Volkskrankheit Schlafapnoe Schnarcher warten lange auf einen Platz im Schlaflabor

Einen Platz im Schlaflabor zu erlangen, erfordert von den Patienten viel Geduld. Foto: Archiv (Gottfried Stoppel)

Mit einer Schlafapnoe ist nicht zu spaßen, doch Plätze im Schlaflabor sind knapp. Eine Ludwigsburger Firma entwickelt Tools für Schlafprofile im heimischen Bett.

Ludwigsburg: Oliver von Schaewen (ole)

Der Sekundenschlaf setzt Viktor Müller zu. Der Industriekaufmann aus Ludwigsburg, der seinen wirklichen Namen nicht in der Zeitung lesen will, schnarcht nachts, schläft unruhig und ist tagsüber müde. Schließlich suchte Müller einen Hals-Nasen-Ohren-Arzt auf. Der Mediziner diagnostizierte eine Schlafapnoe und überwies den 55-Jährigen in ein Schlaflabor – doch der Patient musste sich etwa ein Jahr lang gedulden, bis er einen Platz in einem Schlaflabor bekam.

 

Der Patient lebte ein Jahr lang mit einem mulmigen Gefühl

Inzwischen hat Viktor Müller seine Behandlung am Stuttgarter Robert-Bosch-Krankenhaus hinter sich und schläft mit einer speziellen Maske. „Sie versorgt mich mit Sauerstoff.“ Die lange Wartezeit habe er wegen der Risiken mit einem mulmigen Gefühl überbrückt. „Im Schlaflabor haben sie mir dann gesagt, ich sei schon ein sehr lauter Schnarcher“, sagt der zweifache Familienvater, der jetzt nicht mehr so viel Angst hat, dass die Atempausen zu einem Herzinfarkt oder Schlaganfall führen könnten.

Lange Wartezeiten für einen Platz in einem Schlaflabor seien nicht ungewöhnlich, bestätigt Jürgen Wirth, Hausarzt in Marbach. „Der Bedarf an Plätzen ist groß: Vier bis sechs Monate Wartezeit sind normal.“ Die Deutsche Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin (DGSM) ermittelte 2020 in einer Blitzumfrage sogar eine Wartezeit von vier bis zu 25 Monaten. Die Schlafapnoe nimmt laut Wirth tendenziell zu, sie hänge mit dem Lebensstil zusammen und sei auch eine Altersfrage. „Ein Grund ist die Übergewichtigkeit, die häufig mit der Erkrankung einhergeht.“

Berufskraftfahrer werden bevorzugt drangenommen

Im Landkreis Ludwigsburg gibt es in Vaihingen/Enz eine private Praxis mit Schlaflabor, darüber hinaus die Kliniken des Robert-Bosch-Krankenhauses (RBK) in Stuttgart und im Landkreis Heilbronn die Fachklinik für Lungenkrankheiten in Löwenstein. Insbesondere die zwölf Plätze im Schlaflabor des RBK-Lungenzentrums in Stuttgart sind begehrt. „Die Auslastung beträgt 100 Prozent“, teilt die Klinikleitung mit. Berufsgruppen wie Kraftfahrer würden bevorzugt, da ihnen der Sekundenschlaf im Dienst drohe.

Wichtig bei der Behandlung durch einen HNO-Arzt oder einen Kardiologen sei das Screening im Vorfeld, Polygrafie genannt. Der Patient erhalte Zubehör für eine Untersuchung des Schlafs daheim. So erging es auch Viktor Müller. „Allerdings war das Gerät ziemlich klobig, und ich habe damit eher schlecht geschlafen“, berichtet er. Nach der Rückgabe habe der Arzt die Daten ausgelesen und ihn wegen der Schwere seines Falls ins Schlaflabor überwiesen.

