Der Tod ereilte Tutanchamun bereits in jungen Jahren. Wurde er ermordet, starb er an Malaria oder einem Tumor? Oder an nicht verheilten Beinfrakturen infolge eines Unfalls, die 2005 bei radiologischen Untersuchungen der Mumie entdeckt wurden. Neue Analysen der CT-Bilder untermauern genau diese Theorie.

Wochenend-Magazin: Markus Brauer (mb)

Am 4. November 1922 stieß Howard Carter im Tal der Könige, fünf Kilometer nordwestlich der oberägyptischen Stadt Luxor, auf eine steinerne Treppenstufe. Der britische Archäologe war, ohne es zu diesem Zeitpunkt zu ahnen, auf das Grab des ägyptischen Pharaos Tutanchamun (1332-1323 v. Chr.) gestoßen.

 

Symbol für den Glanz des antiken Ägyptens

Die goldene Totenmaske Tutanchamuns. Foto: Imago/Wirestock

Nach knapp zehnjähriger Regierungszeit starb dieser Herrscher aus den Dynastien des Neuen Reiches, kaum dass er dem Jugendalter entsprungen war. Unter seiner Herrschaft wurde die Rückkehr zu den alten Göttern eingeleitet, von denen sich sein Vater Echnaton (Amenophis IV.) zuvor abgewandt hatte.

Historisch ist Tutanchamuns Regierungszeit eher unbedeutend. Dennoch gilt er heute als Symbol für den Glanz des antiken Ägyptens, weil Howard Carter sein mit zahlreichen Schätzen ausgestattetes Grab weitgehend unversehrt entdeckt hatte.

Wie alt wurde der junge Herrscher?

Howard Carter untersucht einen von insgesamt drei ineinander liegenden Sarkophagen Tutanchamuns. Foto: Imago/UIG
Über dem dritten Sarkophag waren noch einmal vier große, ineinander geschachtelte Schreine, wie schützende Hüllen, errichtet. Foto: Imago/Gemini Collection

Howard Carter mutmaßte, dass Tutanchamun im Alter von 17 bis 19 Jahren verstarb. Untersuchungen der Mumie durch ein internationales Wissenschaftlerteam in den 1980er Jahren bestätigten diese Einschätzung. Auch eine Computertomografie (CT)-Analyse vom 6. Januar 2005 ergab ein Todesalter zwischen 18 und 20 Jahren.

Grabbeilagen – wie die Überreste bestimmter Blumen, die nur zu dieser Jahreszeit blühten –, legten nahe, dass der Tod zwischen Ende Dezember 1324 v. Chr. und Mitte Februar 1323 v. Chr. eingetreten sein muss.

Woran starb Tutanchamun?

Einer der Streitwagen, die im Königsgrab in Einzelteilen lagerten. Foto: Imago/Heritage Images

Doch was war die Todesursache? Ein Schlag auf den Kopf infolge eines Attentatsversuches oder eines Kampfes konnte durch die CT-Untersuchung ausgeschlossen werden. Auch eine Malaria- oder Tumor-Erkrankung, wie mancher Ägyptologe vermutetete, scheinen unwahrscheinlich gewesen sein.

Dagegen stellten die Forscher im Januar 2005 einen bis dahin unentdeckten Bruch des linken unteren Oberschenkels sowie weitere Frakturen der rechten Kniescheibe und des rechten unteren Beins fest. All diese Befunde legten die Vermutung nahe, dass Tutanchamun nicht ermordet wurde, sondern mutmaßlich an den Folgen eines Unfalls mit einem Streitwagen starb.

Frische Fraktur kurz vor dem Tod

Die rasate Fahrt in einem solchen kunstvoll verzierten Streitwagen (hier ein Exemplar aus Tutanchamuns Grab im Tal der Könige) könnte dem jungen Pharao zum Verhängnis geworden sein. Foto: Imago//Heritage Images

Südafrikanische Mediziner haben sich die rund 18 Jahre alten CT-Bilder sowie die Röntgenaufnahmen aus den späten 1980er Jahren jetzt noch mal genauer angeschaut. Das Ergebnis:  „Die Tatsache, dass Balsamierungsharz an der Bruchstelle des linken Beins gefunden wurde, deutet darauf hin, dass es sich um eine frische Fraktur handelte, die kurz vor seinem Tod aufgetreten sein musste“, berichten die Chirurgen Sebastian van As (University of Cape Town/Kapstadt) und Robin Brown (University of Limpopo) im „South African Journal of Surgery“. („Tutankhamun. Africa’s first reported road traffic crash victim?“ – „Tutanchamun. Afrikas erstes aufgezeichnetes Verkehrsunfallopfer?“). Anzeichen einer Knochenheilung habe es nicht gegeben, so die Forscher.

Jagdausflüge im Streitwagen gehörten zu den Lieblingsbeschäftigungen der Pharaonen. Im Grab Tutanchamuns fanden sich unter den zahlreichen Artefakten auch mehrere in Einzelteile zerlegte solche vergoldete Wagen. Auch Malereien, die Tutanchamun bei der Jagd und im Kampf gegen Feinde zeigen, zieren die Wände seines Grabes.

Unfall bei der Jagd oder beim Wagenrennen

50 kleine und große Truhen wurden im Grab gefunden – darunter auch diese kunstvolle hölzerne Jagdtruhe. Ihre Darstellungen versinnbildlichen die Macht und Stärke des Pharao. Foto: Imago/Robert Harding
Diese Detaildarstellung auf einem der Streitwagen zeigt den Pharao bei der Jagd. Foto: Imago/United Archives
Dieses rotgoldene Schmuckstück aus den zahlreichen Grabbeilagen zeigt den König als Wagenlenker. Foto: Imago/Robert Harding

Bei der neuerlichen Analyse der auf den CT-Aufnahmen dokumentierten Knochenbrüche stießen die Mediziner auf einige Ungereimtheiten. „Die Art der Fraktur, die Tutanchamun erlitt, kommt heute bei Kindern äußerst selten vor“, schreibt Robin Brown. Die komplizierte sogenannte distale juxta-epiphysäre Femurfraktur (vom Rumpf entfernt, nahe der Gelenkzone) findet man bei Brüchen, die aufgrund starker Brems- oder Beschleunigungsvorgängen oder Aufprallereignissen eintreten.

„Derartige offene Frakturen können auch bei Stürzen aus großer Höhe auftreten. Aber hier weisen die Umstände eher auf einen Wagenunfall hin“, erklärt Sebastian van As.

War Tutanchamum vom Streitwagen gestürzt?

Replikat eines der Streitwagen Tutanchamuns. Foto: Imago/Zuma Wire

„Die Verletzungen können daher sehr wohl davon herrühren, dass Tutanchamun von seinem Streitwagen fiel. Während des Sturzes erlitt der junge Pharao mehrere Verletzungen, einen komplizierten Oberschenkelbruch und möglicherweise auch ein stumpfes Trauma des Brustkorbes“, schreiben die Forscher in ihrer Studie.

Die Folgen dieses Unfalls – während der Jagd oder eines Wagenrennens – führten zu schweren Knochenfrakturen,die nicht verheilten und letztendlich zum Tod Tutanchamuns führten.