Christian Lindner hat NRW zum Votum über seine Zukunft im Bund gemacht. Das war riskant, das hätte nach hinten losgehen können. Nun ist es zu einem grandiosen Erfolg geworden. Ein „Lindnertag“, wie der baden-württembergische FDP-Chef Michael Theurer sagt.

Düsseldorf - Es ist sein Moment. Dass das Ergebnis gut werden würde, konnte Christian Lindner angesichts der jüngsten Umfragewerte schon ahnen. Aber so gut? Das beste in der Geschichte Nordrhein-Westfalens? Umso stürmischer begrüßen ihn die FDP-Anhänger, als schnell nach Schließung der Wahllokale klar geworden ist, dass die liberale Generalprobe für die Bundestagswahl mehr als geglückt ist. Lindner ruft ihnen genau das zu, was sie hören wollen: „Mit einem Comeback der FDP im Bund ist zu rechnen.“

 

Er hat alles auf eine Karte gesetzt – und gewonnen. Von Anfang an hat der FDP-Chef die NRW-Wahl als Aufgalopp zur Bundestagswahl verkauft, wo er ebenfalls als Spitzenkandidat antritt. Die Nordrhein-Westfalen wussten, dass sie Lindner loswerden, wenn er erfolgreich sein sollte, und in Düsseldorf der kaum bekannte Joachim Stamp übernehmen würde. Lindner hat sich zu dieser riskanten Strategie stets offen bekannt – wohl wissend, dass die Aufforderung an die Wähler, auch über seine Berliner Zukunft abzustimmen, angesichts der Häme, die der FDP nach dem Bundestags-Aus 2013 entgegenschlug, nach hinten hätte losgehen können – ist es aber nicht.

Lindner kann den Schröder machen

Jetzt kann Christian Lindner in den nächsten Monaten ein wenig den Gerhard Schröder machen. So wie der die Niedersachsen-Wahl im Frühjahr 1998 zur Volksbefragung über seine Eignung als Kanzlerkandidat umwidmete, darf Lindner nun, ohne rot zu werden, behaupten, dass die Bürger die Stimme seiner Partei gerne wieder im Bundestag hören würden. Schließlich hätte es den Wählern freigestanden, ihm und damit wohl der Bundes-FDP in Gänze den finalen Hieb zu versetzen.

Weil es ein „Lindnertag“ geworden ist, wie der baden-württembergische FDP-Chef Michael Theurer sagt, wird der sich nun vielleicht eher mühen müssen, die Euphorie zu dämpfen und die Mitglieder wieder zu den Werkbänken des Bundestagswahlkampfes zurückzurufen. Theurer glaubt nicht, dass das zum Problem wird: „Lindner ist ein Langstreckenläufer, der immer gründlich arbeitet.“ Der hoch Gelobte hat den freudetrunkenen Parteifreunden daher schon mal vorsorglich zugerufen: „Feiert ein bisschen, morgen geht es weiter mit der Arbeit.“

Der Erfolg ist aus mehreren Gründen bemerkenswert

Ihm geht es dabei um die „Entfesselung des Landes“. Das mag sich etwas hochtrabend anhören, aber die Mischung aus bunten Plakaten, schwarz-weißen Werbespots, harter Regierungskritik und eigener Agenda hat verfangen. Umso bemerkenswerter ist Lindners Erfolg, weil seine Forderungen im von Kohle, Stahl und Sozialdemokratie geprägten Nordrhein-Westfalen nicht eben geländegängig sind. Seit 1950 verpassten die Liberalen zweimal den Einzug in den Landtag, oft reichte es nur knapp.

Die Frage wird sein, wie die FDP mit dem Erfolg jetzt umgeht, denn der Druck, Verantwortung zu übernehmen wird steigen – Lindner hat schon am Sonntagabend davon gesprochen, dass das gute Ergebnis „nicht Belohnung, sondern Auftrag“ sei. Er gibt sich gesprächsbereit für den Fall, dass die Union auf seine Positionen eingeht. Lindner hat aber gelernt, dass seine „neue“ FDP sich, zumindest verbal, nicht automatisch als Mehrheitsbeschafferin andienen darf. Daher kündigt er forsch an, in die Opposition zu gehen, falls sich die anderen nicht auf ihn zubewegen. Mit dem künftigen NRW-Ministerpräsidenten Armin Laschet kann Lindner auf der persönlichen Ebene aber ganz gut, heißt es.

Läuft also wieder für die FDP. Damit er nicht abhebt, hat sich Lindner am Sonntagabend schon einmal selbst vorgerechnet, dass „88 Prozent uns nicht gewählt haben“.