Immer mehr Menschen wollen nichtsnutzige sportliche Höchstleistungen vollbringen. Bruno Dobelmann etwa will den Bodensee durchschwimmen. Wie zwei unerschrockene StZ-Redakteure versucht haben, den Orca zu stoppen. Eine Satire

Bodman - Immer wieder treibt es Menschen zu allerlei nichtsnutzigen sportlichen Aktivitäten oder sonstigen Höchstleistungen, die angeblich noch kein anderer vor ihnen geschafft hat. Es gibt Leute, die laufen zehn Marathons hintereinander, andere stürzen sich mit ihren Boards oder Mountainbikes die steilsten Bergspitzen hinab und wieder welche durchqueren mit ihren Rennrädern die Alpen einmal vertikal und einmal horizontal und zurück.

 

Bruno Dobelmann will als erster Mensch den Bodensee längsseits durchqueren. Schwimmend, versteht sich. 64 Kilometer nonstop von Bodman (Kreis Konstanz) bis Bregenz (Vorarlberg) mit nichts als einer Badehose und einer Bademütze an, sowie diversen Temperaturanzeigen aufgeklebt. Dienstagfrüh ist er im Strandbad Bodman gestartet. Am Mittwoch will er um die Mittagszeit in Bregenz ankommen. 28 Stunden lang nichts als schwimmen, schwimmen und nochmals schwimmen.

Eine Bodensee-Längsquerung hat so noch keiner vor ihm geschafft. Wenigstens nicht so unbekleidet. Die weniger leicht geschützte Sandra Albrecht hat dieses Kunststück zwar 2001 schon einmal in 23 Stunden und 20 Minuten fertig gebracht, doch sie hatte auch einen Neopren-Anzug an.

Wer kann Dobelmann stoppen?

Die Frage ist nun: wer oder was kann Bruno Dobelmann stoppen? Denn der 111 Kilo schwere Schwabe fürchtet, wie man weiß, weder Wind noch Wetter – und auch nicht die Anstrengung. Schon gar nicht das Wasser und sei es noch so kalt. Im Winter zieht er im Schorndorfer Freibad manchmal seine Bahnen – bei einer Wassertemperatur von nur einem Grad. Und auch zu dieser Gelegenheit lediglich mit einer Badehose bekleidet, versteht sich. Im Juli vergangenen Jahres durchquerte er den Fehmarnbelt von Deutschland nach Dänemark. Und weil’s so schön war, schwamm er auch gleich wieder zurück. 19 Stunden und 16 Minuten lang. Dobelmann nennt sich „Orca“ – nach dem schwarz-weißen Schwertwal, der eigentlich eine Delfinart ist und Fleisch frisst. Walfänger nennen ihn auch Killer- oder Mörderwal wegen seiner eigenwilligen Jagdmethoden.

Dobelmann ist es, der seine Gegner wählt. Bei der abschließenden Pressekonferenz im Strandbad Bodman fällt sein abschätziger Blick auf einen aufdringlich fragenden Schreiberling. Dem bietet er an, er könne ja mitschwimmen, wenn er sich das zutraue. Der Zeilenschinder schlägt zu Dobelmanns Überraschung ein. Jener hatte vernommen, zu welchem Ergebnis die ergonomische Untersuchung der ETH Zürich bei Dobelmann gekommen war: der sei „total unsportlich“. Ein Resultat, „wie wenn ich täglich nur auf dem Sofa liegen, literweise Cola saufen und Chips fressen würde“, habe er realisiert, jammerte Dobelmann. Dabei war er früher mal Rad gefahren, 10.000 Kilometer im Jahr, insgesamt bestimmt so 100.000 Kilometer, behauptet er jedenfalls. Ebenso sei er Marathon gelaufen. Sieben Stück, Bestzeit 5:10 Stunden. Sowie zehn Halbmarathons. Sagt er jedenfalls.

Die Welle und der Tümmler sind bereit

Der aufmerksam zuhörende Griffelspitzer hat sich in der Szenerie des Couch-Potato bestens wieder gefunden. Zumal er mit seinem fast dreistelligen Kampfgewicht dem Orca bedrohlich nahe kommt. Da reift eine Idee in ihm. Wer, wenn nicht er, also der mit dem Autorenkürzel „wom“, die „Welle“, könnte diesen wahnsinnigen Dobelmann stoppen? Doch halt, es gibt noch einen, der ihm dabei helfen könnte. Es ist der Redakteur mit dem Kürzel „art“, der Tümmler, aus dem schwäbischen Wald. Auch er durchpflügt sommers wie winters die Fluten der Flüsse, Seen und Schwimmbäder auf der Suche nach... Ja, nach was eigentlich? Keiner weiß es.

