„Der geht ja als QR-Code“, staunt ein Faschings-Fan vor der Johanneskirche. Dort steht das närrische Volk, viele in Verkleidung, in Reihen auf dem Gehweg und genauso gedrängt auf den Stufen mit bester Aussicht vor der Kirche. Der Narren-Umzug ist das Event der Kornwestheimer Fasnet.
Besonders beim Start des Zugs am Marktplatz hatte sich der erste Schwung gut gelaunter Zuschauer bereits eine halbe Stunde vorher Plätze in der ersten Reihe gesichert. Wer lange im Schleichverkehr auf der Parkplatzsuche im benachbarten Wohngebiet unterwegs gewesen war, musste mit einem Platz in einer hinteren Reihe vorliebnehmen. Glück hatten die Kinder mit einem großen Papa, der sie auf die Schultern nehmen konnte. Doch auch kleine Leute mit zierlicher Mama an der Seite wurden von den Großen freundschaftlich nach vorne gelassen.
Wummernde Beats
Das Computer-Thema bei der Verkleidung hatten kleinere Besuchergruppen aufgegriffen und strahlten mit ihren großen Smileys vorn auf dem Kostüm um die Wette.
Lange vor dem Beginn des Zugs hatten sich viele Hexen-Gruppen auf dem Marktplatz zusammengefunden. Insgesamt ist aus dem Karnevalsumzug mit vielen Themenwagen, wie ihn viele ältere Kornwestheimer noch aus Kinder- und Jugendzeit kennen, fast ein schwäbisch-alemannisches Hexen-Event geworden, das offenbar immer mehr Besucher aus nah und fern unwiderstehlich anzieht. Zu den mächtig wummernden Beats von Party-Hits tanzten viele, meist noch ohne gruselige Masken, machten sich für den Umzug warm oder hielten die Kälte fern.
Neben den Kornwestheimer Formationen hatten sich die Organisatoren Hexen-Freundinnen und Freunde aus ganz Württemberg und teilweise auch Baden eingeladen. Aus dem gesamten Stuttgarter Umland waren Gruppen angereist. Von weiter her kamen die Gäu-Hexa aus Gäufelden mit ihren tierischen Maskottchen am Leiterwagen, die urtümlich-felligen Haslacher Moschd-Hexa aus Holzgerlingen (beide Kreis Böblingen) oder die Pforzheimer Mond-Hexen.
Alle hatten jedoch auch ihren Nachwuchs im Häs mitgebracht. So konnte später ein Mann im Publikum seinen ängstlichen Sohn beruhigen: „Das sind noch kleine Hexen, die tun dir nichts.“ Die Riedwald-Wölfe aus der Nähe von Reutlingen hatten besonders gefährlich aussehende Masken.
Nur gut, dass der junge Mann im schwarzen Lamm-Kostüm auf der anderen Seite bei den Zuschauern stand. Überhaupt schien in diesem Jahr der Trend kostümtechnisch bei den Erwachsenen im Publikum eindeutig zum Ganzkörperanzug mit Tiermotiv zu gehen. Tiere, die man sonst nur im Zoo zu sehen bekommt, standen auf einmal auf zwei Beinen: Tiger, Löwen, Bären und Eisbären. Aus heimischer Tierwelt wurden Füchse, Esel, Hühner und Gänse in trauter Eintracht mit Einhorn-Fabelwesen gesichtet. Dazu passend gab es die jeweiligen Tierkinder und nur vereinzelt Prinzessinnen oder Einhörner. Ein Mädchen hatte sich als riesige Heinz-Ketchup-Flasche verkleidet vor dem Haus der Familie in der Stotzstraße postiert. Entlang der Strecke hatte in der Beethovenstraße eine Familie kurzerhand ihre Rattan-Sessel als Ausruhmöglichkeit für Zuschauer nach draußen vor die Garage gestellt.
Rathaussturm am Samstag
Am närrischen Brennpunkt Ecke Johannes-/Stuttgarter Straße sorgte eine junge Frau mit Konfetti („selbst gemacht aus Papier“) für Farbeffekte. Verpflegungstechnisch am besten getroffen hatten es sicher diejenigen, die aus dem Landlord-Pub an der Ecke Stotz-/Johannesstraße fröhlich den Narren im Zug zuwinkten.
Schon am Vortag hatten sich Hunderte von Hexen und allerlei närrischem Volk zum Rathaussturm versammelt. Und am Sonntag waren die Krähen-Hexen, Garbenstrickle und Früchtle und Kornweible und die anderen Kornwestheimer Hexen gleich wieder beim großen Umzug mit von der Partie. Den hätten sie ganz schnell hinter sich bringen können, wären sie dem Vorschlag des Oberbürgermeisters Nico Lauxmann gefolgt und auf ihren Besen geritten. Das war nämlich seine Antwort auf die Beschwerde im Streitgespräch mit dem Narren gewesen, es gebe zu viele Baustellen. Genauso schlagfertig hatte er dabei Klagen über mangelnde Sportmöglichkeiten und Jugendtreffs gekontert, bevor er zu guter Letzt doch den Narren die Rathausschlüssel überlassen musste.
Mit seinem Kostüm hat der Verwaltungschef einen Treffer gelandet. Lauxmann schlüpfte in die Rolle des Lurchi. Warm sei das Kostüm, sagte Lauxmann nach dem Rathaussturm mit einem Schmunzeln. Und es sitze etwas stramm. Doch mit Blick auf die aktuelle Planung für das Kornwestheimer Wahrzeichen, das am Stadtsee bald mannshoch grüßen soll, hat es kaum ein passenderes Kostüm geben können für den Rathauschef.