Türken in Deutschland Reichlich späte Anerkennung
Türkische Politiker hätten sich gewünscht, dass die Reform des Einbürgerungsrechts früher gekommen wäre. Sie sei längst überfällig.
Türkische Politiker hätten sich gewünscht, dass die Reform des Einbürgerungsrechts früher gekommen wäre. Sie sei längst überfällig.
Als Oguz Ücüncü von der Reform des deutschen Einbürgerungsrechts hörte, musste er an seine Eltern denken. Mutter und Vater des aus Hamm stammenden Politikers waren in den 60er Jahren nach Nordrhein-Westfalen gezogen. Obwohl seine Eltern ein halbes Jahrhundert in der Bundesrepublik lebten, wurden sie nie deutsche Staatsbürger. Vor zehn Jahren begrub Ücüncü seinen Vater, in diesem Frühjahr starb seine Mutter. „Beide hätten die jetzt beschlossenen Anforderungen an eine Einbürgerung wohl erfüllt“, sagte Ücüncü. „Aber für die beiden und für viele andere ‚Gastarbeiter‘ kommt diese Geste zu spät.“
Wie Ücüncüs Eltern standen Millionen türkische Migranten in Deutschland in den vergangenen Jahrzehnten vor dem Problem, dass sie keine Bürger der neuen Heimat werden konnten, ohne ihre türkische Staatsbürgerschaft aufzugeben. Die türkische Regierung half den betroffenen Bürgern mit Notlösungen wie der Blauen Karte, einem Sonderausweis für Auslandstürken; sie sicherte Deutsch-Türken, die den türkischen Pass aufgegeben hatten und zur deutschen Staatsbürgerschaft gewechselt waren, wichtige Rechte in der Türkei.
Der Berliner Kabinettsbeschluss zu den neuen Einbürgerungsregeln traf in der Türkei daher auf großes Interesse. Die Zeitungen berichteten ausführlich über die neuen Vorschriften wie die grundsätzliche Hinnahme doppelter Staatsbürgerschaften, die verkürzten Wartezeiten bei der Einbürgerung oder den Verzicht auf einen deutschen Sprachtest bei älteren Migranten. Die neuen Regeln sollen Anfang kommenden Jahres in Kraft treten. Ücüncü, der seit Mai als Abgeordneter der Regierungspartei AKP von Präsident Recep Tayyip Erdogan im türkischen Parlament sitzt, hätte sich gewünscht, dass diese Reform schon früher auf die Tagesordnung gekommen wäre. So kann er sich nicht recht freuen: Es falle ihm „emotional schwer, lobende Worte für eine Reform zu finden, die das Staatsbürgerschaftsrecht endlich an globale Standards heranführt“.
Auch der aus Köln stammende Oppositionsabgeordnete Mustafa Yeneroglu findet, Deutschland habe reichlich lange mit der Reform gezögert. „Ich hätte mir gewünscht, diese Regelung wäre viel früher gekommen“, sagte der Politiker von der konservativ-liberalen Deva-Partei. Die Reform sei überfällig. Trotzdem begrüßt der Jurist Yeneroglu die Novelle, besonders die vorgesehene Vereinfachung bei der Einbürgerung von Ausländern, die schon lange in Deutschland wohnen. Besonders wichtig ist für Yeneroglu die Hinwendung zum Doppelpass. Bisher seien viele Türken mit dem Antrag auf doppelte Staatsbürgerschaft in Deutschland gescheitert. Das habe bei Türkischstämmigen „immer wieder zu Verstimmungen und Unmut geführt“. Die nun beschlossene Reform leiste „einen sehr guten Beitrag zur Integration und Partizipation“.
Ähnlich sieht das Zafer Sirakaya, ein in Herne geborener AKP-Abgeordneter. Sirakaya nennt den Gesetzentwurf der Bundesregierung „sehr erfreulich“, auch wenn er wie Ücüncü und Yeneroglu der Meinung ist, dass die Reform sehr spät kommt. „Ganz sicher“ werde es künftig mehr Einbürgerungsanträge von Türken geben, die „ihr Leben lang in Deutschland auf Erleichterungen gewartet haben“, sagte Sirakaya. Nach Inkrafttreten der Reform werde es auf die Umsetzung im Alltag ankommen.