Bei der vierten Armutskonferenz der Stadt und der Liga der Wohlfahrtspflege haben sich rund 400 Teilnehmerinnen und Teilnehmer Gedanken gemacht, wie die Lage von Bedürftigen verbessert werden kann. Einige konkrete Vorschläge sind dabei herausgekommen.

Lokales: Mathias Bury (ury)

Stuttgart ist eine reiche Stadt. Dennoch waren hier im vergangenen Jahr acht Prozent der Einwohner auf Bürgergeld angewiesen, das sind immerhin fast 40 000 Menschen. Und angesichts der aktuellen Krise mit einer hohen Inflation stellt Sozialbürgermeisterin Alexandra Sußmann fest: „Diese Zahl wächst.“ Was also tun?

 

Mit dieser Frage befassten sich am Dienstag rund 400 Personen – Experten, Politiker und Betroffene – im Rathaus bei der vierten Armutskonferenz der Stadt. Auch wenn vieles von der Bundessozialpolitik abhängt: „Auf der lokalen Ebene, in den Kommunen muss sehr viel passieren“, betonte Dorothee Spannagel vom Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Institut der Hans-Böckler-Stiftung in ihrem Referat. Dabei gehe es nicht nur um Geld, sondern „um die Möglichkeit von Teilhabe in allen Bereichen“.

In sechs Diskussionsforen zu den Themen Wohnen, Teilhabe, Kinderarmut, Arbeit, Gesundheit und Ernährung debattierten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer über konkrete Handlungsstrategien.

Dass Armut mit einem hohen Gesundheitsrisiko verbunden ist und das Leben der Betroffenen verkürzt, ist bekannt. Um hier eine Verbesserung zu erreichen, befasste sich das Forum Gesundheit mit der Frage, wie man die Lage von Menschen ohne Versicherungsschutz verbessern kann. In Stuttgart wissen man „von etwa 600 Patienten ohne Versicherungsschutz“, sagte der Gesundheitsamtsleiter Stefan Ehehalt, der am Forum teilnahm. Bei etwa 1500 Personen, die zwar versichert seien, ruhten wegen „Zahlungssäumigkeit“ die Leistungen. „Und das ist nur die Spitze es Eisbergs“, so Gesundheitsplanerin Annette Faust-Mackensen.

Ein Clearingstelle nach Münchner Vorbild

Hier schlägt man dem Gemeinderat vor, nach dem Vorbild Münchens für diese Gruppe eine „Clearingstelle“ einzurichten, die sich dieses konkreten Problems annimmt. Dort sei es gelungen, mehr als 55 Prozent der Menschen, die man mit der Beratung erreichte, „wieder in die Krankenversicherung zu reintegrieren“, erklärte Stefan Ehehalt.

Doch wie werden die Betroffenen auf Beratungsangebote und das Anrecht auf Leistungen überhaupt aufmerksam? „Viele Angebot sind zu wenig bekannt“, machte Catrin Hanke vom Sozialamt den Diskussionsstand im Forum Teilhabe deutlich. Die Informationsangebote für diese Gruppe müssten „sehr viel niederschwelliger“ werden. Hier brauche es „mehr Hilfestellung“. Und wo Betroffene ihre Rechte kennen, sei die Beantragung von Leistungen „oft sehr kompliziert“. Angefangen bei schwierigen Formularen. Als wachsendes Problem erweise sich die Digitalisierung. Gerade ältere Menschen, bei denen die Armut seit Jahren steigt, aber auch andere Gruppen hätten weder Zugänge noch Geräte für die digitale Kommunikation mit den Ämtern. Auch hier brauche es mehr konkrete Hilfen, erklärte Catrin Hanke für das Forum Teilhabe.

Mehr sozialer Wohnungsbau sei gefordert

Für das Forum Wohnen verwies Michael Knecht zuallererst auf die seit Jahren vorgebrachte Forderung, der soziale Wohnungsbau müsse dringend forciert werden, damit sich auch ärmere Menschen angesichts stark gewachsener Mietpreise eine Wohnung leisten könnten. Und es brauche weitere „Anreize für Vermieter“, dass diese an Bedürftige vermieten, sagte der Geschäftsführer der Ambulanten Hilfe, eines Trägers der Wohnungsnotfallhilfe. An die Adresse der in Stuttgart ansässigen Wohnungsbaugesellschaften ging die Forderung, wie die städtische SWSG für diese Gruppe jedes Jahre ein gewisses Kontingent an Mietwohnungen zur Verfügung zu stellen. Mit der SWSG, die pro Jahr 20 Wohnungen anbiete, sei dies „eine Erfolgsgeschichte“, betonte Michael Knecht.

Im Forum Gesundes und nachhaltiges Essen ging es um „gute Rahmenbedingungen“ für mehr Angebote beim „Fairteilen“ von geretteten Lebensmitteln. Man brauche dafür weitere Stationen, gab Daniela Neumann von der Strategische Sozialplanung der Stadt die Haltung des Forums wieder. Musterbeispiel dafür ist Harrys Bude, der seit dem Jahr 2020 aktive Fairteiler an der Marienkirche, wo jeden Tag einige hundert Bedürftige gerettete Lebensmittel erhalten. Auch die Tafelläden sollten stärker durch Spenden und bessere Räume unterstützt werden. Um Kenntnisse und Fähigkeiten von Bedürftigen im Umgang mit Lebensmitteln und beim Kochen zu verbessern, schweben den Forumsteilnehmern mehr „soziale und inklusive Beratungsangebote“ vor, wie das Sozialunternehmen Neue Arbeit dies mit der Straßenuniversität praktiziere.