Der VfB Stuttgart kann sich an diesem Samstag (15.30 Uhr) mit einem Sieg gegen 1899 Hoffenheim den Europapokal-Rängen weiter nähern. Doch eigentlich strebt der Fußball-Bundesligist dieses Ziel gar nicht an.

Sport: Carlos Ubina (cu)

Stuttgart - Sie verdrehen allesamt die Augen. Holger Badstuber tut es ganz ungeniert. Ron-Robert Zieler etwas zurückhaltender, aber auch die Mimik von Christian Gentner und Mario Gomez lässt erkennen, dass man ihnen mit den möglichen Europapokal-Ambitionen des VfB Stuttgart nicht zu kommen braucht. Nicht vor dem Spiel gegen 1899 Hoffenheim an diesem Samstag und vermutlich auch nicht danach.

 

Am liebsten würden die Spieler wie auch der Trainer Tayfun Korkut gar nicht über dieses zwiespältige Thema reden, dass so plötzlich gekommen ist wie der Erfolg. Vor Kurzem noch Abstiegskandidat und jetzt schon Europacup-Anwärter – so schnell geht das in der Fußball-Bundesliga. Dabei ist es keineswegs so, dass die Chance, es in das internationale Geschäft zu schaffen, den Führungskräften im Team nicht schmeichelt. Es ist mit das Ergebnis ihrer Arbeit, und sie wissen ja, wie reizvoll es ist, unter Flutlicht mitten in der Woche dem Ball nachzujagen.

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Allesamt haben sie schon in der Champions League gespielt, und Badstuber hegt seinen Anspruch, wieder in der Königsklasse aufzulaufen. Mit der kleinen Schwester braucht man dem Abwehrrecken jedoch nicht zu kommen, wenn es um Argumente für eine Vertragsverlängerung beim VfB geht, denn die Europa League lockt Badstuber nicht. Sie verspricht einfach zu wenig sportlichen Kitzel. Dennoch muss sich der Verein für Bewegungsspiele mit der Frage beschäftigen, wie er mit der Lust und Last eines Doppellebens zwischen Liga und League umgeht.

VfB-Manager Reschke will achten Platz nicht überbewerten

„Wir dürfen jetzt einen Fehler nicht begehen“, sagt der Manager Michael Reschke, „wir dürfen diesen aktuell achten Tabellenplatz nicht überbewerten.“ Er ist das Resultat eines auf Stabilität ausgerichteten Ergebnisfußballs à la Korkut und nicht die Folge einer großen spielerischen Entwicklung. Diese vollzieht sich nur langsam. „Da brauchen wir nicht drum herumreden. Bayer Leverkusen hatte eine deutlich bessere Spielanlage als wir“, sagt Badstuber.

Gewonnen haben jedoch die Stuttgarter. Und gelingt ihnen ein weiterer Sieg gegen den nächsten Tabellenvierten aus Hoffenheim, dann dürfte das vor dem letzten Saisonauftritt in München in einer Woche ein gut schwäbisches Hypele im Umfeld der Mannschaft auslösen. Man stelle sich vor: Der in der jüngeren Vergangenheit häufig gebeutelte VfB fährt zum großen FC Bayern und hat noch die Möglichkeit, sein Fußballwerk nach dem Aufstieg zu veredeln. Denn holt der Rekordmeister dann am 19. Mai in Berlin den DFB-Pokal im Finale gegen Eintracht Frankfurt, reicht dem VfB der siebte Platz für Europa.

Ein Traum für die Fans, Reschke will jedoch weiter seinen Realitätssinn walten lassen. „Die Mannschaft musste für jeden Punkt, den sie verbucht hat, an die Grenze gehen“, sagt der Sportchef. Manchmal benötigte sie auch noch etwas Glück dazu. „Es mag zwar ungewöhnlich klingen, aber unsere fußballerisch beste Leistung haben wir zuletzt in der ersten Hälfte in Dortmund gebracht“, sagt Reschke. Die Stuttgarter attackierten früh, kombinierten gut und dominierten so die heimische Borussia. Nur: Die Begegnung ging 0:3 verloren.

Der Kader wird weiter optimiert

Es war bisher die einzige Niederlage in den zwölf Partien unter Korkut und dennoch ein Fingerzeig in die Zukunft. Der VfB will sich spielerisch verbessern, und Reschke ist dabei, den Kader entsprechend auszurichten. Ein paar „schlaue Entscheidungen“ kündigt er an. Allerdings sieht Reschke diese nahezu unbeeinflusst von einer möglichen Europa-Tournee in der nächsten Runde. Der 60-Jährige hält es für eine Mär, dass die Doppelbelastung aus Liga-Alltag und internationalen Partien die Clubs dazu zwingt, ihr Personal deutlich aufzustocken. Dazu hat der Manager Einsatzstatistiken der Europapokal-Teilnehmer ausgewertet. Seine Rechnung: Man braucht lediglich einen Kernkader von 20 Profis plus ein paar Optionen – so oder so.

Das wäre also zu machen, zumal der VfB erstmals seit Jahren wieder früh Planungssicherheit hat. Dennoch ist man beim VfB bemüht, die Erwartungen nicht hoch schießen zu lassen. Mit jedem Sieg wird das jedoch schwieriger, da sich neue Saisonziele gerne aus alten Tabellenplätzen ableiten. Also angenommen, der VfB bliebe Achter – müsste er sich dann nicht eine bessere Platzierung vornehmen? Vor allem wenn es die Vision des Vereins ist, wieder in die Spitzengruppe vorzudringen und dazu auch Geld zur Verfügung steht.

Im Grunde ja, aber zunächst geht es den Stuttgartern darum, sich in der Liga zu etablieren. Das andere Vorhaben braucht Zeit. Schließlich arbeiten sie beim VfB daran, eine Europa-League-Qualifikation nicht als Ausrutscher nach oben erklären zu müssen, sondern als Teil eines nachhaltigen Erfolgskonzepts.