Der Jurist Karl Heinrich Ulrichs war im 19. Jahrhundert ein Vorkämpfer für die Schwulenbewegung. Jetzt wird er dafür mit einer Stele auf dem nach ihm benannten Platz an der Kreuzung Filder – und Lehenstraße geehrt.

Lokales: Sybille Neth (sne)

S-Süd - Der kleine Platz an der Kreuzung von Filder- und Lehenstraße ist noch jung: vor genau drei Jahren erhielt er den Namen: Karl-Heinrich-Ulrichs-Platz. Am Mittwoch, 11. Juli, kommt der Namensgeber, der Jurist, Karl Heinrich Ulrichs (1825-1895), erneut zu Ehren, denn dann wird eine Stele zu seinem Gedenken auf dem Platz installiert.

 

Ulrichs ist den wenigsten Stuttgartern ein Begriff, und im Bezirksbeirat fragten sich kürzlich die Räte „wer war er und was hat er mit dem Süden zu tun?“ Karl-Heinrich Ulrichs war homosexuell und bekannte sich öffentlich dazu. Er wurde zum Vorkämpfer der Schwulenbewegung. Ein Outing kam damals einem gesellschaftlichen Selbstmord gleich. So wurde er mit gerade mal 29 Jahren aus dem Staatsdienst entlassen und ein Ermittlungsverfahren gegen ihn wurde eingeleitet. Vorgeworfen wurde ihm, er treibe „widernatürliche Wollust mit anderen Männern“. Ulrichs arbeitete zunächst weiter als Anwalt bis er 1859 Berufsverbot erhielt.

Ikone der Schwulenbewegung

Anschließend versuchte er sich auf verschiedenen Gebieten: er schlug sich als Journalist, Privatsekretär und als Lehrer für Fremdsprachen durch. Durch eine Reihe von Abhandlungen über die Homosexualität wurde er schließlich zur Ikone der heutigen Schwulenbewegung. 1864 veröffentlichte er die erste von insgesamt zwölf Schriften unter dem Titel „Forschungen über das Rätsel der mannmännlichen Liebe“, die in einigen deutschen Staaten verboten wurden. Darin stellt Ulrichs die Hypothese von der weiblichen Seele im männlichen Körper auf. Die gleichgeschlechtliche Liebe bezeichnete er als Uranismus. Revolutionär für das 19. Jahrhundert war seine These, dass Homosexualität nicht krankhaft sei. Ebenso sprengte seine Forderung, dass homosexuelle Handlungen straffrei bleiben sollten die Denkweise in seiner Zeit. Diese Forderung trug er 1867 erstmals öffentlich vor 500 Besuchern auf dem deutschen Juristentag in München vor und verursachte damit tumultartige Szenen. Ulrichs, wird kolportiert, soll darüber hocherfreut gewesen sein.

Ein Zeichen der Toleranz

In Stuttgart lebte der rastlose Ulrichs nur acht Jahre lang – und zwar nie im Bezirk Süd, sondern in der Kienestraße und in der Silberburgstraße. Im Arbeitskreis LSBTTTTQ, in dem die lesbisch-schwul- bisexuell-transsexuell-transgender-intersexuell und queeren Gruppierungen vertreten sind und der von der städtischen Abteilung für individuelle Chancengleichheit von Frauen und Männern betreut wird, entstand die Idee, Ulrichs für seine Verdienste um die Schwulenbewegung mit der Benennung eines Platzes zu ehren.

Belebung des Platzes

Zur Einweihung der Stele setzen im Rahmenprogramm Schüler vom Internationalen Bund (IB), Texte von Ulrichs in Szene. Der Bezirksbeirat hat das Projekt nach zähen Verhandlungen mit einem finanziellen Zuschuss ermöglicht. Außerdem sprechen bei dem kleinen Festakt der Kultur-und Verwaltungsbürgermeister Fabian Mayer und Christoph Michl, der Geschäftsführer des Vereins Christopher Street Day Stuttgart (CSD).

Der Verein hat die Patenschaft für die Stele übernommen und will in einem Beteiligungsprozess mit den Bürgern ein Konzept für die Belebung des Platzes ausarbeiten.