Vor dem Bundesverwaltungsgericht wollten Projektkritiker einen Bürgerentscheid erwirken. Das Bundesverwaltungsgericht bestätigte Urteile der Verwaltungsgerichte in Stuttgart und Mannheim.
Leipzig/Stuttgart - Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat am Dienstag ein Bürgerbegehren zu Stuttgart 21 für unzulässig erklärt. Damit bestätigt das höchste deutsche Verwaltungsgericht entsprechende Urteile des Verwaltungsgerichts Stuttgart und des baden-württembergischen Verwaltungsgerichtshofs in Mannheim. Vor diesen Gerichten hatten sich Stuttgart-21-Gegner gegen einen Beschluss des Stuttgarter Gemeinderats zur Wehr gesetzt, der das vom März 2011 stammende Bürgerbegehren abgelehnt hatte. Die S-21-Kritiker sahen den Artikel 104a des Grundgesetzes verletzt, wonach Kommunen und Länder keine Aufgaben des Bundes mitfinanzieren dürfen. Eine solche sei aber der Ausbau des Schienennetzes. Die Stadt hatte stets argumentiert, da die Verträge zu Stuttgart 21 keine Kündigungsklauseln enthielten, sei das Bürgerbegehren auf ein rechtswidriges Ziel gerichtet und daher abzulehnen.
Eisenhart von Loeper, Sprecher des Aktionsbündnis gegen Stuttgart 21, zeigte sich in einer ersten Reaktion überrascht vom Ausgang des Verfahrens: „Das ist ein bedauerlicher Rückschritt.“ Er sehe die Gefahr, dass sich die Bahn nun – auf das Urteil stützend – bei weiteren Kostensteigerungen an die Stadt halte. „Das Urteil ist für Stuttgart sehr nachteilig“, sagte er. Man müsse die Begründung abwarten und dann entscheiden, ob Verfassungsbeschwerde dagegen eingelegt wird.
Der Richter wollte fünf Fragenkomplexe behandelt wissen
„Das Bundesverwaltungsgericht hat die Rechtsauffassung der Stadt bestätigt, insofern sind wir zufrieden mit dem Urteil“, sagte ein Sprecher der Stadt.
Der 10. Senat des Bundesverwaltungsgerichts verhandelte die Sache unter Vorsitz des Gerichtspräsidenten Klaus Renner. Der gebürtige Berliner verfügt über den Vorzug der Ortskenntnis. Zeitweise war er im baden-württembergischen Staatsministerium tätig. Der Jurist wollte fünf Fragenkomplexe behandelt wissen. So sei zu klären, inwieweit der Artikel 104a auch Aufgaben abdeckt, die nicht der Bund selbst, sondern eines seiner Unternehmen – in diesem Fall die Bahn – wahrnimmt. Für diskussionswürdig hielt Renner weiterhin die Frage, ob der Ausbau des Schienennetzes überhaupt eine Aufgabe des Bundes sei. Zudem müsse eruiert werden, ob die gesetzliche Regelung – so sie überhaupt anzuwenden sei – tatsächlich eine Mitfinanzierung ausschließe. Gestritten wurde auch über die Fragen, welche Aufgabe die Landeshauptstadt, die Beklagte in dem Verfahren gewesen ist, bei Stuttgart 21 erfülle und wie der Finanzierungsbeitrag zu bemessen sei.
Es geht nur auf den Grundgesetzartikel 104a
Die Kläger, vertreten durch den ehemaligen brandenburgischen Justizstaatssekretär Hans-Georg Kluge, brachten nach mehr als zweistündiger Verhandlung zudem die Frage auf, ob die Beteiligung der Stadt nicht auch eine nach EU-Recht unzulässige Beihilfe darstelle. Der späte Zeitpunkt führte zu einer deutlich erkennbaren Verstimmung beim Richter und zu einer Sitzungsunterbrechung, in welcher der Senat allerdings zu der Auffassung gelangte, diesen Hinweis nicht weiter zu verfolgen. Ein solcher neuer Aspekt könne in einem Revisionsverfahren nicht vorgebracht werden. Das Bürgerbegehren und der sich daran anschließende Instanzenweg hätten sich ausschließlich auf den Grundgesetzartikel 104a bezogen.
Seit der Privatisierung der Bahn sei aber der Bau von Schienenwegen und Bahnhöfen „nicht mehr Verwaltungsaufgabe des Bundes“, heißt es in einer Mitteilung des Gerichts nach Bekanntgabe der Entscheidung. Deswegen stelle die Beteiligung des Landes und der Stadt auch „keine unzulässige Mitfinanzierung fremder öffentlicher Aufgaben nach Artikel 104a“ des Grundgesetzes dar, erklärte das Gericht.