Uber, Bolt & Co. Plattformarbeiter in der EU sollen mehr Rechte bekommen

Millionen Menschen arbeiten in der EU für Plattformen wie Uber oder Bolt. Foto: IMAGO/NurPhoto/IMAGO/Jonathan Raa

Millionen Menschen arbeiten für Firmen wie Uber und Bolt. Die EU will diese Arbeitnehmer nun besser gegen Scheinselbstständigkeit schützen. Der Weg zum Beschluss war von heftiger Lobbyarbeit begleitet.

Korrespondenten: Knut Krohn (kkr)

Sie bringen das bestellte Essen an die Haustür, fahren in der Nacht müde Club-Besucher nach Hause oder verschlagworten am heimischen Computer Waren in Onlineshops. Millionen Menschen arbeiten für Plattformen wie Uber oder Bolt und viele leben mehr schlecht als recht von ihrem Verdienst. Seit Jahren wird gestritten, welchen arbeitsrechtlichen Status diese digitalen Tagelöhner haben sollen. Nun stimmt das Europaparlament am Mittwoch darüber ab, dass die Mitarbeiter mehr Rechte bekommen und besser gegen Scheinselbstständigkeit geschützt werden sollen. Eine Mehrheit gilt als sicher. Die Ratifizierung durch den Rat gilt als Formalie. Die Mitgliedstaaten haben dann zwei Jahre Zeit, um den Rechtsakt in ihre nationalen Systeme zu übertragen.

 

Einigung nach jahrelangem Streit

Dieser Einigung war allerdings ein jahrelanger Streit vorausgegangen. Im Laufe der Verhandlungen beklagte der CDU-Europaparlamentarier Dennis Radtke immer wieder die zahlreichen Versuche von Lobbygruppen, Einfluss auf die Gestaltung der geplanten Richtlinie zu nehmen. Da seien „teilweise gezielt Lügen und Halbwahrheiten gestreut“ worden. So musste der CDU-Sozialpolitiker immer wieder versichern, dass etwa selbstständige Handelsvertreter oder hoch qualifizierte Solo-Selbstständige wie Ingenieure von der Regelung nicht betroffen seien und auch in Zukunft nicht in ein Angestelltenverhältnis gezwungen würden.

Grund für die überaus heftigen Lobbyaktivitäten ist die Tatsache, dass die digitale Plattformwirtschaft in einem geradezu atemberaubenden Tempo wächst. Bereits heute sind nach Angaben der EU-Kommission fast 30 Millionen Menschen in Europa in diesem Arbeitsmarkt beschäftigt. Im Jahr 2025 wird mit 43 Millionen Beschäftigten gerechnet. Die überwiegende Mehrheit dieser Menschen ist tatsächlich selbstständig. Allerdings wird davon ausgegangen, dass 5,5 Millionen fälschlicherweise als Selbstständige eingestuft werden. Dabei geht es um sehr viel Geld. Zwischen 2016 und 2020 verfünffachten sich die Einnahmen in der Plattformwirtschaft annähernd, von schätzungsweise 3 Milliarden auf rund 14 Milliarden Euro.

Die Einigung drohte im Rat zu scheitern

Doch nicht nur im Parlament wurde über die Plattformarbeit heftig gestritten. Die Einigung drohte am Ende im Rat, der Vertretung der 27-EU-Mitgliedstaaten, zu scheitern. Bereits im Februar hatten sich Unterhändler der Europäischen Kommission, des Parlaments und des Rates noch auf eine abgeschwächte Version der Richtlinie geeinigt. Die ursprüngliche Idee, diese Menschen nach fünf einfachen Kriterien gegebenenfalls automatisch als Arbeitnehmer zu behandeln, wurde in der Kompromissfindung zwischen den EU-Ländern zerrieben. Nun werden die Mitgliedstaaten lediglich verpflichtet, in ihren nationalen Systemen eine Beschäftigungsvermutung zu schaffen, sodass es für die Arbeitnehmer einfacher wird, für eine Neueinstufung in Betracht gezogen zu werden als beim derzeitigen Rechtsstand.

Doch selbst diese Version wurde Anfang März dann unter Führung von Frankreich und Deutschland überraschend blockiert. Unter der geschickten Vermittlung der belgischen Ratspräsidentschaft wechselten dann aber Griechenland und Estland ins Lager der Befürworter, womit die Mehrheit für die Annahme der Richtlinie gefunden war. Frankreich und Deutschland waren isoliert.

Trotz aller Abstriche ist Dennis Radtke zufrieden mit dem Ergebnis. „Mit der Abstimmung nehmen wir die letzte Hürde, um Scheinselbstständigkeit und Ausbeutung von Beschäftigten den Kampf anzusagen“, erklärt der CDU-Sozialpolitiker. „Jeder Taxifahrer in Deutschland“ könne aufatmen, denn zu oft sei jener der Dumme gewesen, der sich an die Regeln hält.

Lieferando begrüßt die geplante Neuregelung

Der Lieferdienst Lieferando hat sich immer für eine Einigung auf EU-Ebene ausgesprochen. Lieferando stelle seine Kuriere bereits direkt an, teilte das Unternehmen mit. Die Firma sieht die neuen Regeln als Angleichung der Wettbewerbsbedingungen. „Sowohl das bestehende nationale Recht als auch die neue EU-weite Verordnung müssen durchgesetzt werden“, betont das Unternehmen auf seiner Internetseite. Es gelte zu verhindern, dass Unternehmen mit Scheinselbstständigkeitsmodellen auf Kosten von Kurieren profitieren, die unter immer prekäreren Bedingungen arbeiten.

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