Ludwigsburger Unternehmen arbeitet mit der Charité zusammen

Einfacher will die Ludwigsburger Firma Suportis die Daten aus dem heimischen Bett in die Arztpraxen übertragen – mittels eigens entwickelter Software auf der Basis von Künstlicher Intelligenz. „Wir arbeiten seit drei Jahren mit der Berliner Charité und den Hochschulen in Konstanz und Reutlingen zusammen“, berichtet die Projektleiterin Daniela Kelsch von Suportis. Die beiden Hochschulen entwickelten aus den Daten von tausenden Patienten einen Algorithmus, der weiter wachse. Das Programm identifiziere Apnoe-Schlafphasen und unterstütze Ärzte bei der Diagnose der online angemeldeten Patienten. „Selbstverständlich unterliegen die Daten einem strengen Datenschutz“, erklärt Daniela Kelsch.

Das Suportis-Gerät sei leichter als die bisher in vielen Schlaflaboren verwendeten, berichtet die Projektleiterin Kelsch. Mit einem Brustgurt würden Herzrhythmus und Atmung aufgezeichnet. Eine Armbanduhr messe Puls und Sauerstoffsättigung. Zusätzlich werde an der Brust und am Handgelenk die Bewegungsaktivität aufgezeichnet.„Das Gewicht ist gering, der Patient kann störungsfrei schlafen.“

Der KV-Sprecher sieht Chancen, mahnt aber den Datenschutz an

Im Gesundheitswesen werden solche Tools für den schlafmedizinischen Bereich derzeit stark diskutiert – sie böten tatsächlich Chancen, müssten ihren Wert für die Versorgung aber erst noch beweisen, sagt Kai Sonntag, Pressesprecher der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg. Auch müsse der Datenschutz bei den digitalen Vorgängen unbedingt gewährleistet bleiben.

Auf dem Markt tummeln sich seit einigen Jahren auch Apps, mit denen die Nutzer ihr eigenes Schlafverhalten mithilfe ihrer Smartphone messen können. Sie können mit Aktivitätsmatten unter der Matratze auch die Körperbewegungen analysieren. Schlafmediziner halten es für möglich, viele Fälle von Apnoen sogar telemedizinisch zu behandeln und den Aufwand gering zu halten.

RBK betont: Schlaflabore sind für die Behandlung essenziell

Der Weg führt aber für Fälle obstruktiver Schlafapnoe nicht am Schlaflabor vorbei. Wer schnarcht und tagsüber schlapp ist, müsse in einem solchen Labor behandelt werden, teilt die Leitung des Stuttgarter RBK-Lungenzentrums am Burgholzhof mit. Der Patient könne Erkenntnisse aus eigenen Messungen sehr wohl einbringen. In der Klinik würde aber bereits in der zweiten Nacht therapiert – in der Regel mit Masken. „Schlaflabore sind daher essenziell.“

Was ist eine Schlafapnoe?

Volkskrankheit
 Unter einer Schlafbezogenen Atmungsstörung leiden nach Schätzungen von Experten allein in Deutschland rund 26 Millionen Menschen, also ein beträchtlicher Teil der Bevölkerung. Die Dunkelziffer ist groß, da sich nicht alle Menschen mit Beschwerden behandeln lassen. Unter einer schweren Atemstörung, also einer obstruktiven Schlafapnoe leiden rund 30 Prozent der Männer und 13 Prozent der Frauen, teilt das Robert-Bosch-Krankenhaus Stuttgart mit.

Stufendiagnostik
 Eine Therapie wird erst dann angeordnet, wenn es sich wahrscheinlich um eine obstruktive Schlafapnoe handelt. Schnarchen, fremdbeobachtete Atemaussetzer, Müdigkeit tagsüber sind Kriterien. Der Patient füllt einen Fragebogen aus, danach ordnet der Arzt eine Polygrafie, eine Messung des Schlafes im Bett daheim, an. Schließlich mündet das Verfahren in eine Behandlung in einem Schlaflabor. Dort wird unter Überwachung ein positiver Atemdruck durch eine Maske hergestellt.

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