Nach den tödlichen Schüssen auf einen 36-Jährigen in Stuttgart-Ost ist ein Video aufgetaucht. Vorwürfe wurden laut, keiner der Beamten hätte sich um das Opfer gekümmert. Dem widerspricht nun die Polizei.

Lokales: Christine Bilger (ceb)

Stuttgart - Die Polizei wehrt sich gegen die nach dem Tod eines jungen Mannes aus dem Stuttgarter Osten erhobenen Vorwürfe. Ein Beamter erschoss ihn, nachdem der 36-Jährige in der Landhausstraße aus einer Schreckschusspistole gefeuert hatte. Im Internet zeigt Bild.de nun ein Video, das von Anwohnern gemacht worden sein soll und auf dem Ausschnitte des Geschehens zu sehen sind. Freunde und Nachbarn des Toten behaupten nun, der Mann sei nach dem Bauchschuss gefesselt am Boden gelegen, und es habe sich niemand um ihn gekümmert. Auch sei der Notarzt zu spät gerufen worden.

 

„Um 0.25 Uhr fiel der Schuss. Noch vor 0.26 Uhr war der Rettungsdienst verständigt“, sagt Polizeisprecher Stefan Keilbach. Der Rettungswagen sei um 0.30 Uhr am Ort des Geschehens eingetroffen, der Notarzt um 0.31 Uhr. Diese Zeiten seien durch Aufzeichnungen des Rettungsdienstes belegt. Auch hätten sich seine Kollegen um den Verletzten gekümmert. „Sie haben seine Pupillenreflexe untersucht, seinen Puls gefühlt, das Shirt hochgezogen und gesehen, dass er tief atmet. Eine große blutende Wunde war nicht erkennbar. Daher haben sie ihn in die stabile Seitenlage gebracht.“ All dies zeigt das Video nicht. Es setzt ein, als der Mann schon auf der Seite liegt. Der Polizei liege eine Sequenz vor, die länger sei als jene auf der Internetseite der „Bild-Zeitung“, sagt Keilbach. Inzwischen wisse die Polizei, dass der 36-Jährige „von keinem Arzt der Welt“ mehr hätte gerettet werden können: Er sei innerlich verblutet.

Tatsächlich hätten die Beamten dem Mann Handschellen angelegt. „Als er am Boden lag, hatte er die Hand noch an der Waffe“, erläutert der Polizeisprecher. Ob absichtlich oder nicht, sei für die Einsatzkräfte nicht zu erkennen gewesen. „Wenige Augenblicke vorher hatte er noch die Polizei angreifen wollen“, betont Stefan Keilbach. In einer solchen Situation sei vorgeschrieben, zuerst Sicherheit herzustellen. Dies sei durch das Fesseln mit der Schließe geschehen. Erst später habe man gemerkt, dass es sich bei der Waffe um eine Schreckschusspistole, Modell Walther P 88 Compact, handelte. Diese sei weder von Laien noch von Polizisten auf den ersten Blick vom scharfen Modell zu unterscheiden. Die Handschellen seien dem Mann später abgenommen worden.

Die Polizei geht nach dem aktuellen Stand der Ermittlungen davon aus, dass der Mann die Auseinandersetzung provoziert habe, um sich erschießen zu lassen – eine Art indirekter Selbstmord. In seiner Wohnung habe man darauf Hinweise gefunden.