Eva Erben, 93-jährige Überlebende des Vernichtungslagers Auschwitz, blickt bei einer Veranstaltung in Fellbach zurück auf ihr Leben. Insgesamt 2400 Schülerinnen und Schüler aus der ganzen Region Stuttgart sind in die Schwabenlandhalle gekommen.

Das erlebt man auch nicht oft: Fast 1200 Schülerinnen und Schüler im Alter von 15 bis 19 Jahren erheben sich, um stehend einer 93-Jährigen Beifall zu spenden. Anlass für dieses eindrucksvolle Schauspiel war allerdings auch ein nicht minder eindrucksvoller Vormittag: Auf Einladung des Deutschen Zweigs der Internationalen Christlichen Botschaft Jerusalems (ICEJ) und des Distrikts Stuttgart der Schools opposing Racism and Antisemitism (Scora) sprach die hochbetagte Holocaust-Überlebende Eva Erben aus Israel in der Schwabenlandhalle Fellbach. Weil der Andrang so groß war – Schulen aus dem gesamten Großraum Stuttgart hatten Interesse gezeigt – gab es am früheren und späteren Dienstagvormittag gleich zwei Vorträge von Eva Erben vor insgesamt rund 2400 jungen Menschen.

 

Geboren am 24. Oktober 1930

Dass Erben in Fellbach ist, sei „mehr als ein Wunder“, sagte ICEJ-Vorsitzender Gottfried Bühler angesichts der Tatsache, dass die am 24. Oktober 1930 in Tetschen in der Tschechoslowakei als Kind jüdischer Eltern geborene und in Prag aufgewachsene Eva Löwidtova nur haarscharf der Ermordung durch die Nazis entgangen ist. In eindrucksvollen Worten schilderte die immer noch rüstig wirkende Seniorin auf Deutsch, was sie damals alles erleben musste.

„Wir dachten, dies ist doch das Land von Goethe und Schiller“, erinnerte sie sich an die Anfänge. „Wir haben das alles stoisch hingenommen und waren optimistisch: Das wird nicht lange dauern.“ Doch der Terror wurde immer schlimmer. Auf die Mäntel musste der Judenstern aufgenäht werden, sie durfte nicht mehr in ihre Schule gehen, musste ihren Kanarienvogel abgeben. 1941 wurde ihre Familie nach Theresienstadt deportiert. Das Ghetto war „das Wartezimmer auf den Tod, aber das wussten wir damals noch nicht“. Dort war die Familie knapp vier Jahre. „1944 habe ich meinen Vater zuletzt gesehen“, er wurde zum Aufbau des neuen Lagers Auschwitz geschickt.

„Es hat gerochen, als wenn Fleisch verbrannt wird“

Eva und ihre Mutter wurden mit dem Zug in das Vernichtungslager transportiert. Ihre ersten Eindrücke bei der Ankunft dort: „Es hat gerochen, als wenn Fleisch verbrannt wird.“ Und „viele Hunde haben gebellt“. Ganz ähnlich bei den Wächtern, „nur Befehle wie raus oder schnell-schnell waren zu hören“. Stundenlang musste man draußen stehen, „sechs Stunden, ohne sich zu regen“. Wer abgemagert oder schwach war und nicht mehr arbeiten konnte, „wurde ins Gas geschickt“.

Im Januar 1945 folgte der Befehl „zum Todesmarsch über 750 Kilometer“. Evas Mutter Marta starb, doch trauern war gar nicht möglich, denn es ging weiter. Eine Scheune war das nächste Nachtlager. „Im Stall stand eine Kuh, ich kroch ins dreckige und stinkende Heu, schlief ein – und als ich aufwachte, war ich allein.“ Die SS-Männer hatten sie am Morgen offenkundig im Kuhmist übersehen. Auf dieses Ereignis bezieht sich auch der Titel des Buches: „Mich hat man vergessen.“

Dass sie einige Jahre später im neu gegründeten Staat Israel landete, hatte mit einer Begegnung in Theresienstadt zu tun – dort hatte sie den neun Jahre älteren Peter Erben kennengelernt und ihn 1948 in Prag in einem Tanzlokal am Moldauufer wiedergetroffen. Er wurde zur Liebe ihres Lebens, das Paar zog nach Israel, sie wurde Krankenschwester und bekam drei Kinder „und vielen Enkel und Urenkel“, die alle auf einem Foto auf der Leinwand zu sehen waren.

Heftige Kritik an Greta Thunberg

Damit hatte Eva Erbens Besuch in Fellbach natürlich eine brandaktuelle Komponente, den terroristischen Überfall durch die Hamas. Passend dazu hatte Claudia Rugart vom Regierungspräsidium in ihren einleitenden Worten die notwendige Botschaft formuliert: „Nie wieder ist jetzt.“ Es dürfe nicht sein, dass „auch bei uns Jüdinnen und Juden wieder gefährdet sind“ – auch die Schwabenlandhalle wurde vorsorglich von der Polizei bewacht. Auf das terroristische Massaker mit unzähligen Raketenangriffen auf Israel ging Eva Erben gleich zu Beginn des Vormittags ein. „Warum lebt dieser unglaubliche Antisemitismus, warum werden die Juden so gehasst – die der Menschheit doch so viel geschenkt haben?“ Sie erwähnte die erschossenen Babys und vergewaltigten Frauen und kritisierte heftig speziell die schwedische Klimaaktivistin Greta Thunberg für ihre propalästinensischen Auftritte.

Zum Abschluss durften acht Schülerinnen und Schüler des Remstal-Gymnasiums Weinstadt und des Johannes-Kepler-Gymnasiums Leonberg auf die Bühne und Fragen stellen. Gebe es denn nach der Ermordung der Juden durch die Nazis ein Vergeben?, wollte eine Schülerin wissen. Eva Erben: „Nein, kein Vergeben. Begraben und Vergessen!“ Habe sie Angst?, fragte ein Schüler. „Ich habe keine Angst, Angst macht ohnmächtig, damit kommt man nicht weit. Ich habe Wut!“ Und ihr Menschenbild? „Ich denke, im Grunde ist der Mensch gut, niemand kommt auf die Welt als Mörder oder Bestie.“ Hat ein Ereignis sie geprägt? „Ja, die Liebe“, sagte Eva Erben. „Diese ist eine gute Medizin. Ich wünsche euch viel Liebe im Leben.“