Schnell sind wom und art Feuer Flamme von der Idee, Dobelmann bei der Bodensee-Durchquerung Konkurrenz zu machen. Bruno Dobelmann, so wird sogleich hart recherchiert, will am morgen früh um 7 Uhr starten. Oder auch schon um fünf, oder um sechs. Keiner weiß das so genau. Auch nicht sein Manager Oliver. „Wir müssen mal schauen“, sagt er . Vor allem nach dem Wetter. Wenn die beiden Herren Journalisten also um 7 Uhr da sein könnten, da würden sie jedenfalls nichts falsch machen.

Erst mal einen Cappuccino und eine Latte Macchiato

Als die Welle und der Tümmler gegen 10 Uhr am Strandbad auftauchen, ist der Orca zu ihrer Überraschung schon in See gestochen. Der Start war um 8,37 Uhr. Die Schreiber genehmigen sich erst mal einen Cappuccino und einen Latte Macchiato. Einholen, so die kühle Prognose, könne nun schwer werden. Also wird ein Boot gechartert. Skipper Pedro taucht gegen elf Uhr auf. Und schon kann es losgehen. Das 110 Jahre alte Seenot-Rettungsboot, das sie zum Schauplatz des Geschehens bringen soll, scheint eine gute Wahl zu sein. Mit zwölf PS tuckert es dem Orca gemütlich hinterher. Um 11.44 Uhr kommt der Extremschwimmer in Sicht. Er wird eskortiert von einer Begleitflotte, einer Yacht mit persönlichem Manager, persönlichem Arzt und persönlicher Assistentin. Daneben schaukelt ein zweites Schiff mit einem TV-Team des Südwestrundfunks.

Es wird also ernst. Nun gilt es den Kampfschwimmer aufzumischen. Rein in die Neopren-Anzüge. Denn das, was den Orca bei dem ersten Versuch seines sinnlosen Vorhabens passiert ist, dass soll ihnen erspart bleiben. Dobelmann hatte die Bodensee-Querung vom 20. auf den 21. Mai schon einmal probiert. Dann musste er aufgeben, weil in dem 13 Grad kalten Wasser seine Blase eingefroren war. Das Wasser, das er bei den nächtlichen Unwettern durch den hohen Wellengang geschluckt hatte, konnte er nicht mehr lassen „Das waren brutale Schmerzen“, so Dobelmann.

Der Orca stoppt!

Elegant springen art und dann wom, leider eine Spur weniger elegant, in das grün-blaue Bodensee-Wasser. Die Sonne lacht dazu, der Himmel strahlt. Schnell haben sie ihr Zielobjekt erreicht. Der Orca winkt, in Verkennung der wahren Absicht der beiden Störenfriede, art – den Tümmler – und wom – die Welle – erfreut heran. Einträchtig kraulen sie nun in Dreierformation dahin.

Schon bald aber stoppt der Orca. Der teuflische Plan scheint aufzugehen. Er ist aus dem Rhythmus geraten! Wird er endlich von seinem Ansinnen ablassen und aufgeben? Der Tümmler stürmt voran, die Welle kurz dahinter folgt, der Orca bleibt zurück. Das Werk ist vollbracht. Oder doch nicht? „Die machen mich ganz verrückt“, schreit der Orca seine Begleiter an. „Tut doch was!“ Bei soviel Gewaltbereitschaft müssen art und wom kleinbeidrehen. Sie verdrücken sich auf die andere Seite des Schiffes und sind froh, dass wenigstens das Fernsehen noch Notiz von ihnen nimmt.

Nach einer Stunde ist der Spuk vorbei. Die Welle kann, der Tümmler darf nicht mehr. Pedro nimmt die Gestrandeten gnädig wieder in das Seenot-Rettungsboot auf, was für die Welle eine gehörige Anstrengung bedeutet, da sie es kaum schafft, sich mit Hilfe der Badeleiter an Bord zu ziehen. Nach einem ausgiebigen mehrstündigen Mittagsmahl an Land treten die beiden kühnen Herausforderer den mehr oder weniger geordneten Rückzug an. Auf der Höhe von Konstanz-Wallhausen begegnet ihnen wieder der gefürchtete Orca – unbezwungen und stärker als je zuvor.

Es ist schon später Nachmittag, als dem Himmel graut. Das Gewitter hat alle von hinten überrascht. Nicht aber den Orca und seine unerschrockene Mannschaft. Während die geschlagenen Kontrahenten verschreckt unter Deck der Heimkehr entgegenbibbern, ist der See endlich frei gefegt von lästig kreuzenden Segel- und Motorbooten. Deren Eigner haben längst verängstigt die Häfen angelaufen. Nur einer stemmt sich gegen den Strom. Es ist der Orca. Von Blitzen umzuckt strebt er unerbittlich seinem Ziel entgegen.