Vor allem Disziplin wird nötig sein, sagt Huub Stevens, um den VfB Stuttgart vor dem Abstieg in die zweite Liga zu retten. Das ist die Mission, die Stevens in den kommenden Wochen erfüllen will. Und jeder im Verein soll etwas dazu beitragen.

Stuttgart - Die neue Zeitrechnung beim VfB Stuttgart beginnt mit einem Knall. Krachend fällt einer der vielen Kameramänner von dem Tisch, auf dem er im überfüllten Presseraum der Mercedes-Benz-Arena die bestmögliche Perspektive zu finden versuchte. Nicht einmal bei der feierlichen Präsentation der Trainerlegende Giovanni Trapattoni („Habemus Mister“) ist das öffentliche Interesse so groß gewesen wie jetzt, als Huub Stevens gut gelaunt seinen Dienst antritt: „Ich hätte nicht erwartet, dass hier so viel los ist.“

 

Exakt 13 Uhr ist es, als der 60 Jahre alte Niederländer im schwarzen Trainingsanzug zur Tür hereinkommt. Er ist auf die Minute pünktlich – ganz so wie es sich gehört für einen Fußballlehrer, dem der Ruf vorauseilt, ein Mann der Disziplin zu sein. Disziplin, sagt er, werde auch nötig sein, um den VfB vor dem Abstieg in die zweite Liga zu retten. Das ist seine Mission, der Stevens mit vielfältiger Unterstützung in den nächsten Monaten alles unterordnen will. „Von der Putzfrau bis zum Analysten sind alle gefragt und müssen etwas beitragen.“

Bis vor einer Woche war Stevens noch Trainer von Paok Saloniki. Auf Platz zwei liegend wurde er entlassen, dann kam der Anruf des VfB-Managers Fredi Bobic – und Stevens musste nicht lange überlegen. „Kurz und knackig“ seien die Gespräche gewesen, berichtet Bobic, der nun „sehr glücklich“ ist, dass sein früherer Trainer in Berlin „den Kampf annimmt“. Ein „Abenteuer“ sei die Zeit in Griechenland gewesen, sagt Stevens, ein Abenteuer erwarte ihn nun auch in Stuttgart: „Ich weiß, dass es eine große Herausforderung ist. Der stelle ich mich. Es ist eine Minute vor Zwölf, und es gibt keine Zeit zu verlieren.“

Einzelgespräche sollen helfen

Nach seiner Ankunft in Stuttgart am Abend zuvor hat sich Stevens im Hotel mit seinem Vorgänger Thomas Schneider über das Team unterhalten, eineinhalb Stunden nach seiner Vorstellung steht er erstmals auf dem Trainingsplatz. Er wolle in den nächsten Tagen „viele Einzelgespräche“ mit den Spielern führen, er will herausfinden, warum die Mannschaft zuletzt so häufig kurz vor Schluss verloren hat. „Ich werde versuchen, eine Organisation herzustellen, in der sich die jungen Spieler wohlfühlen. Das Glück kann man sich erarbeiten.“

Stevens, der einst den Satz „Die Null muss stehen“ zu seinem obersten Gebot gemacht hat, will beim VfB nicht alles neu erfinden. „Super“ findet er die Philosophie des VfB, auf den eigenen Nachwuchs zu setzen und offensiv nach vorne zu spielen. Sie bleibe auch weiterhin bestehen – es würden nur vorübergehend „andere Prioritäten“ gesetzt. Grundsätzlich aber seien ihm 18-jährige Spieler lieber als 35-jährige, „denn mit 18 hat man die Zukunft noch vor sich“. Als Assistenten bringt er seinen Landsmann Ton Lokhoff (54) mit; zudem wird ihm Armin Reutershahn (54) zur Seite gestellt, der frühere Co-Trainer von Michael Wiesinger beim 1. FC Nürnberg.

Bis zum Saisonende läuft Stevens’ Vertrag, so ist es vereinbart. Und daran wollte die Clubführung zunächst nicht rütteln. Doch schon gestern hörte es sich so an, als sei es keineswegs eine ausgemachte Sache, dass der Abenteurer gleich weiterziehen müsse. „Selbstverständlich“ sei es, sagt der Präsident Bernd Wahler, der die Eingangserklärung seinem Vorstandskollegen Bobic überlassen hat, dass man sich im Falle des Klassenverbleibs „unterhalten“ werde.

Wahler hält am Aufbau der Jugend fest

Schließlich, so Wahler, sei Stevens nicht nur als Feuerwehrmann bekannt, sondern auch dafür, „dass er junge Spieler aufbauen kann“. Mit anderen Worten: sollte der neue Trainer den VfB in der Bundesliga halten, dann darf er darauf hoffen, in Stuttgart weiterarbeiten zu können – und zu versuchen, das kühne Vorhaben des Präsidenten Richtung Ziel zu führen. „In drei bis fünf Jahren“, daran hält Wahler auch nach seiner zweiten Trainerentlassung innerhalb einer Saison tapfer fest, soll der VfB wieder in der Champions League spielen.

Vorerst aber geht es allein um den Klassenverbleib – und der VfB hat sein Schicksal in die Hände von Huub Stevens gelegt, der altersmilde geworden zu sein scheint. „Ich bin der harte Hund, der knorrige“, sagt der Niederländer. Und lacht herzhaft.