Noch ist nicht klar, ob die Jamaika-Koalition überhaupt eine Chance hat. Am Dienstag wollen die Sondierer mit der Klärung inhaltlicher Fragen erst beginnen. Doch schon zuvor haben die Grünen sich mit der Forderung nach einem zweiten Vizekanzler in die Nesseln gesetzt.

Politik/Baden-Württemberg : Bärbel Krauß (luß)

Berlin - Meteorologisch ist die Hurrikan- Saison bald vorbei. Aber an diesem Herbst-Montag haben die Grünen in Berlin alle Hände voll zu tun, damit der Unmut über die grüne Forderung nach einem zweiten Vizekanzler in der Bundesregierung sich nicht zum Tropensturm für die Jamaika-Verhandlungen auswächst. Angefangen hat es – halbwegs – harmlos mit der Forderung von Grünen-Geschäftsführer Michael Kellner gegenüber „Bild“. Die „Koordination der Regierungsarbeit kann in so einer möglichen Koalition (gemeint ist Jamaika) nicht nur im Kanzleramt und bei einem weiteren Partner, sondern muss bei allen drei liegen: Union, Grünen und FDP“.

 

Tofu predigen und die Fleischtöpfe ansteuern?

Zwar nahm Kellner das Wort Vizekanzler nicht in den Mund, aber diese Vorsicht ließ Parteichefin Simone Peter später vermissen. Bei drei Partnern in der Regierung mache es Sinn, dass es einen weiteren Vizekanzler gebe, sagte Peter. Ein solcher Posten sei für ihre Partei „zentral“. Das produzierte nicht nur Häme in den sozialen Netzwerken, sondern auch Abwehrreaktionen bei der Union. „Tofu predigen, aber so schnell wie möglich an die Fleischtöpfe wollen: Typisch grün“, höhnte CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer, dem natürlich nicht entgangen war, dass bei einem Doppel-Vize nur eine Partei in die Röhre schauen würde: seine. Völlig falsch sei es, jetzt neue Posten zu fordern, twitterte Scheuer später. Die Grünen sollten sich lieber auf die Themen konzentrieren, statt Posten einzufordern. „Erst geht es um die Inhalte, dann um Personalfragen“, ließ Unions-Generalsekretär Peter Tauber wissen.

Grünen-Spitze rudert zurück

Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt und Parteichef Cem Özdemir mühten sich dann, das Ganze als Missverständnis darzustellen. Die Grünen pochten auf eine Koordination „auf Augenhöhe“, hätten aber noch keinerlei Posten eingefordert, betonte Göring-Eckardt. Mit der „angeblichen oder tatsächlichen Forderung“ nach einem zweiten Vizekanzler hätten die Gremien sich „kurz beschäftigt“, räumte Özdemir bei einer Pressekonferenz ein. Aber noch sei nicht klar, ob eine Jamaika-Koalition überhaupt komme. „Deshalb gibt es keinerlei Postendiskussion. Aktuell steht das nicht auf der Tagesordnung.“ Auch Simone Peter ruderte später zurück. „Die Frage der Postenvergabe stellt sich jetzt nicht“, sagte sie. „Worüber wir uns aber Gedanken machen müssen ist, wie eine so komplizierte Konstellation wie Jamaika optimal koordiniert werden kann.“

Nach außen Rammbock – nach innen Vermittler

Aber da war das Eigentor schon geschossen, und die Information, dass die Grünen mit einem eigenen Vizekanzler liebäugeln, ist in der Welt. Dass die Parteiführung mit einer raffinierten Personalaufstellung in die nächste Sondierungsetappe geht, wird da nur noch auf der Nebenspur wahrgenommen. Dabei ist es ein geschickter Schachzug, dass Özdemir und Göring-Eckardt sowohl die Koordination bei den Finanz- und Haushaltsfragen als auch die grünen Herzensthemen Klimaschutz/Energie, Asyl/Migration und Verkehr/Wirtschaft Vertretern des linken Flügels anvertraut haben. Somit fällt Jürgen Trittin, der ziemlich lange gut mit dem Image gelebt hat, bei der Sondierung 2013 Schwarz-Grün verhindert zu haben, die Aufgabe zu, als Koordinator für Finanzen und Haushalt dafür zu kämpfen, dass die grünen Lieblingsprojekte nicht am Geldmangel scheitern.

Nach außen soll er den Rammbock geben, um möglichst viel Geld für grüne Programme aufzutreiben. Klappt das nicht so gut wie erhofft, muss er nach innen glaubhaft machen, dass mehr einfach nicht zu erreichen war. Ähnlich verhält es sich mit Claudia Roth, die die Asyl-Verhandlungen koordiniert, und bei Toni Hofreiter, der für Verkehr zuständig ist. Auch für Simone Peter, die Energie und Klimaschutz koordiniert, war diese Rollenverteilung vorgesehen. Wegen ihres Eigentors mit den Vizekanzlern geht die Parteichefin allerdings geschwächt in die Sondierungsgespräche.