Dashboard der Klimasimulation „En-Roads“, an dem sich jeder probieren darf Foto: jps
Auf dem Festival für die Erde am 27. April in Böblingen spricht der Wissenschaftler Florian Kapmeier. Im Gepäck hat er eine verblüffende Klimasimulation, die einen gänzlich unverstellten Blick auf die globale Klimaschutzdebatte erlaubt. Er hofft auf breite Resonanz.
Auf allen politischen Ebenen ringen Entscheider darum, wie der weltweite Klimawandel einzudämmen ist – vom Gemeinderat bis zur UN-Vollversammlung. Nur: Welche politischen, wirtschaftlichen oder technischen Maßnahmen greifen dabei wie stark? Das Festival für die Erde am 27. April im Böblinger Sparkassenforum will Antworten liefern. Einer der Redner dort ist Florian Kapmeier, Strategie-Professor an der ESB Business School in Reutlingen.
Der 50-Jährige lädt das Publikum zu einem Spiel ein, das trockene Klima-Statistiken in eine lebendige Simulation verwandelt. Denn „die Forschung zeigt, dass das bloße Zeigen von Forschung nichts bringt“, sagt der Wissenschaftler, der an der Universität Stuttgart promoviert hat. In seinem Vortrag demonstriert er das Internetportal „En-Roads“, das frei zugänglich ist.
Florian Kapmeier /Frank Paul Kistner
Dieser interaktive Klimasimulator wurde in Kooperation mit dem Massachusetts Institute of Technology (MIT) in Boston entwickelt. „Ich kam damit in Kontakt bei einem dortigen Forschungsaufenthalt“, sagt Kapmeier. In den USA habe der gebürtige Niedersachse erlebt, wie solch interaktive Werkzeuge in der Lehre genutzt werden, „das hat mich unglaublich gepackt“. Gedacht war die Simulation eigentlich für Verhandlungsführer auf Klimakonferenzen.
„Diese können damit sehr schnell ablesen, welche Auswirkungen eine klimapolitische Entscheidung auf die Erderwärmung hätte“, sagt Kapmeier. Erstmals genutzt wurde En-Roads auf der UN-Klimakonferenz 2009 in Kopenhagen. Doch was auf der großen Bühne für Momente der Erhellung sorgt, funktioniert auch im Kleinen.
Raus aus dem Hörsaal, rein in die Schulen
Deshalb geht Kapmeier damit raus aus dem Hörsaal und rein in Schulen, Unternehmen – und jetzt auf das Festival der Erde nach Böblingen. „Ich bin sehr gespannt auf den Tag und hoffe, dass auch möglichst viele Entscheider aus Politik und Wirtschaft kommen.“ Das hofft auch der Böblinger Karl-Heinz Rau, der das Festival aus der Taufe gehoben hat und in diesem Jahr zum zweiten Mal veranstaltet.
Schirmherrin ist keine geringere als die baden-württembergische Umweltministerin Thekla Walker (Grüne). Eingeladen sind außerdem alle Bürgermeister im Kreis Böblingen sowie weitere politische Entscheidungsträger von vor Ort. Kapmeier: „Für sie kann En-Roads ein wichtiges Tool sein, um ein Gefühl dafür zu bekommen, welche Entscheidung sich wie auswirkt.“ Denn es sei ein Mythos, dass der Klimawandel nur auf globaler Ebene zu bekämpfen sei. Umgesetzt werden müssten die Maßnahmen schließlich vor Ort und von jedem Einzelnen im Alltag.
Virtuelle Kommandozentrale fürs Weltklima
Wer En-Roads im Netz ansurft, gelangt auf eine virtuelle Kommandozentrale für das Weltklima. Belässt man dort alles beim Status quo, wird sich die Erde bis zum Jahr 2100 um durchschnittlich 3,3 Grad Celsius erwärmen, werden die Polkappen weiter schmelzen und der Meeresspiegel um 70 Zentimeter ansteigen. Bremen läge direkt an der Küste und rund ein Drittel der Landesfläche der Niederlande wären überflutet. Doch es lässt sich etwas tun: Von Aufforstung bis Wirtschaftswachstum lassen sich Regler auf Skalen hin- und herschieben und der Effekt auf die Erderwärmung sofort beobachten. Fährt man als Maßnahme den Regler „Erneuerbare Energien“ deutlich nach oben, tut sich – vergleichsweise wenig. Die Welt erwärmt sich verblüffenderweise nahezu gleich stark.
Erst durch ein Bündel an Maßnahmen in Richtung weniger fossile Energieträger, weniger Abholzung und weniger anderer Treibhausgase, tut sich allmählich was beim Weltklima. Erstaunlich: Während mehr Elektrifizierung im Verkehr allein kaum was bringt, dreht man bei anderen Stellschrauben am großen Rad: CO2-Preis und die Energieeffizienz im Gebäudesektor etwa. Greift man hier ein, sinken errechneter Energiebedarf und Emissionen erheblich. Die Niederlande dürften wieder hoffen.
„Man hat ein viel besseres Verständnis dafür, wo die großen Stellschrauben sind und wie sie miteinander wirken“, sagt Kapmeier. Dabei bestehe die Plattform nicht nur aus bunten Grafiken und schöner Oberfläche. Alle hinterlegten Annahmen beruhen auf einer fundierten wissenschaftlichen Basis. Zu jedem Regler lassen sich die Studien abrufen, auf denen die Ergebnisse fußen. Die Stärke von En-Roads bestünde darin, alles zu einem großen Bild zusammenzufügen, sagt Florian Kapmeier. Und freut sich auf viele Zuhörer am 27. April.
Die Klimasimulation En-Roads gibt es online unter www.climateinteractive.org/en-roads
Das Festival für die Erde am 27. April
Beginn Das Festival beginnt um 11 Uhr mit Grußworten, Einlass ist bereits um 10.30 Uhr im Sparkassenforum in der Böblinger Bahnhofstraße 8.
Klima-Simulation Erster Höhepunkt des Programms ist der Vortrag von Florian Kapmeier inklusive der interaktiven Klimasimulation. Die Präsentation ist auf 12.30 Uhr angesetzt und für jedermann offen.
Vorträge Neben Kapmeier sprechen weitere Referenten über Themen den Klimaschutz betreffend: Rainer Luick über „Wald in der Krise“, Enno Bahrs über „Landwirtschaft 4.0“, Stadtwerke-Chefin Christine Tomschi über kommunale Wärmeversorgung und Andreas Ermisch über Transformation im Mittelstand.
Stände Insgesamt 21 Aussteller beteiligen sich an dem Aktionstag: Von Abfallwirtschaft über Greenpeace bis zum Repair Café.