Beim SV Werder Bremen, der am Sonntag beim VfB Stuttgart gastiert, ist vom Optimismus rund um den Trainer Viktor Skripnik nichts mehr übrig geblieben. Denn er hat sich angreifbar gemacht – mit ständig wechselnden Ausrichtungen.

Bremen - Eines ist dem SV Werder Bremen trotz all der Krisensymptome nicht abzusprechen: sein professionelles äußeres Erscheinungsbild. Die Homepage der Grün-Weißen gehört auf jeden Fall zu den am sorgsam gepflegtesten der Branche, und wie es sich für die Weihnachtszeit gehört, wird den Anhängern auch ein elektronischer Adventskalender angeboten. Am Donnerstag beispielsweise grüßte Fin Bartels in einer Videobotschaft, überdies stellt der Offensivmann die Frage, welche Ex-Werderaner beim FC Arsenal unter Vertrag stehen. Per Mertesacker und Mesut Özil? Oder Diego und Marko Marin?

 

Nur zur Erinnerung: Es ist nicht allzu lange her, da standen solche Spieler im Weserstadion wirklich auf dem Platz. Wer die Antwort weiß, kann eine Fotoposter mit Werder-Raute gewinnen. Drei mal drei Meter. Fragt sich nur, wer damit gerade seine Wände tapezieren möchte? Denn die Zeiten als Aushängeschild waren gestern. Heute ist der einst stolze Sportverein ein Sorgenkind der Liga. Zum vierten Mal in Folge vermeldeten die Hanseaten kürzlich ein kräftiges Minus– der neueste Fehlbetrag beträgt 5,9 Millionen, womit das Eigenkapital auf einen Restbetrag von zwei Millionen zusammengeschmolzen ist. Und wenn die wirtschaftliche Konsolidierung zu Lasten der sportlichen Wettbewerbsfähigkeit geht, wird es gefährlich.

Leidglich sechs Punkte aus den vergangenen zehn Partien

In den vergangenen zehn Spielen haben die Norddeutschen nur sechs Punkte geholt – kein Club ist schlechter. Platz 15 könnte noch nicht das Ende der Talfahrt sein, wenn auch am Sonntag beim VfB Stuttgart nichts herausspringt. Geschäftsführer Thomas Eichin hat bereits nach dem Nordderby gegen den Hamburger SV (1:3) verlauten lassen, dass auch dann keine Diskussion um Trainer Viktor Skripnik geführt werde. Doch das ist nur ein Teil der Wahrheit. Zur Winterpause werde Bilanz gezogen, so hat es Eichin angekündigt.

Was heißt: Skripnik genießt bis dahin nur eine Schonfrist. Denn auch der 46-Jährige hat sich angreifbar gemacht – mit ständig wechselnden Ausrichtungen. „Mann voller Sorgen – Viktor Skripnik macht in der Krise Fehler, aber für Werders Kernprobleme kann er nichts“, stellt der „Weser-Kurier“ fest. Der gebürtige Ukrainer, der im Oktober vergangenen Jahres den heutigen VfB-Sportdirektor Robin Dutt ersetzte, hält sich aus allen Grundsatzdebatten raus. Seine Botschaft: „Wir bleiben sachlich, wir arbeiten akribisch weiter, wir halten zusammen.“

Tatsächlich proben alle irgendwie noch den Schulterschluss, sonst hätten sich nicht Aufsichtsratschef Marco Bode und Ehrenpräsident Klaus-Dieter Fischer mit einem flammenden Plädoyer für Skripnik eingeschaltet. Beide wissen, dass Manager und Trainer nicht immer auf einer Wellenlänge funken. Etwa beim Thema Verstärkungen. „Ich bin überzeugt, es bewegt sich was in diese Richtung“, so Skripnik nach dem HSV-Spiel, wohl wissend, dass im vergangenen Winter mit der Verpflichtung von Jannick Vestergaard (Hoffenheim) ein Schnäppchen gelungen war.

Für Eichin ist der VfB „ein machbarer Gegner“

2,5 Millionen Euro Ablöse sind trotzdem in diesem Winter kaum mehr drin, weshalb Eichin entgegnete: „Wir haben keine Möglichkeiten. Ich heiße ja nicht Merlin Eichin.“ Der 49-Jährige appelliert lieber daran, aus dem Dreierpack Stuttgart-Köln-Frankfurt, von Skripnik als „machbare Gegner“ ausgemacht, möglichst viele Punkte zu holen. Fehler im gesamten Konstrukt sieht der ehemalige Eishockey-Manager. Er hat die Qualität des Kaders offenkundig überschätzt. Von den vielen eigenen Nachwuchskräften scheint dauerhaft allein der 21 Jahre alte Österreicher Florian Grillitsch wirklich eine Hilfe zu sein. Der Torwart Felix Wiedwald empfiehlt, zuerst im Kollektiv „zu kämpfen, kratzen und beißen.“

Eklatant sind die Formschwankungen: Abwehrchef Vestergaard leistet sich zu viele Aussetzer, Mittelfeldabräumer Philipp Bargfrede läuft oft nur hinterher, Schlüsselspieler Zlatko Junuzovic steht neben den Schuhen – seine Standards sind fast ein Ärgernis geworden. In der Vorsaison waren sie Bremens Schlüssel zum Erfolg.

Nach einem Jahr unter Skripnik hat sich Werder wieder zurückentwickelt. Sein Team sollte am besten auf jene 17 Punkte kommen, mit denen im Vorjahr der Startschuss zu einer Aufholjagd in der Rückrunde erfolgte. Ansonsten könnte es im schlimmsten Fall dazu kommen, dass ein anderer das alljährliche Trainingslager im türkischen Belek leitet.