Mikroben in Tiermägen und Folgen fürs Klima: Mit ihrem neuen Forschungsschwerpunkt Bioökonomie will die Uni international punkten. Kühe mit Schraubverschluss gehören dabei zur Zukunftsstrategie der Uni.

Stuttgart - Was haben Kühe mit Schraubverschluss mit der strategischen Zukunftsausrichtung der Uni Hohenheim zu tun? Viel. Denn die Erforschung der Mikroben im Pansen der Großtiere bildet einen der Schwerpunkte unter dem neuen Kernthema Bioökonomie. Der Grund für diese Fokussierung liegt für die Uni Hohenheim auf der Hand. In der Bioökonomie sieht sie ihre Chance, ihre Kompetenzen zu bündeln, auszubauen und somit national und international sichtbarer zu machen. Der Vorschlag stammt aus dem Rektorat und findet sich auch in dem Struktur- und Entwicklungsplan der Uni wieder. Dieser wird von allen Fakultäten mitgetragen und wurde jetzt genehmigt.

 

„Bioökonomie ist ein Megathema, das lange tragen wird“, sagt der Unirektor Stephan Dabbert. Denn es betreffe keineswegs nur die Landwirtschaft, sondern auch die Klimaforschung und die Welternährung. „Derzeit haben wir eine erdöl- und rohstoffbasierte Wirtschaft – langfristig müsste eine biobasierte Wirtschaft das Ziel sein.“ Es gehe, so der Rektor, um eine energetische, aber auch stoffliche Nutzung biobasierter Rohstoffe. „Dafür benötigt die Wirtschaft gut ausgebildete Fachleute.“

Die Uni will sich ihrem selbst gesteckten Ziel auf mehreren Ebenen nähern. Im Vordergrund stehe, die Forschungsleistung zu stärken, insbesondere auch die Verbundforschung. „Und wir stellen auch die Mittel bereit.“ Je eine Million Euro sei für die Umsetzung des Struktur- und Entwicklungsplans für dieses und nächstes Jahr bereits fest budgetiert, so Dabbert.

Der Rektor strebt einen Sonderforschungsbereich an

Er hoffe natürlich auch, dass die Uni mit hochrangigen Forschungsprojekten punkten und somit Drittmittel akquirieren könne. Die Unileitung, so kündigte der Rektor an, werde sich diesbezüglich „unterstützend und gestaltend einbringen“. Denn bei der bundesweiten Exzellenzinitiative war Hohenheim leer ausgegangen, und der letzte Sonderforschungsbereich (SFB) sei bereits ausgelaufen. Das Potenzial für einen neuen SFB sieht Dabbert in der Bioökonomie – „aber der Wettbewerb ist hierbei extrem hart“. Dabbert nennt als Messlatte: „Wenn wir den (SFB) am Ende meiner Amtsperiode nach viereinhalb Jahren haben, dann bin ich zufrieden.“

Schon jetzt besetze man Professuren in den genannten Schwerpunkten und habe auch schon eine Stiftungsprofessur dazu eingeworben. Weitere Unterstützung erhofft sich Dabbert durch das EU-Programm „Horizont 2020“ sowie durch das baden-württembergische Wissenschaftsministerium, das die Bioökonomieforschung mit zwölf Millionen Euro fördern will. „Hohenheim wird sich da in besonderer Weise positionieren“ – nicht allein, sondern auch gemeinsam mit anderen Einrichtungen im Land, kündigte Dabbert an. In Berlin mache die Uni ihren Einfluss auch über Regina Birner geltend: Die Hohenheimer Professorin gestalte als Mitglied im Bioökonomierat des Bundesforschungsministeriums die Politikagenda ein Stück weit mit.

Naturwissenschaftliche und ökonomische Sichtweisen verbinden

Doch auch in der Lehre soll sich der neue Schwerpunkt niederschlagen: „Wir wollen nächstes Jahr mit einem Masterstudiengang Bioökonomie beginnen.“ Inhaltlich am nächsten komme diese Ausbildung dem „Wirtschaftsingenieur Bioökonomie“. Man wolle Leute ausbilden, „die in der Lage sind, naturwissenschaftliche und ökonomische Sichtweisen zu verbinden und zu beherrschen“. Mindestens eine der drei vom Masterprogramm des Landes geförderten Professuren solle auch Bezüge zur Bioökonomie aufweisen.

Ein Bachelor sei zwar auch vorstellbar, aber nicht geplant: „Wir sind stark an der Grenze – da müsste man woanders zurückfahren“, sagt der Rektor im Blick auf das Wachstum der Studentenzahlen und die nicht mitgewachsene Infrastruktur.

Eine Neuordnung wird es auch für die Zentren geben, die historisch gewachsen und nun an die neuen Uniziele angepasst werden sollen. Das Thema Welternährung, bislang im Tropenzentrum verortet, werde auch weiter eine Rolle spielen, so Dabbert. „Beim Osteuropazentrum sind wir noch am Überlegen, wie wir damit umgehen.“ Es gebe eben „neue Herausforderungen, die man vor fünf oder zehn Jahren noch nicht gesehen hat“. Eine Entscheidung werde es voraussichtlich erst im Sommer geben.

Es klemmt noch bei der Infrastruktur

Apropos Infrastruktur: „Wir haben Vorantrag auf Bundesmittel für ein Laborgebäude gestellt“, so Dabbert. Und zwar für die Mikrobenforschung im Pansen der Kühe – dies seien komplexe Prozesse mit Auswirkungen auf die Gesundheit der Tiere und aufs Klima. Der Schraubverschluss am Bauch der Großtiere vereinfacht den Zugang. „Im Augenblick arbeiten die Forscher in schlechten Laboren“, bedauert Dabbert. Was die Pflanzen angehe, so werde zwar gerade ein Sammlungsgewächshaus gebaut, aber für ein neues Forschungsgewächshaus fehle das Geld. Und apropos Ernährung: auch die dringend notwendige Erweiterung der Mensa zieht sich. Nachdem die Stadt mit den Plänen des Unibauamts nicht einverstanden war, wurde der Architekt mit der Neuplanung beauftragt.