Der republikanische Präsidentschaftskandidat macht treuen Verbündeten in Großbritannien, Israel und Polen die Aufwartung – und blickt doch nur in die Heimat. Zentrale außenpolitische Themen sind von vornherein ausgespart worden.

Stadtentwicklung & Infrastruktur: Andreas Geldner (age)

Jerusalem - Wenn ein amerikanischer Präsidentschaftskandidat auf Weltreise geht, dann geht es nicht um ein besseres Verständnis für die Probleme der Welt. Es geht um Wahlkampf. Dies ist entscheidend, wenn man die heute in Polen zu Ende gehende Auslandstour des Republikaners Mitt Romney bilanziert. Für Barack Obama waren die Menschen, die ihm im Sommer 2008 im Schatten der Berliner Siegessäule zuhörten, nur Kulisse. Seine Rede war nicht an die Deutschen gerichtet. Und so wird es Mitt Romney verkraften, dass er auf der ersten Station seiner Sommerreise mit einer kritischen Bemerkung über das Organisationschaos bei Olympia seine britischen Gastgeber vergrätzt hat.

 

Den mit seinen eigenen ökonomischen Problemen beschäftigten amerikanischen Durchschnittswähler hat es wenig erschüttert, dass die britische Boulevardpresse erregt war. Außenpolitik ist bei den Wahlkampfthemen weit abgeschlagen. Romneys Tour ins Ausland hat den 65-jährigen Kandidaten so widergespiegelt, wie ihn die Amerikaner schon seit Monaten kennengelernt haben. Er ist kein Mann der neuen Ideen, keiner der inspiriert. Zentrale außenpolitische Themen sind bei seiner Reise von vornherein ausgespart worden.

Romney macht einen Bogen um Euroländer und Afghanistan

Entgegen der anfänglichen Gerüchte über einen Abstecher nach Deutschland hat Romney kein Euroland besucht. Er hat auch den Krisenherd Afghanistan umgangen. Bei diesen Themen, wo er keine populären Alternativen zu Obamas Politik zu bieten hat, gibt es für ihn wenig zu gewinnen. „Wenn man die hitzige Rhetorik abzieht, dann fußen die tatsächlichen Unterschiede in der Außenpolitik der beiden Kandidaten eher auf Nuancen und einigen Differenzen im Ton, als dass sie eine tiefere Debatte über den Kurs Amerikas in der heutigen Welt artikulieren“, schrieb die „New York Times“ über die Reise.

Romney begnügte sich mit Treueschwüren für alte Verbündete. Ein Besuch an der Klagemauer in Jerusalem und eine Besichtigung des Solidarnosc-Denkmals in Danzig sollten demonstrieren, dass Romneys Welt klar eingeteilt ist. Es soll Schluss sein mit Barack Obamas komplizierter Weltsicht. Freunde sind Freunde, Feinde sind Feinde. „Wir sind die wahre Macht des Friedens“, sagte Romney am Wochenende in Israel, als er für eine Politik der Härte gegen den Iran warb und das Recht des jüdischen Staates auf den Einsatz aller Mittel gegen das iranische Nuklearprogramm betonte – ohne dabei aber bei der Frage einer möglichen amerikanischen Militärunterstützung allzu konkret zu werden.

Der Kandidat umgarnt jüdische und polnischstämmige Wähler

Romney hat immerhin eine enge persönliche Beziehung zu Israels Premier Benjamin Netanjahu, mit dem er in den siebziger Jahren einmal in einer Bostoner Consultingfirma zusammenarbeitete. In Israel und Polen hatte Romney eine ganz bestimmte heimische Klientel im Auge. Barack Obamas ungeschickte Versuche, am Anfang seiner Amtszeit den israelischen Verbündeten zu mehr Zugeständnissen gegenüber den Palästinensern zu bewegen, haben jüdische Wähler nicht vergessen. Aber wichtiger noch für Romney: er hat mit dem Israelbesuch einem zentralen Teil der republikanischen Basis gezeigt, dass er auf Linie ist. Christliche Fundamentalisten in den USA sind dem Mormonen Romney lange skeptisch gegenübergestanden. Die religiös motivierte, felsenfeste Unterstützung für Israel ist für sie ein Muss.

Polen war am Montag und Dienstag als letztes Land auf der Agenda, weil entscheidende Bundesstaaten vor allem im Mittleren Westen der USA eine überdurchschnittliche Zahl von polnischstämmigen Wählern haben. Obama bietet hier eine offene Flanke, weil die Diskussion über ein neues Abwehrsystem gegen Nuklearraketen aus polnischer Sicht unglücklich verlaufen ist. Der US-Präsident hat im Streit über dieses System den russischen Interessen angeblich zu früh nachgegeben. Für das breite amerikanische Publikum ist das kein heißes Thema. Für die erwähnte polnischstämmige Wählergruppe, so hofft der Kandidat, vielleicht schon. Es ging um solche subtilen Botschaften, nicht um eine ausdrückliche – und in dieser Form auch nicht vorhandene – neue Romney-Doktrin für die amerikanische Außenpolitik.