In dem gnadenlos gut geschriebenen und klasse gespielten Ensembledrama „Eine harte Tour“ entpuppt sich ein lange gewachsener Freundeskreis als ziemlich selbstgerechter Haufen. Hässliche Dinge kommen plötzlich zur Sprache.

Stuttgart - Vermutlich hat das jeder schon mal erlebt. Nach der Trennung eines Paars stellt sich für die Freunde die Vertrauensfrage: Mit wem wollen sie weiterhin eine Beziehung pflegen? „Eine harte Tour“ nutzt diese Ausgangsbasis für einen Ausflug, der für acht Menschen zum Fest der Abrechnung wird.

 

Die eigentliche Handlung beginnt mit einer geselligen Runde: Vier Paare zwischen Mitte vierzig und Mitte fünfzig, zum Teil schon seit Jahrzehnten miteinander befreundet, planen ihre nächste Wandertour in den Bergen. Clemens (Benjamin Sadler), so etwas wie der Kopf der Gruppe, hat sich nach langer Ehe von seiner Frau Corinna getrennt und ist nun mit der deutlich jüngeren Alexa (Anna Unterberger) verheiratet.

Mit das Beste

Als Clemens überraschend stirbt, steht für die Mehrheit der Freunde fest, dass sie den Ausflug mit Corinna (Juliane Köhler) und ohne Alexa machen wollen. Als sich am Fuß der Berge überraschend auch die junge Witwe einfindet, müssen die Paare Farbe bekennen. Hässliche Dinge kommen zur Sprache.

Das Ensembledrama ist dank der personellen Konstellation, der vorzüglichen Dialoge und der herausragenden darstellerischen Leistungen von einer Qualität, die sich mit dem Besten messen kann; auf diesem Niveau bewegen sich sonst nur die mit diversen Grimme-Preisen gekrönten Duos Nocke/Krohmer („Ende der Saison“) oder Vattrodt/Geschonneck („Liebesjahre“).

Neid auf den jungen Körper

Die Autorin Dominique Lorenz hat zuletzt unter anderem das Drehbuch „Marie räumt auf“ (2016, ZDF) geschrieben, eine sehenswerte und gut gespielte Tragikomödie mit Tanja Wedhorn und Gaby Dohm über eine ungewöhnliche Frauenfreundschaft. Ein völlig anderer Film, aber ähnlich herausragend war „Wer hat Angst vorm weißen Mann?“ (2013, ARD), eine Komödie darüber, wie Freundschaft alltäglichen Rassismus überwinden kann.

Um Vorurteile geht es auch in „Eine harte Tour“, denn einige der Freunde sind überzeugt, Alexa habe den erfolgreichen Unternehmer Clemens nur wegen seines Geldes geheiratet und ihm mit ihrer Jugend den Kopf verdreht. Unbarmherzig nimmt die Autorin die dünkelhaften Akademikerinnen aufs Korn, die in der Physiotherapeutin natürlich auch eine Konkurrentin sehen, vom Saunaneid auf Alexas jungen Körper („Da hängt noch gar nichts“) ganz zu schweigen. Gerade Anna Schudt spielt ihre Rolle mit großem Mut zur Unattraktivität: Ulrike, eine Zynikerin, die Alexa verletzt, wo sie nur kann („bösartiges, verlogenes Flittchen“, faucht sie etwa), ist die mit Abstand unsympathischste Figur des Films, was ihren Mann (Thomas Loibl) fast automatisch zum Sympathieträger macht.

Der Jammerlappen als Frohnatur

Die traurigste Gestalt der Schwafelrunde ist Ronny (Roeland Wiesnekker), ein zur Selbstüberschätzung neigender Jammerlappen, der gern die Frohnatur gibt und mit Sprachdelikten aus den Achtzigern um sich wirft („Ist es denn die Possibility?“). Seine Solidarität mit Corinna hat vor allem strategische Gründe, weil er auf die Aufträge ihrer Firma angewiesen ist. Ronnys Frau Martina (Elena Uhlig) ist hier fast die Einzige, die nicht offen Partei gegen Alexa ergreift. Aber auch sie wird im Verlauf der Reise noch einige unbequeme Wahrheiten erfahren.

Bei der Grimme-Preisträgerin Isabel Kleefeld („Was ich von dir weiß“, „Aufbruch in die Freiheit“) ist das Drehbuch in besten Händen. Kennzeichnend für Kleefelds Filme ist die Fähigkeit, auch bedrückenden Stoffen heitere Momente abzugewinnen. Die Handlung von „Eine harte Tour“ ist alles andere als komisch, zumal sich die Freunde im Grunde als selbstgerechter Haufen entpuppen.

Ausrede Vollbart

Trotzdem sind einige Szenen derart überhöht, dass sie fast satirisch wirken: Corinna verschafft sich Zutritt zu ihrem früheren Heim, schnüffelt in den Schlafzimmerschubladen herum und stößt dabei zur großen Peinlichkeit ihres erwachsenen Sohns (François Goeske) auf allerlei Sexspielzeug. Sehr witzig ist auch eine Einlage Wiesnekkers, als Ronny mithilfe seines Vollbarts schlechten Empfang vortäuscht.

Die leutselige Musik (Kall Kollektiv) und die Auswahl anspruchsvoller Popsongs signalisieren ebenfalls, dass der Film keine Tragödie sein soll, zumal sich auch noch Zeit für prächtige Bergpanoramen findet (Kamera: Martin Langer, seit einigen Jahren Kleefelds bevorzugter Bildgestalter). Demgegenüber stehen allerdings Augenblicke großer Trauer; Clemens’ Tod ist ebenso berührend wie das Schlussbild, als sich Corinna in einer Bergkapelle von ihrem Ex-Mann verabschiedet.

Ausstrahlung: ARD, 26. Februar 2020, 20.15 Uhr