Fast 140 Menschen in China haben sich mit der neuen Grippevariante H7N9 angesteckt. Chinesische Forscher haben nun Hinweise darauf gefunden, dass das Virus von Mensch zu Mensch übertragen werden kann.

Stuttgart - Man kann nicht sagen, das Virus sei völlig harmlos“, sagt Susanne Glasmacher vom Robert-Koch-Institut in Berlin. „Ebenso wenig kann man eine Grippewelle mit einem neuen Erreger prognostizieren.“ Man müsse das Virus sehr aufmerksam beobachten, schließlich könne sich ein solcher Krankheitserreger verändern. Die Rede ist von H7N9, einer neue Variante der Vogelgrippe. In diesem Frühjahr wurde das Virus erstmals in China identifiziert. Seitdem gab es fast 140 bestätigte Infektionen bei Menschen, mehr als 40 Patienten starben daran.

 

Inzwischen gibt es auch in China kaum noch Fälle. Dies liege einerseits am Wetter, denn in China ist Sommer, andererseits habe man in China rigoros Geflügel gekeult und Märkte mit lebenden Hühnern geschlossen, erklärt Glasmacher. Daher halte weder das Robert-Koch-Institut noch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) es für nötig, vor einem Infektionsrisiko zu warnen. Die WHO, so die Information der Behörde, sehe aktuell keinen Grund zur Beunruhigung und empfehle keine besonderen Maßnahmen wie etwa medizinische Untersuchungen an den Grenzen oder Reise- oder Handelseinschränkungen.

Der Erreger H7N9 – mit H und N werden die Eiweiße der Virushülle Hämagglutinin und Neuraminidase bezeichnet – hat sich auf Vögel spezialisiert. Bei diesen Tieren können sich auch Menschen anstecken. Dies kommt bei diesen sogenannten Vogelgrippen immer wieder vor. Eher selten werden derartige Viren jedoch von Mensch zu Mensch übertragen. Einen solchen Fall haben chinesische Forscher nun nachgewiesen: Bao Chang-jun und seine Kollegen vom Centre for Disease Control and Prevention in der südchinesischen Stadt Nanjing schauten sich eine Familie mit zwei Todesfällen genauer an. Ein 60 Jahre alter Vater hatte sich im März mit dem Virus infiziert. Seine 32 Jahre alte Tochter kümmerte sich ohne Infektionsschutz am Krankenbett um ihn. Später wurde auch sie krank, obwohl es keinen Hinweis darauf gibt, dass sie Kontakt mit Geflügel gehabt hat. Vater und Tochter starben an multiplem Organversagen. Die Wissenschaftler wiesen bei beiden einen fast identischen Stamm des Erregers nach, wie sie in der jüngsten Ausgabe des Fachjournals „British Medical Journal“ berichten.

Direkte Übertragung

Für die Forscher ist eine direkte Übertragung zwischen Vater und Tochter die wahrscheinlichste Erklärung. Einen abschließenden Beweis gebe es jedoch nicht. Die Studie gebe keinen direkten Hinweis darauf, dass das Virus näher vor dem Ausbruch einer Pandemie stehe. Die Experten betonten aber: „Es ist eine Erinnerung daran, dass wir wachsam bleiben müssen: Die Gefahr von H7N9 ist auf keinen Fall vorbei“, so die chinesischen Wissenschaftler.

Die Infektion mit H7N9 scheint heftiger zu verlaufen verglichen mit der vor einigen Jahren grassierende Schweinegrippe mit der Erregervariante H1N1 – manch ein Betroffener bemerkte damals die Erkrankung gar nicht. Das neue Virus jedoch nistet sich in den Zellen der Atemwege ein und vermehrt sich dort sehr schnell: Atemwegsprobleme und Husten sind die Folge, in schlimmen Fällen droht eine Lungenentzündung. Es kann auch zu einer Überreaktion des Immunsystems kommen, dabei werden zu viele Abwehrzellen gebildet. Der Körper reagiert mit starkem Fieber, das tödlich sein kann.

Einen Impfstoff gibt es derzeit nicht. Der diesjährige Grippeimpftstoff deckt diese Viren kaum ab. Nach Angaben des Robert-Koch-Instituts in Berlin reagiert das Virus auf die bekannten antiviralen Mittel wie etwa Tamiflu. Allerdings haben sich auch schon Resistenzen gebildet: Gegen den Wirkstoff Amantadin ist H7N9 immun.