Bisher arbeiten die Agenten unter Pseudonym und in getarnten Unternehmen. Doch nun wird ihnen mehr Offenheit verordnet. Die Neuausrichtung soll die Akzeptanz in der Gesellschaft fördern. Doch die Mitarbeiter laufen Sturm dagegen.

Berlin - Der Bundesnachrichtendienst will sich nicht länger hinter Tarnbezeichnungen verstecken. Im Laufe dieses Jahres sollen Außenstellen des Dienstes als BND-Einrichtungen ausgewiesen und die Mitarbeiter nur noch unter Klarnamen arbeiten. Auch getarnte Arbeitsverhältnisse sollen für die meisten BND-Beamten abgeschafft werden. Im Mai wird mit der Umsetzung dieser Vorhaben begonnen. Allerdings gibt es auch Widerstand im eigenen Haus – viele Mitarbeiter halten wenig von der neuen Offenheit.

 

Die Pläne sind Bestandteil einer sogenannten Transparenzinitiative, mit der BND-Präsident Rudolf Schindler eine größere Akzeptanz seiner Behörde in der Öffentlichkeit erreichen will. Angekündigt hatte er diese Initiative bereits auf einer Konferenz im vergangenen September, doch erst jetzt werden die Details bekannt. „Die Öffentlichkeit ist nicht hinreichend darüber informiert, wie genau wir arbeiten, unter welchen Voraussetzungen wir das tun“, hatte Schindler im September gesagt. Zwar sei eine Öffnung nach außen für einen Geheimdienst immer eine Gratwanderung. „Aber es führt kein Weg daran vorbei: diesen schwierigen Spagat zwischen dem nachrichtendienstlichen Methoden- und Quellenschutz und dem gesellschaftlichen Informationsbedürfnis müssen wir einfach hinbekommen.“

Es gibt mindestens 20 getarnte Dienststellen

Der BND unterhält neben seinen offiziellen Dienstsitzen in Berlin-Lichterfelde und in Pullach bei München mindestens 20 getarnte Dienststellen. Dazu gehören zum Beispiel das Amt für Militärkunde mit Sitz in Bonn und Pullach, unter dessen Dach unter anderem Verschlüsselungen für die Kommunikationstechnik entwickelt und geknackt werden. Weitere BND-Einrichtungen heißen Studienstelle für Auslandsfragen (Sitz München), Koordinierungsstelle für Wehrtechnik (Berlin), Institut für Nachrichtentechnik (Haar bei München), Technische Revisionsstelle der Bundesverkehrsverwaltung (München), Amt für Schadensabwicklung, Bundesstelle für Sondervermögen oder Garner-Stiftung (München). Auch die Bundesstelle für Fernmeldestatistik ist eine BND-Einrichtung – ihr Schild findet sich an den Abhörstationen des Geheimdienstes.

Im Mai soll nun damit begonnen werden, Schilder mit der Aufschrift Bundesnachrichtendienst an den getarnten Dienstobjekten anzubringen. Allerdings werden die Schilder mit den alten Behördenbezeichnungen nicht entfernt – aus Rücksicht etwa auf ausländische Mitarbeiter, die dort arbeiten und deren Angehörige und Freunde von ihrer BND-Tätigkeit nichts wissen. Für eine Einrichtung kommt der Namenswechsel jedoch zu spät – die Hauptstelle für das Befragungswesen, deren Mitarbeiter in den zentralen Aufnahmelagern alle Flüchtlinge und Asylbewerber über die Situation in ihren Heimatländern befragten, wird dieses Jahr aufgelöst.

Abgeschafft werden im BND auch die sogenannten Dienstnamen. Jeder Mitarbeiter trägt bis jetzt neben seinem richtigen Namen, der den meisten seiner Kollegen nicht bekannt ist, einen Decknamen, unter dem er offiziell in der Behörde arbeitet. Die Dienstnamen sind ein Relikt aus der Zeit des Kalten Krieges. Damit sollten die eigenen Leute vor möglichen Verrätern im Dienst und damit etwa vor Entführungen oder Anwerbungsversuchen durch den Gegner geschützt werden. Mit dieser Regelung soll nun Schluss sein.

Jeder BND-Beamte wird künftig unter seinem richtigen Namen im Dienst arbeiten. Auch die sogenannten legendierten Arbeitsverhältnisse sollen abgeschafft werden. Bislang sind viele BND-Beamte offiziell beim Amt für Schadensabwicklung oder bei der Bundesvermögensverwaltung, Abteilung Sondervermögen, angestellt. Bei Bundeswehrangehörigen, die zum BND versetzt worden sind, ist das Amt für Militärkunde offizieller Dienstherr – auch dies ist eine Tarneinrichtung des Dienstes. Nach den Plänen der BND-Führung soll dieses Versteckspiel bald der Vergangenheit angehören. Als Arbeitgeber soll dann stets der Bundesnachrichtendienst in allen Unterlagen auftauchen. Lediglich für Mitarbeiter, die für einen operativen Einsatz vorgesehen sind, werden auch weiterhin legendierte Arbeitsverhältnisse geschaffen.

Massive Vorbehalte im Dienst gegen die neue Offenheit

Zur Überraschung der Behördenspitze gibt es jedoch weit verbreitete Vorbehalte im Dienst gegen diese Pläne. Vor allem die Aufhebung der Tarnung von Dienstobjekten und Arbeitgeber stößt quer durch alle Generationen und Dienstalter auf Widerstand. Offenbar tragen der Ansehensverlust des Pullacher Dienstes, ausgelöst durch die zahlreichen Affären und Pannen der letzten Jahre, sowie die Enthüllungen des früheren US-Nachrichtendienstmitarbeiters Edward Snowden dazu bei, dass auch unter den BND-Mitarbeitern der Stolz auf die eigene Arbeit arg gelitten hat.

Die Kritiker der Transparenzinitiative sehen vor allem ihre persönliche Sicherheit bedroht und fürchten einen Ansehensverlust in ihrem sozialen Umfeld, wenn ihre BND-Tätigkeit herauskommt. „Einige Mitarbeiter haben uns gesagt, nicht mal ihre engste Familie wisse davon, dass sie für den BND arbeiten“, sagt ein hoher Sicherheitsbeamter. Auch kursierten in der Behörde Geschichten, wonach in der Vergangenheit Unbekannte bei enttarnten BND-Mitarbeitern die Scheiben eingeschmissen und Hauswände beschmiert hätten. „Uns ist allerdings nicht ein solcher Fall bekannt, wir halten das für Gerüchte, die jeder Grundlage entbehren“, sagt der Sicherheitsbeamte. Dennoch hat die Amtsspitze des Dienstes reagiert und geht nun auf die Ängstlichen unter ihren Mitarbeitern zu. So soll jeder, der es will, seine Mitarbeit beim BND auch weiterhin verheimlichen und sein legendiertes Arbeitsverhältnis fortführen dürfen.