleichen Sprüchen austragen, ist es schwer, etwas zu verändern. Wenn aber mehr junge Leute im Gremium sind, kann man ein Netzwerk bilden. Zum Beispiel zu Themen wie Digitalisierung, auf die junge Leute einen anderen Block haben als ältere.

Zur Person Tobias Bacherle

Person:
Tobias B. Bacherle wurde 1994 in Herrenberg geboren und wuchs in Sindelfingen auf. Dort machte er 2013 das Abitur am Gymnasium in den Pfarrwiesen. Im Moment studiert er in Tübingen Politikwissenschaft und Sprachen, Geschichte und Kulturen des Nahen Ostens. Er macht Musik in der Metalcore-Band Immersion und ist einer der Organisatoren des Dit-is-schade-Festivals in Sindelfingen.

Politik:
Bacherle war von 2014 bis 2015 Sprecher der Grünen Jugend Böblingen, seit 2016 ist er Mitglied im Landesvorstand der Nachwuchsorganisation. Bei der Bundestagswahl 2017 war er der Kandidat der Grünen im Kreis. Seit 2014 sitzt er im Sindelfinger Gemeinderat. Zudem ist er im Kreisvorstand der Grünen