Bildungspolitik ist Ländersache. Jetzt will die Bundesregierung das seit 2006 geltende, jedoch strittige Kooperationsverbot mit den Ländern in der Bildungspolitik aufweichen. Dafür braucht Schwarz-Rot aber eine Zweidrittelmehrheit. Und noch andere Dinge sind ungewiss.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Armin Käfer (kä)

Berlin - In den 65 Jahren, die das Grundgesetz existiert, wurde es schon 59 mal geändert. Der Bund strebt jetzt die 60. Korrektur an. Sie zielt auf den Kernbereich der föderalen Struktur unseres Staates. Das Kabinett hat am Mittwoch ein Gesetz zur Neufassung des Artikels 91b beschlossen. Nutznießer sollen die Hochschulen sein. Aufseiten der Länder gibt es jedoch Vorbehalte, auch in Baden-Württemberg.

 

Worum geht es? Die Artikel 91 a bis e des Grundgesetzes regeln die Gemeinschaftsaufgaben von Bund und Ländern. Bildungspolitik ist eigentlich Ländersache. Allerdings fehlt den Ländern häufig das Geld, um dieser komplexen Aufgabe in allen Facetten gerecht werden zu können. Deshalb hilft der Bund an vielen Stellen aus, wobei die Länder auf ihrer Entscheidungshoheit beharren. Bei der Föderalismusreform 2006 wurde das Kooperationsverbot für die Bildungspolitik im Grundsatz zementiert. Das soll geändert werden.

Wie ist die bisherige Lage? Seit 2006 dürfen Bund und Länder in der Hochschullandschaft nur in engen Grenzen gemeinsame Projekte finanzieren. Das gilt ausschließlich für die wissenschaftliche Forschung abseits der Hochschulen, sofern sie überregional bedeutsam ist. Dem Bund steht es also frei, Institute wie die Helmholtz-Zentren oder Max-Planck-Institute zu unterstützen.

An den Hochschulen selbst darf sich der Bund nur engagieren, wenn die Projekte, an denen er beteiligt ist, thematisch und zeitlich klar einzugrenzen sind. Schon jetzt fließen über viele Kanäle Milliarden aus dem Bundeshaushalt in die Hochschuletats der Länder. Diesem Zweck dienen etwa der Hochschulpakt, die Exzellenzinitiative und der Pakt für Forschung und Innovation.

Selbst die Vorkämpfer der Föderalismusreform haben erkannt, dass ein Kooperationsverbot nach den strikten Regeln von 2006 nicht zeitgemäß ist. Zu den ersten, die eine Korrektur gefordert haben, zählte die damalige Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU). Sie hatte zuvor als eifrige Verfechterin des föderalen Prinzips gegolten. Die SPD läuft seit Jahren Sturm gegen das Kooperationsverbot. Die große Koalition hat sich nun auf einen Kompromiss verständigt.

Was ist geplant? Der Bund will das Kooperationsverbot nicht abschaffen, aber aufweichen. Die Grundgesetzkorrektur soll eine „erweiterte Kooperation im Wissenschaftsbereich“ ermöglichen. Dies gilt aber weiterhin nur „in Fällen überregionaler Bedeutung“. Der Bund kann künftig jedoch auch einzelne Institute von Universitäten langfristig unterstützen. Damit lasse sich zum Beispiel auch das Überleben von Exotenfächern sicherstellen.

„Wir können jetzt auch strategisch verlässlich und dauerhaft zusammenarbeiten“, sagt Bundesbildungsministerin Johanna Wanka (CDU). Sie spricht von einer „qualitativ neuen Stufe“ des Bildungsföderalismus. Die Ministerpräsidenten und ihre Bildungsminister sitzen jedoch an einem langen Hebel. Alle Kooperationsprojekte, bei denen der Bund Zuschüsse leistet, müssen von sämtlichen Ländern abgesegnet werden, sofern sie die Hochschulen betreffen.

Worauf zielt die Kritik? Die geplante Grundgesetzkorrektur bedarf nicht nur im Bundestag, sondern auch im Bundesrat einer Zweidrittel-Mehrheit. In der Länderkammer kommt es vor allem darauf an, wie sich die Regierungen verhalten, an denen die Grünen beteiligt sind. Eine Stellungnahme der baden-württembergischen Wissenschaftsministerin Theresia Bauer war am Mittwoch nicht zu erlangen.

Die Grünen im Bund üben heftige Kritik an den Plänen der großen Koalition. „Die Bundesregierung verpasst die entscheidende Chance, den Irrweg Kooperationsverbot komplett zu verlassen“, bemängeln Fraktionsvize Katja Dörner und Bildungsobmann Kai Gehring. Union und SPD fehle offenbar der „Mut zu einem großen Wurf für eine Verfassungsarchitektur, die gesamtstaatliche Zusammenarbeit für bessere Bildung ermöglicht“. Die Grünen plädieren für ein Ende des Kooperationsverbots, das sei „ein längst überfälliger Schritt“.

Ähnlich argumentiert Nicole Gohlke von der Linksfraktion. „Das Kooperationsverbot muss in Gänze fallen“, fordert sie. Immerhin sei die Koalition aber „nach jahrelanger Kritik endlich bereit, einen großen Fehler teilweise zu korrigieren“. Ohne das Kooperationsverbot für den gesamten Bildungsbereich abzuschaffen, werde der erhebliche Investitionsstau nicht zu beseitigen sein. Auch aus der Koalition kommen kritische Töne. Die SPD trägt die Novelle zwar mit, sie geht ihr aber nicht weit genug. Der bildungspolitische Sprecher Ernst Dieter Rossmann betont, die Sozialdemokraten seien „ungeachtet der aktuell anstehenden Entscheidung dafür, das Kooperationsverbot umfassend abzuschaffen“.