Peter Collmer gehörte zum Inventar des Freibades in Asperg. In fast einem halben Jahrhundert Berufsleben hat der Bad-Chef viel erlebt – und ist froh, dass er eines nie erleben musste.

Ludwigsburg: Susanne Mathes (mat)

Zweimal hatten Peter Collmer und ein Kollege den Fünfjährigen, den ein geistesgegenwärtiger Badegast leblos aus dem tiefen Wasser gezogen hatte, reanimiert, bis der Notarzt da war. Zwei weitere Wiederbelebungen für das Kind, das in einem unbeaufsichtigten Moment in der Sprunggrube untergegangen war, brauchte es im Rettungswagen. Der Junge überlebte. Einige Zeit später kam seine ganze Familie ins Asperger Freibad, um sich zu bedanken. „Das war sehr bewegend“, sagt Peter Collmer. „Solche Momente sind was Besonderes.“

 

Er rettete ausgeschlagene Zähne und verlorene Eheringe

Peter Collmer hat viele solche Geschichten auf Lager. Er hat einen Großteil seines Berufslebens im Asperger Freibad verbracht, hat Pflaster auf Knie geklebt, verunreinigte Becken notgesperrt, ausgeschlagene Zähne vom Beckenboden gefischt, Querulanten Hausverbote erteilt, verlorene Eheringe Jahre später in der Volleyballgrube gefunden, bei Rohrbruch-Notrufen nachts in der Überschwemmungssuppe gestanden, viel Freud und auch manches Leid mitbekommen. Fast jeder, der in Asperg regelmäßig schwimmen geht, kennt ihn, und er kennt fast jeden. Nach 42 Jahren dort geht der Betriebsleiter des Bades jetzt in den Ruhestand.

Zufrieden sitzt Collmer auf einer Klappbank. Er lässt den Blick über die in der Sonne glänzenden Rasenflächen und die mächtigen Bäume streifen. Die parkähnliche Anlage strahlt jetzt, da dort nur ein paar Menschen werkeln, eine wohltuende Ruhe aus. „Die Zeit im Frühjahr, wenn wir das Bad für die Saison vorbereitet haben, hab’ ich immer genossen“, sagt Collmer. Auch in der Hochsaison liebte er es besonders, früh um halb sechs mit einem ersten Kaffee in der Hand Hasen, Vögel oder Eichhörnchen zu beobachten – ein fast unwirklicher Kontrast zu dem Trubel, der tagsüber herrschte. „Chef?“, ruft sein Nachfolger Patrick Niemann; er hat eine Frage. Eigentlich ist er jetzt zwar selbst Betriebsleiter: „Aber für mich bleibt er trotzdem Chef“, meint Niemann und lacht. Das gute kollegiale Klima, auch mit den Saisonkräften – Nebenjobber vom Studenten über Polizisten bis zum Ingenieur –, sei auch etwas Besonderes im Bad, finden die beiden.

„Ich war ja sogar schon als Kind hier“, erzählt Collmer, „wir kamen schulklassenweise zum Baden“. Dass er dort einmal Betriebsleiter werden würde, war damals nicht abzusehen. Er wollte nach der Realschule Einzelhandelskaufmann oder Technischer Zeichner werden, bekam aber keine Lehrstelle. Glücklicher Zufall: In seiner Heimatstadt Kornwestheim eröffnete im August 1975 ein Hallenbad. Peter Collmer wurde dort einer der beiden ersten Azubis. „Das Berufsbild Fachangestellter für Bäderbetriebe war damals ganz neu“, erzählt er. „Früher hatte man das silberne Rettungsabzeichen gemacht und an der PH, wo die Lehrer ausgebildet wurden, noch was mitgenommen. Dann nannte man sich Bademeister.“

Es steckt viel mehr dahinter

Dass so viel mehr an dem Beruf hängt, vor allem in leitender Position, davon machen sich wenige Menschen eine Vorstellung. Betriebsabläufe überwachen und optimieren, die technischen Anlagen überprüfen, die Wasserqualität checken und bei Bedarf nachregulieren, reparieren, Dienstpläne schreiben, Kassensysteme einführen, zu jeder Tages- und Nachtzeit kommen, wenn’s klemmt: Das ist nur ein kleiner Ausschnitt, auch wenn das nach außen manchmal nicht so aussieht. „Du hast den schönsten Job, du stehst den ganzen Tag da und schwätzt mit den Leuten!“: Diesen Spruch hörte Collmer öfter mal – und ließ ihn an sich abtropfen. Den richtigen Ton mit den Badegästen zu finden, war mitunter auch eine Kunst. Ob das Klo verstopft ist, der Seifenspender leer oder das Licht nicht tut: Jeder habe ja, wenn es etwas zu bemängeln gebe, gefühlt das akut allergrößte Problem, sagen Collmer und Niemann. Da braucht es Gelassenheit. Und wenn die Leute impertinent werden, auch klare Worte.

Fast immer seien die Begegnungen aber positiv gewesen, resümiert Collmer. Ob Postkarten, selbst gemalte Kinderbilder oder ein direktes „Danke“: Oft gab es rührende Rückmeldungen. Ein Freibad als Freizeiteinrichtung ist eben positiv behaftet, die Leute freuen sich, dass sie es haben – während der Pandemie merkten sie schmerzlich, dass das nicht selbstverständlich ist. Dass es wegen Personalmangels nun Schließtage gibt, zeigt das erneut. „Leider“, so Collmer, „machen den Beruf immer weniger Leute.“ Die Verantwortung ist groß, die Work-Life-Balance überschaubar. Im Sommer in die Ferien fahren, mal eine Wochenend-Spritztour machen: Das ist für die Crew und ihren Chef nicht drin. „Meine Familie hat es zum Glück mitgetragen“, sagt der 64-Jährige. „Ich hab’ mein Geschäft immer mit Herzblut gemacht. Dafür hatte ich auch gewisse Freiheiten, und das war gut so.“ Besonders dankbar ist er, dass in seiner Ära niemand im Bad das Leben verlor oder schwer verletzt wurde. „Es gibt Kollegen, die können nach so einem Vorfall nicht mehr weitermachen. Ich hatte großes Glück, dass ich das nicht erleben musste.“

Beliebtes Sport- und Freizeitvergnügen

Das Bad
Das Freibad in Asperg ist mit einem Nichtschwimmerbecken mit 84-Meter-Rutsche, Wildwasserkanal und Sprudelbecken, einem großen Schwimmbecken mit Sprunganlage, Sportmöglichkeiten und Kleinkinderbecken ein beliebtes Sommer-Freizeitziel.

Die Saison
Der Betrieb startet am 18. Mai und endet am 10. September. Montags bleibt das Bad wegen Personalmangels vorerst zu. Geöffnet ist dienstags bis freitags von 9 bis 19.30 Uhr, samstags, sonntags und feiertags ab 8 Uhr. Im Juni und Juli ist unter der Woche von 9 bis 20.30 Uhr, samstags, sonntags und feiertags von 8 bis 20.30 Uhr auf.