Armin Dellnitz, der Tourismus-Geschäftsführer für Stuttgart und die Region, kann wieder lächeln: Die schwierige Zeit nach den Steuernachforderungen des Finanzamts ist überstanden. Wie es weitergeht, ist offen.

Stuttgart - Nicht nur die Wirtschaftsfördergesellschaft der Region (WRS) ist von den Umsatzsteuerforderungen der Finanzverwaltung betroffen (siehe: Entscheidende Frage: Leistungsausgleich – ja oder nein). Auch die Regio Stuttgart Marketing- und Tourismus GmbH und die Bioregio Stern Management GmbH sehen sich mit hohen Steuerzahlungen konfrontiert. Beide Gesellschaften haben mittlerweile Nachforderungen in Höhe von einigen hunderttausend Euro beglichen. Über das weitere Verfahren ist aber noch nicht abschließend entschieden.

 

Bei der WRS hat der Verband Region Stuttgart wie berichtet die Zuschusspraxis und den Gesellschaftsvertrag verändert mit dem Ergebnis, dass nun pro Jahr statt wie bisher 1,14 Millionen Euro noch rund 400 000 Euro Umsatzsteuer fällig werden. Der Kniff: Der Zuschuss der Region an die WRS in Höhe von mehr als vier Millionen Euro im Jahr wird in eine steuerfreie institutionelle Förderung und eine Defizitfinanzierung für Projekte aufgeteilt. Für letztere werden die 19 Prozent Umsatzsteuer fällig. Das Finanzamt hat diese Konstruktion mittlerweile akzeptiert – „nach anfänglicher Skepsis“, wie in einer Sitzungsvorlage vermerkt ist, was manchen Regionalrat zu der Vermutung veranlasst, dass eine Einigung auch politisch gewollt war.

Andere Gesellschaften suchen noch nach Auswegen

Anders sieht die Situation bei zwei weiteren regionalen Gesellschaften aus, die ebenfalls Zuschüsse von Kommunen und Regionen erhalten: Sowohl die Regio Tourismus als auch die Bioregio Stern suchen noch nach Auswegen aus dem Steuerdilemma. Die Regio Tourismus musste für die Jahre 2010 bis 2012 Umsatzsteuer in Höhe von 875 000 Euro nachzahlen und erhielt für 2013 einen Bescheid über 311 000 Euro. Diese Forderungen haben die drei Gesellschafter der Regio Tourismus, nämlich die städtische Stuttgart Marketing GmbH und damit die Landeshauptstadt Stuttgart, der Verband Region Stuttgart und der Regio Stuttgart Marketing und Tourismus-Verein, in dem sich die Kommunen außerhalb Stuttgarts zusammengeschlossen haben, ausgeglichen. Mittlerweile bezahlen die drei Gesellschafter ihren Zuschuss in Höhe von jeweils 575 000 Euro zuzüglich Umsatzsteuer, also 684 000 Euro, so dass die Regio Tourismus mit einem Jahreszuschuss von 1,725 Millionen Euro unterm Strich gleich viel Geld wie bisher für ihre Arbeit zur Verfügung hat.

„Wir können weitermachen wie bisher“, sagt Armin Dellnitz, Geschäftsführer der Tourismus-Gesellschaft. Dass mehr als 40 Kommunen in der Region die erhöhten Zuschüsse in ihren jeweiligen Gremien beschlossen, sei „einerseits eine Herkulesaufgabe“ gewesen, „und andererseits ist es eine Riesengeschenk für uns“.

Einspruch gegen die Steuerbescheide eingelegt

Damit wollen es Dellnitz und die Aufsichtsräte aber nicht bewenden lassen. Die Regio Tourismus hat Einspruch gegen die Steuerbescheide eingelegt und wartet nun auf eine Äußerung des Finanzamts. „Grundsätzlich ist für uns die Argumentation, dass ein umsatzsteuerpflichtiger Leistungsaustausch besteht, nicht nachvollziehbar“, sagt Dellnitz. Man werde im Lichte der detaillierten Begründung des Finanzamts, über das weitere Vorgehen beraten – und auch das Beispiel Wirtschaftsförderung berücksichtigen. „Natürlich könnte man sich eine vergleichbare Lösung vorstellen“, sagt Dellnitz. „Aber der Vergleich hinkt eben auch.“ Die Sache sei jedenfalls „noch nicht vom Tisch“.

Die schwierige Situation bei Bio Regio Stern GmbH

Weitaus schwerwiegender waren die Folgen für die Bioregio Stern GmbH, die Wirtschaftsförderung im Bereich der Biotechnologie erbringt und an der die regionale Wirtschaftsfördergesellschaft WRS, die Städte Stuttgart, Tübingen, Esslingen und Reutlingen sowie der Regionalverband Neckar-Alb beteiligt sind. Laut einer Gemeinderatsvorlage der Stadt Stuttgart entwickelte sich die finanzielle Lage dramatisch. So stieg der Jahresfehlbetrag 2013 wegen Steuerrückstellungen in Höhe von 408 000 Euro auf mehr als eine Million Euro, wodurch ein das Eigenkapital übersteigendes Minus entstand – was zur Insolvenz hätte führen können. Die Überschuldung sei abgewendet worden, in dem die Gesellschafter Darlehen gewährten oder Schuldenübernahme garantierten.

Der finanzielle Aufwand für eine Klage ist hoch

Mittlerweile liegen die Steuerbescheide für 2010 bis 2013 über 383 000 Euro vor, die von den Gesellschaftern bezahlt wurden. Auch für 2014 wurden von den Gesellschaftern die Umsatzsteuer von 142 000 Euro übernommen. In diesem Jahr trägt die GmbH die Abgabe selbst, sagt Bioregio-Geschäftsführer Klaus Eichenberg. Er habe dies dem Aufsichtsrat angeboten, nachdem die Gesellschafter „sehr großzügig“ gewesen seien. Weil Projekte auslaufen, „können wir das stemmen, auch wenn wir uns bei unseren Aufgaben stark fokussieren müssen“. Die Bioregio hatte gegen die Bescheide ebenfalls Einspruch eingelegt, diesen aber mittlerweile zurückgezogen – nicht zuletzt weil der finanzielle Aufwand für einen Klage relativ hoch gewesen wäre.

Auch Eichenberg verfolgte mit Interesse die Lösung bei der WRS. „Wir könnten uns ein ähnliches Modell vorstellen“, sagt er. Wie es aussehen könne, sei noch offen, so Eichenberg: „Zwar sind wir mit der WRS, die auch Wirtschaftsförderung betreibt, vergleichbar, aber wir sind nicht gleich.“