Künftig müssen auch Trinkwasseranlagen in Wohngebäuden jährlich überprüft werden. Das bedeutet mehr Aufwand für Vermieter und Behörde.

Stuttgart - Das neue Jahr hat erst begonnen, aber im Gesundheitsamt scheint das Wort des Jahres bereits festzustehen: Legionellen. „Die Kollegen kommen zurzeit zu so gut wie nichts anderem, täglich gehen Anrufe von nachfragenden Hausbesitzern ein, manchmal bis zu mehren Dutzend“, sagt Martin Priwitzer vom Gesundheitsamt. Schuld daran ist die neue Trinkwasserverordnung. Diese schreibt neuerdings bei Anlagen mit mehr als 400 Litern eine meldepflichtige jährliche Untersuchung für Trinkwasser auf Legionellen vor, um das Bakterium aufzuspüren, bevor es gesundheitliche Schäden wie die mitunter tödlich verlaufende Lungenentzündung auslösen kann. Neben öffentlichen Gebäuden, Hotels und gewerblichen Einrichtungen sind jetzt auch viele vermietete Wohnhäuser von der Pflicht betroffen. „In der Regel gilt das bereits ab einem Dreifamilienhaus mit zentraler Warmwasserversorgung“, sagt der Geschäftsführer von Haus- und Grund, Ulrich Wecker. Nur Ein- und Zweifamilienhäuser sowie Wohnhäuser, die nur von Eigennutzern bewohnt werden, seien ausgenommen, Gebäude mit Etagenheizung und Fernwärme sowieso.

 

Was Vermieter und Gesundheitsamt in Legionellen-Stress bringt, ist dem nicht unerheblichen Aufwand geschuldet, den die neue Verordnung mit sich bringt. „Die Leute müssen dem Gesundheitsamt die Anlage melden, dann müssen sie das Trinkwasser untersuchen lassen. Dazu muss aber meist zuerst die technische Voraussetzung durch einen abflammbaren Zapfhahn geschaffen werden, mit dem das Wasser dann keimfrei entnommen werden kann. Und wenn das Ergebnis des beauftragten Labors vorliegt, muss es dem Gesundheitsamt weitergeleitet werden“, so Wecker. „Es gibt schon Stirnrunzeln, ob das nicht ein Bürokratiemonster ist, aber es ist nun mal gesetzliche Pflicht.“ Deshalb nehme man den Check auch ernst und kooperiere mit einem Institut, das den Mitgliedern die Mühen abnehme. Die Kosten von 200 Euro aufwärts für den Check haben im Übrigen die Mieter zu tragen. „Die Kosten können umgelegt werden“, sagt Wecker.

Gesundheitsamt: „Wir erwarten 10 000 Anzeigen“

Beim Gesundheitsamt sind derzeit Überstunden angesagt. Denn der Mehraufwand für Beratung, Erfassung und Überwachung der jährlichen Anlagenprüfungen muss zusätzlich bewältigt werden. Der Gemeinderat hat für die neu auferlegten Pflichten gerade mal eine halbe Stelle extra bewilligt – beantragt hatte das Gesundheitsamt fünf Stellen. Wie viele Trinkwasseranlagen geprüft werden müssen, weiß niemand genau. Bei der Stadt geht man davon aus, dass von den rund 73 000 Wohngebäuden ein beträchtlicher Teil unter die Verordnung fällt, dazu kommen noch 1000 bis 2000 öffentliche Gebäude.

„Wir erwarten mehrere 10 000 Anzeigen, seit Jahresbeginn sind bereits mehr als 1000 eingegangen“, sagt Martin Priwitzer. Die Krux, die letztlich eine Kontrolle unmöglich macht und Bußgelder mehr oder weniger zur leeren Drohung werden lassen, ist der Umstand, dass es kein Register darüber gibt, welche Gebäude welche Warmwasserversorgung haben und somit überhaupt prüfpflichtig sind.

Aktuell noch keine Fälle von Grenzüberschreitung

Aktuell seien noch keine Fälle von Grenzwertüberschreitungen bekannt, sagt Martin Priwitzer. Beim Gesundheitsamt geht man davon aus, dass man, wenn mehr geprüft werde, auch mehr finden wird. Dies aber bedeute nicht automatisch auch mehr Krankheitsfälle. Deren Zahl sei in Stuttgart in den vergangenen zehn Jahren mit bis zu fünf Fällen pro Jahr konstant niedrig, ohne dass man im Einzelfall die Quelle hätte zuordnen können. Bei 150 Untersuchungen der Wasseranlagen in öffentlichen Gebäuden wie Heimen, Kindergärten und Schulen 2011 sei der Anteil mit 20 bis 30 Prozent auffälliger Befunde relativ hoch gewesen. In diesen Fällen würden Sanierungsmaßnahmen angeordnet. Auch habe es schon den Fall gegeben, dass bis zur Behebung der Mängel ein Duschverbot ausgesprochen wurde.

Ohne nennenswerte Befunde verlief dagegen der große Legionellencheck vor der Fußball-Weltmeisterschaft 2006 in den lokalen Hotels und Gaststätten. Für den Hotel- und Gaststättenverband ist die Gesetzesnovelle deshalb auch kein größeres Thema, zumal eine allgemeine Prüfpflicht bei Großanlagen schon vorher bestanden habe. „Wir raten unseren Mitgliedern, ihre Anlagen vorsorglich zweimal im Jahr auf 70 Grad hochzufahren und die Leitungen so durchzuspülen und zu desinfizieren“, sagt der Vorsitzende Markus Hofherr.