Reportage: Frank Buchmeier (buc)

Bei dieser Sozialisation überrascht es nicht, dass William Bils noch heute ausschließlich über die Wohltaten der US Army sprechen will. Er erzählt, dass bedürftige Kinder kurz vor Weihnachten in die Barracks zu einem „unvergesslichen Nachmittag“ eingeladen wurden. Oder wie eine in Nellingen stationierte Hubschrauberbesatzung am 6. April 1964 vier Stuttgarter Feuerwehrleute aus dem Hochwasser des Neckars rettete. Er verschweigt, dass sich die Anrainer der Kaserne regelmäßig über den von der „Aviation Company“ verursachten Fluglärm beklagten. Oder dass die unzureichende Kläranlage auf dem Gelände und ein uraltes Heizwerk die Umwelt auf den Fildern bis Ende der 80er Jahre belasteten. Bils meint: „Niemand hat sich gefreut, als die Amerikaner abgezogen sind – außer vielleicht jene, die die US Army prinzipiell nicht mögen.“ Es gibt wohl wenige deutsche Staatsbürger, die den amerikanischen Streitkräften emotional so nahe stehen wie William Bils.

 

Im August 1976, gleich im Anschluss an seine Lehre zum Installateur, heuert Bils als „Maintenance Worker“ in den Nellingen Barracks an. Seine militärischen Dienstherren sind Amerikaner, seine zivilen Handwerkerkollegen Süd- und Osteuropäer. Die Multikultigruppe repariert Wasserhähne, die Tore der Hangars oder Wohnungstüren, die die GIs gerne eintreten, wenn sie viel Bier getrunken und zudem ihre Hausschlüssel vergessen haben.

Für William Bils werden die Nellingen Barracks zum Arbeitsplatz der unbegrenzten Möglichkeiten. Sein „Installation Pass“ öffnet ihm Tag und Nacht alle Toren und Türen. Bald kennt er jedes Gebäude, von den Baracken der Gefreiten bis zum noblen Offiziersclub Sheridan, und hat viele Freunde mit unterschiedlichen Hautfarben und Diensträngen. Sie schenken ihm Militärabzeichen, die er zu Hause stolz an seine Korkwand pinnt. Bils macht die US-Truck-Licence und steuert den Werkstattwagen, einen schweren Dodge. Er führt ein very cooles Berufsleben.

Bils spricht mit seinem Dad

Am 9. November 1989 fällt die Berliner Mauer. William Bils ahnt zu diesem Zeitpunkt bereits, dass er seinen Traumjob verlieren wird. Seit einiger Zeit machen Gerüchte die Runde, dass die Kaserne geschlossen werden soll. Dezember 90 werden die in Nellingen stationierten Soldaten des 2. Nachschubkommandos in den Golfkrieg geschickt. In Spitzenzeiten wohnten 5000 Menschen in der Siedlung, nun ist nur noch eine Rumpfbesetzung übrig. Im Sommer 91 erklärt das amerikanische Verteidigungsministerium, dass der komplette Abzug aus den Nellingen Barracks bevorstehe.

Es sind weniger die väterlichen Gene als die Umwelteinflüsse, die dazu führen, dass William Bils von Jugend an dem „American Way of Life“ folgt. 1970 eröffnet seine Mutter in Sirnau das „Siedlerheim“; die Gaststätte entwickelt sich rasch zu einem beliebten Treffpunkt für die Nellinger GIs. William spielt mit den amerikanischen Soldaten Billard oder verspeist mit ihnen an Thanks Giving einen Truthahn, den seine Mutter im Siedlerheim für die Stammgäste aus Übersee originalgetreu zubereitet.

Als 16-Jähriger wird William von seinen Amikumpels erstmals zu den Barracks mitgenommen. Auf der zwei Meter breiten Rückbank eines Chevrolet Impala schwebt er in ein anderes Universum. William lernt das Leben innerhalb des Stacheldrahtzauns kennen. Im Freizeittreff der Gefreiten (Enlisted Mens’ Club) bekommt er eine Pizza serviert, die so groß wie ein Wagenrad ist und zentimeterdick mit dänischem Schmelzkäse belegt. Er dreht auf der Rollschuhbahn schwungvoll Kreise, schwoft in der Disco zu Marvin-Gaye-Songs und erwirbt über seine guten Beziehungen spottbillig Schallplatten aus dem Post-Exchange-Store.

