Auf kommunalen Flächen will Heimsheim keine Insektenvernichtungsmittel mehr. Pächtern städtischer Böden flattern Kündigungen ins Haus, wenn sie weiter konventionell bewirtschaften.

Der Auftakt zur jüngsten Gemeinderatssitzung in Heimsheim war anders als sonst: Zum einen traf sich das Gremium zum ersten Mal seit Längerem wieder in Präsenz im Schlosssaal, zum anderen rief der Bürgermeister Jürgen Troll zu einer Schweigeminute im Gedenken an die vom Krieg betroffenen Menschen in der Ukraine auf. Danach aber ging es kontrovers weiter, besonders beim Thema pestizidfreie Stadt Heimsheim. Zu diesem Tagesordnungspunkt waren auch einige Landwirte als Zuhörer gekommen.

 

Dramatischer Rückgang bei Insektenbeständen

2018 hatte der Gemeinderat beschlossen, auf kommunalen Flächen auf chemisch-synthetische Pestizide zu verzichten. Martin Häcker, Stadtrat der Bürger für Heimsheim (BfH) und Vorsitzender der BUND Ortsgruppe Heckengäu, begründete dies vor allem mit dem „dramatischen Artenschwund“. Auf ein Pestizid-Verbot auf kommunalen, landwirtschaftlich genutzten Flächen konnte sich der Gemeinderat damals nicht einigen.

Nun haben die Fraktionen von BfH, SPD und Frauen für Heimsheim (FfH) einen entsprechenden Antrag gestellt. Die Insektenbestände allein in Deutschland seien in den letzten 30 Jahren um 80 Prozent zurückgegangen. Als Grund dafür wurde „vor allem die intensive konventionelle Landwirtschaft“ angeführt.

6,2 von 611 Hektar Fläche sind betroffen

Seit dem Beschluss von 2018 wird auf den innerörtlichen städtischen Grünflächen auf Pflanzenschutzmittel verzichtet. Nun solle man einen Schritt weitergehen, so Martin Häcker, und dies auf allen kommunalen Flächen anstreben. Deswegen sollten die 6,2 Hektar städtischer Flächen, die derzeit an Landwirte verpachtet und konventionell bewirtschaftet werden, fristgerecht gekündigt werden und nur noch neu vergeben werden, wenn dort keine Pflanzenschutzmittel mehr eingesetzt werden.

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Auch sollen die Landwirte auf diesen Flächen keine Gülle mehr ausbringen dürfen, sondern nur noch Festmist. Wenn dies nicht möglich ist, sollen auf den Flächen Blühdauerbrachen entstehen. Laut Zahlen des Statistischen Landesamtes von 2020 gibt es auf der Gemarkung von Heimsheim insgesamt 611 Hektar landwirtschaftlich genutzte Fläche, davon 277 Hektar Ackerland und 333 Dauergrünland.

Pestizidfrei versus Lebensmittelsicherheit?

Gemeinderat Ralf Rüth (CDU) kritisierte, dass es nicht wie besprochen einen Runden Tisch mit den Landwirten gegeben habe. „Wir waren uns einig, dass wir den Landwirten nichts überstülpen wollen“, sagte er. Mit einem Gülleverbot greife man in die landwirtschaftliche Betriebsstruktur ein. Für sein Nein bei der Abstimmung führte er auch den Krieg in der Ukraine an, wo nichts geerntet werden könne. „Wer diesem Antrag zustimmt, stimmt dafür, dass auf Heimsheimer Flächen keine Lebensmittel produziert werden“, meinte er.

Hier konterte Martin Häcker, dass er als einziger dagegen war, dass für das künftige Gewerbegebiet Egelsee II sieben Hektar gute Böden bebaut werden sollen. „Wir haben einen dramatischen Artenschwund. Wir als Kommune müssen auf unseren Flächen etwas machen“, insistierte er und fügte hinzu, dass es auch nicht um große Flächen gehe.

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Auch Rüths Fraktionskollege Dennis Waldherr forderte angesichts des emotionalen Themas, mit den Betroffenen zu sprechen. Es müssten ebenfalls Fragen geklärt werden, wie man die heimischen Landwirte auf dem Weg zu pestizidfreier Landwirtschaft unterstützen könne. Walter Müller (Freie Wählervereinigung) schlug vor, den Beschluss zu verschieben und die offenen Punkte zu klären. „Vor vier Wochen wäre meine Entscheidung vielleicht anders ausgefallen“, sagte er mit Blick auf eine kriegsbedingt eventuell drohende Nahrungsmittelknappheit.

Maßnahme bringt 250 000 Punkte fürs Ökokonto

Ein Runder Tisch mache bei derart unterschiedlichen Interessen keinen Sinn, entgegnete Bürgermeister Jürgen Troll. Es gehe um eine grundsätzliche Entscheidung, bei der das Allgemeinwohl über den Einzelinteressen stehe. „Wir haben uns den Biotopverbund auf die Fahnen geschrieben“, erinnerte er und auch daran, dass man beschlossen habe, alle Ideen zu prüfen, die Ökopunkte auf das städtische Konto zu bringen. Bei einem Verzicht von Pestiziden auf ihren Flächen könnte die Stadt etwa 247 000 Ökopunkte kassieren und dies, ohne große Investitionen tätigen zu müssen.

Schließlich scheiterte ein Antrag von Ralf Rüth, zunächst einen Runden Tisch mit Gemeinderat und Landwirten abzuhalten. Der gemeinsame Antrag von BfH, SPD und FfH zur fristgerechten Kündigung bestehender Pachtverträge der landwirtschaftlich genutzten städtischen Grundstücke mit dem Ziel, dass künftig auf diesen keine Pflanzenschutzmittel und keine Gülle mehr ausgebracht werden dürfen, wurde bei namentlicher Abstimmung mit sieben Ja-, sechs-Nein-Stimmen und einer Enthaltung knapp angenommen.