Jugendliche aus Deuschland, Frankreich und Polen treffen sich für ein Theaterprojekt in Frankreich. Weil sie sich so gut verstehen, wollen sie die Aufführung in Deutschland wiederholen. Beinahe aber wäre dies gescheitert.

Ditzingen - Anne Krüger, Lehrerin und Theaterpädagogin am Gymnasium in der Glemsaue, trägt die Mitverantwortung für ein trinationales Tanz- und Theaterprojekt. Nach der Aufführung in Ditzingens Partnerstadt Rillieux-la-Pape treten die 15- bis 18-Jährigen in Ditzingen auf.

 
Frau Krüger, Flucht ist das Hauptthema des Projekts. Worin lag die Herausforderung?
Wir wollten nicht zeigen, wie Gestrandete in Europa behandelt werden. Uns ging es um die zwischenmenschliche Problematik: Abschied nehmen, in die Fremde gehen; was sind das für Katastrophen, wenn man ohne Hab und Gut irgendwo ankommt, sich in der Fremde zurecht finden muss? Wir haben menschliche Erlebnisse beleuchtet.
Umgesetzt wurden diese in Tanztheater, Schwarzlicht-, Sprech- und Maskentheater. Mit Schwarzlicht arbeitet der Stadtjugendpfleger Roger König, das Maskentheater verantworten Sie. Worin lag für Sie der Reiz?
Das allerschwierigste ist die Art des Theaterspielens. Man muss sich unter der Maske ganz anders bewegen, man braucht eine große Körperausdruckskraft, weil man ja der Mimik und der Sprache beraubt ist. Es gibt nichts, was man tun könnte, um Gefühle auszudrücken, außer der Körper- und Kopfhaltung, das Ein- und Ausatmen.
Haben denn die Nationen dieselbe Gestik, um Emotionen auszudrücken?
Ich habe keinen Unterschied gesehen. Es war eher so, dass die Franzosen anfangs eher verhalten waren. Der Lehrplan in Frankreich räumt keinen Platz ein für kreative Ausdrucksmöglichkeiten, für Theater, Kunst und Musik. Sie konzentrieren sich auf das Lernen. Bei uns ist das anders. Unsere Schüler machen von Klein auf Theater. Und Polen hat eine große Musik- und Tanztradition, die Schüler haben Volkstanz als Fach. Sie können singen und tanzen. Da mussten sich die Franzosen erst einmal reinfinden.
Sie haben das Stück im Herbst in Frankreich gezeigt. Dass sich die Jugendlichen so gut verstanden, war die Motivation dafür, weiterzumachen. Nun ist es in Ditzingen zu sehen. Doch wie kam es überhaupt dazu?
Die Idee hatte Roger König. Er hat schon viele Projekte mit Franzosen, Ungarn und Polen gemacht und war mit einem Bandprojekt schon einmal in Chabotte, einer Fortbildungsstätte von Rillieux-la-Pape, wo wir auch jetzt wieder waren. Er wollte dort immer schon mal ein weiteres Projekt machen. Aber ihm war es wichtig, eine dritte Nation einzubeziehen.
Um Fördergelder zu generieren, wählten Sie ein europapolitisches Thema. Wie setzen Sie es tanzend, sprechend und gestisch um?
Magali Julien, Lehrerin am Lycée und für das Sprechtheater verantwortlich, hat Texte herausgesucht über das Fremdsein, es geht um das Ankommen an neuen Ufern, um das Überschreiten von Grenzen. Im Tanz ist das Motiv der Kette das verbindende Element: Es geht um Verkettetsein, Ketten sprengen. Die Masken haben eine Rahmenhandlung für alle gesetzt, eine Abschieds-, eine Ankunftsszene. Daran reihen sich die anderen Themen.
Weil sich die Jugendlichen in Frankreich so gut verstanden, wollten sie weitermachen. Für Fördergelder war es da gewiss zu spät.
Ja, sie muss man spätestens zwei Jahre vorher beantragen. Noch ein Jahr zu verschieben, ging nicht, weil sonst die Schüler nicht mehr da sind, sie machen Abitur. Aber Geld ist ein Problem. Die Polen könnten sich die Fahrt hierher nicht leisten.
Wie wird sie dennoch möglich?
Die Polen bekommen die Fahrtkosten von uns. Wie finanzieren das aus den Rücklagen aus unserer Theaterkasse. Die Schulleitung steuert bei, was fehlt, und die Stadt kümmert sich unter anderem um die Unterkunft von zwei Begleitpersonen.
Gesetzt den Fall, die Truppe hätte am Ende Geld übrig. Was würde sie damit tun?
Das ist eine hübsche Vorstellung, aber davon gehen wir nicht aus. Wenn das der Fall sein sollte, dann sehen wir zu, dass wir hier alle zusammen davon zum Abschluss Pizza essen oder es in die geplünderte Theaterkasse stecken und das nächste Projekt damit auf den Weg bringen. Schließlich waren wir noch nicht in Polen, und die Kontakte sind geknüpft.