Arbeitsplatz der unbegrenzten Möglichkeiten

Bei dieser Sozialisation überrascht es nicht, dass William Bils noch heute ausschließlich über die Wohltaten der US Army sprechen will. Er erzählt, dass bedürftige Kinder kurz vor Weihnachten in die Barracks zu einem „unvergesslichen Nachmittag“ eingeladen wurden. Oder wie eine in Nellingen stationierte Hubschrauberbesatzung am 6. April 1964 vier Stuttgarter Feuerwehrleute aus dem Hochwasser des Neckars rettete. Er verschweigt, dass sich die Anrainer der Kaserne regelmäßig über den von der „Aviation Company“ verursachten Fluglärm beklagten. Oder dass die unzureichende Kläranlage auf dem Gelände und ein uraltes Heizwerk die Umwelt auf den Fildern bis Ende der 80er Jahre belasteten. Bils meint: „Niemand hat sich gefreut, als die Amerikaner abgezogen sind – außer vielleicht jene, die die US Army prinzipiell nicht mögen.“ Es gibt wohl wenige deutsche Staatsbürger, die den amerikanischen Streitkräften emotional so nahe stehen wie William Bils.

Im August 1976, gleich im Anschluss an seine Lehre zum Installateur, heuert Bils als „Maintenance Worker“ in den Nellingen Barracks an. Seine militärischen Dienstherren sind Amerikaner, seine zivilen Handwerkerkollegen Süd- und Osteuropäer. Die Multikultigruppe repariert Wasserhähne, die Tore der Hangars oder Wohnungstüren, die die GIs gerne eintreten, wenn sie viel Bier getrunken und zudem ihre Hausschlüssel vergessen haben.

Für William Bils werden die Nellingen Barracks zum Arbeitsplatz der unbegrenzten Möglichkeiten. Sein „Installation Pass“ öffnet ihm Tag und Nacht alle Toren und Türen. Bald kennt er jedes Gebäude, von den Baracken der Gefreiten bis zum noblen Offiziersclub Sheridan, und hat viele Freunde mit unterschiedlichen Hautfarben und Diensträngen. Sie schenken ihm Militärabzeichen, die er zu Hause stolz an seine Korkwand pinnt. Bils macht die US-Truck-Licence und steuert den Werkstattwagen, einen schweren Dodge. Er führt ein very cooles Berufsleben.

Bils spricht mit seinem Dad

Am 9. November 1989 fällt die Berliner Mauer. William Bils ahnt zu diesem Zeitpunkt bereits, dass er seinen Traumjob verlieren wird. Seit einiger Zeit machen Gerüchte die Runde, dass die Kaserne geschlossen werden soll. Dezember 90 werden die in Nellingen stationierten Soldaten des 2. Nachschubkommandos in den Golfkrieg geschickt. In Spitzenzeiten wohnten 5000 Menschen in der Siedlung, nun ist nur noch eine Rumpfbesetzung übrig. Im Sommer 91 erklärt das amerikanische Verteidigungsministerium, dass der komplette Abzug aus den Nellingen Barracks bevorstehe.

Am 2. November 1992 endet für William Bils ein prägender Lebensabschnitt: 16 wundervolle Dienstjahre in den Nellingen Barracks. Kurz vor dem Ende wird er noch zum Leiter der „Maintenance Worker“ befördert. Er sorgt dafür, dass die Liegenschaften besenrein an die Stadt Ostfildern übergeben werden, die auf dem Gelände den neuen Stadtteil „Scharnhauser Park“ plant. Als bald darauf ein Hausmeister für die zu Mietwohnungen umgewandelten ehemaligen Mannschaftsunterkünfte gesucht wird, bekommt der Insider William Bils diesen Job.

Vierzig Jahre zuvor wohnte in einem dieser Gebäude Sergeant First Class Billy Hodges. William Bils hat seinen Dad seit den frühen Kindheitstagen nicht wiedergesehen, ein einziges Mal, 1993, als der Vater bereits im Sterben lag, rief er ihn in North Carolina an: „Es war ein schönes Gespräch. Er sagte mir, dass er mich niemals vergessen hat.“ William Bils wird das Andenken seines Vaters und der Nellingen Barracks immer in Ehren halten.