Wie Grüne und CDU sich gegenseitig ausstechen wollen: Nicht nur bei der Umweltpolitik ringen sie um die Meinungsführerschaft.

Stuttgart - Im Wettstreit um die Meinungsführerschaft in der Regierungskoalition haben sich Grüne und Christdemokraten zuletzt weit in gegnerisches Terrain vorgewagt. Die Grünen beschlossen ein „Sicherheitskonzept für lebenswerte öffentliche Räume“ und wagten sich damit in das von Vizeministerpräsident Thomas Strobl (CDU) verwaltete Feld der Kriminalitätsprävention. Umgekehrt versuchte der Klimafachmann der CDU-Landtagsfraktion, Paul Nemeth, die Grünen in ihrer Kernkompetenz zu treffen. Umweltminister Franz Untersteller bereitet derzeit eine Novelle des Klimaschutzgesetzes vor, in der eine Verringerung des Treibhausgasausstoßes bis zum Jahr 2030 um 42 Prozent gegenüber dem Vergleichsjahr 1990 vorgesehen ist. Dieses Ziel, sagte der CDU-Abgeordnete Nemeth, „ist mir nicht ambitioniert genug“.

 

Die Bundesregierung hat sich vorgenommen, die Treibhausgasemissionen bis zum Jahr 2030 um 55 Prozent gegenüber dem Wert von 1990 zu drücken, die Europäische Union als Ganzes strebt 40 Prozent an. Im Jahr 2050 soll der Ausstoß EU-weit um 80 bis 95 Prozent gegenüber dem Jahr 1990 reduziert werden, Baden-Württemberg peilt dann 90 Prozent an. Die häufigsten Treibhausgase sind Kohlendioxid, Methan und Lachgas.

Das Zwischenziel 2020 wird verfehlt

Der neue klimapolitische Ehrgeiz der CDU überrascht die Grünen. Sie reagierten mit der Bereitschaft zu einer Reduzierung „plus x“. Dabei wird das Zwischenziel für 2020, eine Verminderung um 25 Prozent zu erreichen, absehbar verfehlt. Umweltminister Untersteller führt dies auf die defizitäre Klimaschutzpolitik der Bundesregierung zurück. Die entscheidenden Weichenstellungen seien auf Bundesebene vorzunehmen. Dennoch will er auch im Land handeln. In „Eckpunkten zur Weiterentwicklung des Klimaschutzgesetzes Baden-Württemberg“ werden Sektorenziele ausgewiesen. Dabei seien, so heißt es, „die spezifischen Strukturen des Landes“ berücksichtigt, „weshalb ein direkter Vergleich der Prozentsätze im Bund und in den Ländern nicht sachgemäß ist“. Jedoch sei das Ambitionsniveau des Klimaschutzziels im Land vergleichbar mit dem Ambitionsniveau auf Bundesebene.

Für die Privathaushalte im Südwesten ist demnach eine Absenkung der Treibhausemissionen um 57 Prozent vorgesehen. Als Prozentsätze für die anderen Sektoren sind angegeben: Gewerbe, Handel und Dienstleistungen: minus 44 Prozent; Verkehr: minus 31 Prozent; Industrie (energiebedingt): minus 62 Prozent, Industrie (prozessbedingt): minus 39 Prozent; Stromerzeugung: minus 31 Prozent; Landwirtschaft: minus 42 Prozent; Abfall: minus 88 Prozent. Die Zahlen sollen nicht im Klimaschutzgesetz selbst, sondern im Integrierten Energie- und Klimaschutzkonzept ausgewiesen werden.

CDU: Sagen, was das Land tun kann

Im CDU-geführten Wirtschaftsministerium gibt es Bedenken gegen eine allzu starre Festlegung von Sektorenzielen. Der CDU-Abgeordnete Raimund Haser sagt, seine Fraktion stehe zum Klimaschutzziel der Landesregierung. Wenn die CDU mehr Ambition beim Umweltminister verlange, dann bedeute dies nicht eine Absenkung – wie von Grünen-Fraktionschef Andreas Schwarz unterstellt – um 42 Prozent plus x. Vielmehr verlange die CDU konkrete Angaben dazu, was das Land in eigener Verantwortung tun könne. Ambitioniert handeln heiße nicht, vom Bund heruntergebrochene Ziele ins Gesetz zu schreiben. „Wir müssen im Land selbst vorankommen.“ CDU-Fraktionschef Wolfgang Reinhart kündigte an, Umweltminister Untersteller in die Fraktion einzuladen.

In Deutschland gibt es sieben Landesklimaschutzgesetze. Nach Nordrhein-Westfalen hatte Baden-Württemberg im Jahr 2013 als zweites Bundesland ein Klimaschutzgesetz verabschiedet.