Im Treffpunkt Rotebühlplatz ist am Mittwoch beim Pressecafé der Volkshochschule und der Stuttgarter Zeitung angeregt über die Zukunft urbaner Mobilität diskutiert worden.

Stuttgart - Eine Seilbahn schwebt über dem Charlottenplatz. Teilweise dient sie dem Gütertransport. Das könnte auch für die Drohne gelten, die im Hintergrund vorüberschwebt. Vor einem Parkhaus mit begrünter Fassade warten Menschen darauf, dass ihr autonom agierendes Fahrzeug wieder herausgerollt kommt. Redakteur Thomas Durchdenwald hat die farbenfroh gestaltete Vision aus dem Zukunftslabor von Mercedes Benz an die Wand des Robert-Bosch-Saals im Treff Rotebühlplatz projiziert. Als Beispiel für Ideen, wie sich der Verkehr in der Stadt künftig entwickeln könnte. Am Mittwoch ist der ehemalige Regionalchef der Stuttgarter Zeitung zu Gast beim VHS-Pressecafé gewesen, das die StZ und die Volkshochschule gemeinsam veranstalten. Thema: „Das Auto der Zukunft oder Mobilität neu gedacht“.

 

Jede Technologie hat auch Nachteile

Das Interesse an der Frage, was angesichts von Klimawandel, Parkplatzmangel und Verstopfung urbaner Verkehrsadern aus dem Auto werden wird, ist groß. Die Veranstaltung ist gut besucht, die Diskussion lebhaft. Dabei wird schnell klar, dass der Blick in die Zukunft wenig Verlässliches bietet und viel Raum für Spekulationen lässt. Beispiel E-Mobilität: „Diese Technologie wird sich nie durchsetzen“, grantelt ein 80-Jähriger, der zu Protokoll gibt, jährlich 40 000 Kilometer mit dem Auto zurückzulegen. Es gebe zu wenig Strom. Den von der Nordsee in den Süden zu bringen sei zu kostspielig. Überhaupt seien Elektrofahrzeuge unmäßig teuer. Ganz zu schweigen von den Batterien und deren Entsorgung.

Dass der anfallende Sondermüll nicht unproblematisch ist, darin sind sich alle einig. Auch jene im Raum, die einen Elektro-Boom erwarten oder das E-Auto als Übergangsmodell auf dem Weg zum Antrieb per Brennstoffzelle sehen. Durchdenwald lässt sich nicht zu Prognosen hinreißen. Lieber kommentiert er die kritischen Anmerkungen: „Ich denke nicht, dass es eine Technologie gibt, die keine Nachteile hat“, gibt er zu bedenken. „Wir sollten aber nicht einfach so weitermachen, im Wissen, wie schädlich der Verbrennungsmotor, etwa hinsichtlich des Klimas, ist.“

Der Blick geht auch nach Kalifornien

Eben erst hat die Aussage von OB Fritz Kuhn hohe Wellen geschlagen, er wolle bis 2030 ein autofreie Innenstadt erreichen (wobei die Parkhäuser bestehen und nutzbar bleiben sollen). Gemeint war da aber ohnehin das Stadtzentrum innerhalb des Cityrings. Dass es nicht damit getan ist, bei der Suche nach Alternativen pauschal auf den öffentlichen Nahverkehr zu verweisen, leuchtet ein. „Die Verkehrsspitzen sind so nicht zu bewältigen“, nennt Thomas Durchdenwald das Problem. Mit täglich 1,3 Millionen Fahrgästen sei der VVS bereits schon jetzt stark ausgelastet. Man müsse also auch ganz andere Modelle zur Steuerung des Stadtverkehrs in Erwägung ziehen, ergänzt der Lokalredakteur.

Als Beispiel nennt er Kalifornien, wo Autofahrer spezielle Fahrspuren nutzen dürfen, wenn sie Fahrgemeinschaften bilden, statt allein hinterm Steuer zu hocken. Weiterhelfen könnte auch eine Stärkung der intermodalen Mobilität, der Nutzung verschiedener Verkehrsmittel auf einer Strecke. Die Universität Stuttgart denkt für den Campus Vaihingen über externe Parkhäuser und autonom fahrende Shuttle-Busse nach, die Studierende und Mitarbeiter von dort an die Hochschule bringen sollen, wie Durchdenwald berichtet.

Grundlegendes Umdenken ist nötig

Bei allen Konzepten, die im Raum stehen, kristallisiert sich heraus, wie unabdingbar ein grundlegendes Umdenken ist, um den Verkehr in den Städten zukunftsfähig zu gestalten: Arbeitszeiten und Arbeitsplätze könnten flexibilisiert werden. Wer im Homeoffice arbeitet, kann aufs Auto verzichten. Die Nutzung des Autos in der Freizeit ließe sich ebenfalls hinterfragen. „Mobilität ist ein sehr individuelles Thema“, hält Durchdenwald fest. „Wir alle haben unsere eigenen Vorstellungen.“ Wie groß die Veränderungen in den vergangenen 50 Jahren war, zeigt ein weiterer Blick auf den Charlottenplatz – diesmal in Schwarz-Weiß. Ein Verkehrspolizist steht auf seinem Sockel und ordnet den Verkehr. Nicht mehr als sechs Automobile sind unterwegs. Der Journalist lässt das Bild für sich sprechen. „Denken müssen sie selbst“, gibt er den Besuchern mit auf den Weg. Stoff genug hat das Pressecafé an diesem Abend geliefert.