Den VfB Stuttgart käme der Absturz in die zweite Bundesliga teuer zu stehen. Die Einnahmen würden einbrechen, ebenso wie die Erlöse aus Sponsoring und Vermarktung. Außerdem gibt es in der zweiten Liga nur noch maximal die Hälfte der Fernsehgelder.

Stuttgart - „Geschafft! Der VfB bleibt erstklassig“, jubeln Rainer Mutschler und Jochen Röttgermann, die Verantwortlichen der Marketing-Abteilung des Clubs, in der neuesten Ausgabe von „Business Aktuell“. Der Blick aufs Datum zeigt allerdings, dass sie die Sponsoren mit dem Newsletter über den Nichtabstieg in der vergangenen Saison informiert haben. Seitdem verzichten die Werber des Bundesligisten auf die Aktualität ihrer Internetseite.

 

Die Ergebnisse in den vergangenen Wochen und der beispiellose Absturz der Elf von Jürgen Kramny sind dennoch nicht unbemerkt geblieben und schon gar nicht spurlos an den Geldgebern im privaten und öffentlichen Bereich vorbeigegangen. Für viele Vertreter der Wirtschaft und des Tourismus wäre ein Abstieg ein mit hohen Verlusten verbundener Albtraum. Martin Rau, städtischer Vertreter in der Stadiongesellschaft und ausgewiesener „Roter“, fühlt sich seit Wochen im falschen Film. Er hatte sich gefreut, endlich einmal zum Saisonende nicht bei den Vertragsbanken vorstellig werden zu müssen – und jetzt das. „Ich bin wirklich fassungslos“, sagte Rau. Aus Aberglauben hatte er davon abgesehen, schon vor dem Schicksalspiel gegen Mainz die Unterlagen für den Worst Case aus dem Regal zu holen.

Die Stadt Stuttgart ist bereits vorbereitet auf den Ernstfall

Die Stadt Stuttgart befindet sich bereits in abwartender Haltung. „Bis jetzt ist der VfB noch nicht auf uns zugekommen“, bemerkte Finanzbürgermeister Michael Föll (CDU) vor der 1:3 verloren gegangenen Partie. Er rechne aber fest damit, dass der Club im Ernstfall vorstellig werde und um finanziellen Beistand bitte, damit der sofortige Wiederaufstieg in Angriff genommen werden könne.

Es geht konkret um die Zahlungen des Vereins an die städtische Stadion KG, die bekanntlich den Umbau in eine reine Fußballarena stemmte. Dafür erhielt sie zwar vom VfB Stuttgart 27 Millionen Euro (davon bezahlte Daimler 20 Millionen Euro für das Namensrecht), sie nahm aber auch Kredite von 66 Millionen Euro auf, die in den nächsten 30 Jahren vom Hauptmieter VfB Stuttgart über die Pacht getilgt werden müssen. Das Modell „Finanzierung des Stadionumbaus und Steigerung der Erlöspotenziale für den VfB“ erscheint so schlüssig, dass es nun auch die Aufsteiger aus Freiburg übernehmen – auch weil sich das Risiko für den Steuerzahler mit jeder Tilgungsleistung reduziert und im Stuttgarter Modell nur 58 Prozent der Pachtzahlungen für den Kapitaldienst aufgewendet werden müssen. Die Stadion KG ist im Normalfall „flüssig“.

Die zweite Liga zieht weniger Fans an – es kommt weniger Geld für Tickets in die Kasse

Eine langfristig abgesicherte Zahlung der Pacht“ stehe aber dennoch „in direktem Zusammenhang mit dem sportlichen Erfolg des VfB“, so wurde es im städtischen Beteiligungsbericht vorsichtshalber vermerkt. Dass der Stuttgarter Steuerzahler nicht mehr für die Refinanzierung, für Reparaturen und womöglich auch für den Betrieb aufkommen müsste, war einst für die Stadt das stärkste Argument dafür, der Gründung der Stadion KG zuzustimmen und dem Bundesligisten den Betrieb und die Vermarktung zu überlassen.

Jetzt droht die erste Belastungsprobe für das Modell, denn auch bei sportlichem Misserfolg beläuft sich die Grundpacht laut Vertrag auf 5,3 Millionen Euro jährlich. Hinzu kommt eine variable Pacht von 7,5 Prozent der Nettoticketeinnahmen (bisher beliefen sich diese auf 1,3 Millionen Euro) – ein jährliches Entgelt, das der VfB als Gegenleistung für das alleinige Vermarktungsrecht aufbringen muss. Und schließlich wird fürs Grundstück ein sogenannter Erbbauzins von rund 900.000 Euro fällig.

Während diese Zahlungen in der ersten Liga leicht zu bewerkstelligen sind, weil der Verein durch das neue Stadion deutlich höhere Erlöse erzielen kann, dürfte er in der zweiten Liga dazu kaum in der Lage sein, denn die zweite Liga zieht deutlich weniger Fans an. Außerdem sind die Ticketpreise um etwa ein Drittel geringer. Die kalkulierten Einnahmen pro Spiel von rund einer Million Euro könnten bei mäßigen Leistungen des Clubs auf 350 000 Euro sinken. Nicht vergessen werden darf, dass der VfB auch noch für zehn Millionen Euro ein Leistungszentrum errichtet hat.

