Um besser einschätzen zu können, wie gefährlich der aktuelle Erreger H7N9 ist, wollen Virologen ihn im Labor durch genetische Veränderungen aggressiver machen. Sie tun das nicht zum ersten Mal – und ernten auch Kritik von Fachkollegen.

Stuttgart - Grippeviren können sich wandeln, und es ist schwer vorherzusagen, wie sie sich entwickeln werden. Ein aktuelles Beispiel dafür ist der Erreger H7N9, der in China jüngst in Geflügelbeständen grassierte. Rund 140 Menschen haben sich angesteckt, 43 sind daran gestorben. Bisher lässt sich der Erreger offenbar nur schwer von Mensch zu Mensch übertragen; erst ein solcher Fall ist dokumentiert worden (die StZ berichtete). Doch womöglich genügen nur wenige Veränderungen im Erbgut, damit das Virus auch von Menschen weitergegeben werden kann. Dann würden die Gesundheitsbehörden Alarm schlagen und man müsste etwa prüfen, ob man Schulen schließt.

 

Im vergangenen Jahr hatten zwei Teams um den Niederländer Ron Fouchier und den in den USA tätigen Yoshihiro Kawaoka Studien vorgestellt (hier und hier), in denen sie Erreger vom Typ H5N1 so verändert hatten, dass sie sich unter Säugetieren ausbreiten. Virologen greifen für solche Versuche auf Frettchen zurück. Die Experimente hatten Proteste ausgelöst, da künstlich gefährliche Viren hergestellt werden, und die Forscher hatten ihre Arbeit für einige Monate unterbrochen. Nun kündigen Fouchier und Kawaoka zusammen mit 20 Kollegen weitere Experimente dieses Typs an – diesmal mit dem aktuellen Vogelgrippevirus H7N9. In den Fachzeitschriften „Nature“ und „Science“ erläutern sie zeitgleich, welche Vorkehrungen sie getroffen haben. Unter anderem werde das US-Gesundheitsministerium künftig bei solchen Versuchen zwischen Risiko und Nutzen abwägen.

Die Ankündigung hat in der Fachwelt geteilte Reaktionen ausgelöst. Die Deutsche Presse-Agentur zitiert den Chef-Epidemiologen von Chinas Zentrum für Seuchenbekämpfung, Zeng Guang: „Schon natürliche Veränderungen können große Gefahren bedeuten. Wenn wir nun auch noch künstlich den Viren zusätzliche Fähigkeiten verleihen, kann das die Sicherheit der ganzen Welt gefährden.“ Die britische Agentur Science Media Centre zitiert hingegen Peter Horby von der Universität Oxford, der die geplanten Experimente begrüßt: Die Studien könnten erklären, warum manche Viren wie die Vogelgrippe H5N1 aus dem Jahr 2003 keine weltweite Pandemie auslöste, die – glücklicherweise meist leicht verlaufende – Schweinegrippe H1N1 hingegen doch.