Auch private Sponsoren müssen nun abwägen

Den Erbbauzins müsse der Verein leisten, betonte Bürgermeister Föll. Die Stadiongesellschaft kann aber organisieren, dass die Tilgung von 3,3 Millionen Euro jährlich vorerst ausgesetzt wird; die Zinskosten von 800 000 Euro pro Jahr bleiben, die Kreditlaufzeit verlängert sich entsprechend. Die Stadion KG braucht auch in der zweiten Liga Mittel für die Verwaltung und größere Reparaturen. Die erste große Investition wird ein Jahr früher als ursprünglich 2018 geplant fällig. Wegen Problemen mit Schnee und Wind müsse das 1992 eingebaute Dach aus 34 200 Quadratmetern mit PVC beschichtetem Polyestergewebe ersetzt werden, erklärt Föll. Dafür müsse die Stadion KG sieben Millionen Euro aufwenden – teilweise fremdfinanziert.

Aber nicht nur die Stadt, sondern auch so mancher private Förderer muss nun abwägen, ob er einer bleibt: Hängt sein Herz so stark an einem demnächst höchstwahrscheinlich in der zweiten Bundesliga spielenden Verein, dass er zumindest für ein weiteres Jahr bereit wäre, im Spiel zu bleiben, wenngleich zu günstigeren Konditionen? Und dies vor dem Hintergrund verschärfter Compliance-Vorschriften: Demnach wird es für Unternehmen schwierig, über die ganze Saison Partner zu finden, die eine Einladung im dreistelligen Eurobereich annehmen dürfen und damit erst die steuerliche Anrechnung der Mietkosten für den Gastgeber als Betriebsausgabe rechtfertigen. Gegen unattraktive Gegner aus der fußballerischen Provinz dürfte es noch schwerer werden, Gäste zu finden.

In der zweiten Liga gibt es nur noch maximal die Hälfte der Fernsehgelder

Weitere Millionenleinbußen würden sich in der zweiten Liga auftun. Da der VfB nicht das erste Mal vom Abstieg bedroht ist, weiß man, dass er mit einem Schwund der Erlöse aus Sponsoring und Vermarktung von Logen und Business-Sitzen im zweistelligen Millionenbereich rechnet. Bis jetzt wird mit 35 Millionen Euro kalkuliert.

Noch dramatischer wird der Einbruch bei den auf die erste und zweite Liga verteilten Fernsehgeldern. Hier durfte der VfB trotz seines schlechten Tabellenplatzes immerhin noch mit knapp 30 Millionen Euro kalkulieren. In Liga zwei könnte der VfB mit maximal der Hälfte dieser Summe rechnen, ein Mittelfeldplatz bringt gerade einmal sieben Millionen Euro. Bei einer Halbierung der Einnahmen dürfte der VfB um drastische Sparmaßnahmen, etwa in der Verwaltung, nicht umhinkommen. Der auf etwa 40 Millionen Euro Lohnsumme taxierte Spielerkader muss ebenfalls deutlich günstiger werden. Gleichzeitig soll der Club aber den sofortigen Wiederaufstieg stemmen. Wenn es nicht klappt? Wenigstens die Stadion KG hat noch genügend Mittel, um zwei Runden im Unterhaus zu überstehen.

Übersicht über die Einnahmen und Ausgaben des VfB Stuttgart

Stadionumbau: Der VfB hat viele Jahre lang versucht, einen Umbau des damaligen Gottlieb-Daimler-Stadions mit Leichtathletik-Laufbahn in eine reine Fußballarena zu stemmen. Doch es fehlten dem Verein die finanziellen Mittel, und die Stadt war nicht bereit, die Immobilie unter Wert zu verkaufen. Der Umbau der Haupttribüne zur WM 2006 wurde mithilfe des Vereins vollzogen, der infolge der Kirch-Pleite die Stadt 2001 um Stundung bitten musste. Die Restschulden flossen dann in die Arena-Kalkulation mit ein. 2008 entschied sich die Stadt dann auch deshalb zum Umbau, weil sie bis dahin jährlich 2,6 Millionen Euro in den Betrieb des Stadions zuschießen musste. Der Umbau erfolgte zwischen 2009 und 2011.

Kennzahlen: Im Geschäftsjahr 2014 verzeichnete der VfB folgende größere Ausgaben: 23,8 Millionen Euro für den Spielbetrieb; 42,1 Millionen Euro Personalaufwand für Lizenzspieler; 14,9 Millionen Euro für sonstigen Personalaufwand; 6,4 Millionen Euro Werbeaufwand. Im Jahr 2014 standen Gesamtausgaben von 106,8 Millionen Euro Gesamteinnahmen von 107,7 Millionen Euro gegenüber. Damals resultierten 32,5 Millionen Euro aus TV-Erlösen und 20,4 Millionen Euro aus Sponsoring.

TV-Einnahmen: In der kommenden Saison werden 850 Millionen Euro auf die Vereine der ersten und zweiten Liga verteilt, und zwar im Verhältnis 80 zu 20. Grundlage für die Verteilung sind die Abschlusstabellen der vergangenen vier Spielzeiten sowie die aktuelle Saison, womit eine größere Planbarkeit für die Clubs hergestellt wird. Für die Clubs der zweiten Liga stehen 170 Millionen Euro zur Verteilung an. Der Rangerste erhält fix 10,35 Millionen (plus Bonus), der Zehnte 7,3 Millionen und der Letzte noch 4,6 Millionen Euro. Zum Vergleich: das Schlusslicht der ersten Liga erhält 19,94 Millionen Euro – und die Bayern rund 40 Millionen Euro. (jon)