Volleyball Regionalliga Der Tablet-Trainer der TSF Ditzingen

Akribischer Beobachter und Datensammler: Vincent Mattes erfasst jeden Spielzug der Volleyballerinnen auf seinem Tablet. Foto: Andreas Gorr

Vincent Mattes ist mehr als ein Co-Trainer der Volleyballerinnen der TSF Ditzingen, der 25-Jährige ist der digitale Pionier beim Club aus der Regionalliga. Die Datenerfassung ist nicht ohne.

Sport: Jürgen Kemmner (jük)

Laptop-Trainer. Das war einmal ein Schimpfwort – der ehemalige Fußball-Profi Mehmet Scholl hat es geprägt in seiner Eigenschaft als TV-Experte beim Sender ARD. Laptop-Trainer seien verkopfte Coaches, also taktikhörige und statistikverliebte Zeitgenossen, die so gebannt auf ihren kleinen Bildschirm starren wie das Kaninchen in die Augen der Schlange. Kurzum: Laptop-Trainer hätten im Grunde keine Ahnung.

 

Das war im Herbst 2015. Die Welt hat sich seitdem mehr als achtmal um die Sonne gedreht, hat demnach mehr als 7,5 Milliarden Kilometer zurückgelegt, was verdeutlicht, dass auf der Erde ziemlich viel passiert ist in dieser Zeitspanne. Mittlerweile haben digitale Hilfsmittel nicht nur im Profisport ihren Siegeszug angetreten, sie sind längst auch im Lager der Amateure angekommen. „Ich will nicht nach Gefühl ein Spiel analysieren, sondern belegbare Daten dafür heranziehen“, sagt Vincent Mattes, der Co-Trainer der Volleyballerinnen der TSF Ditzingen.

Der 25-Jährige ist so ein moderner, digital-affiner Coach und wird am Sonntag (15 Uhr) erneut sein Tablet mit Zahlen füttern, wenn der VC Offenburg zu Gast in Ditzingen in der Regionalliga aufschlägt. Er erfasst, welche Spielerin wo einen Ballkontakt hat. Er notiert, von welcher Seite ein Angriff erfolgt, ob der Ball diagonal oder longline geschmettert wird und ob der Spielzug erfolgreich war. Er hält fest, wer den Ball wo angenommen und was sich daraus entwickelt hat.

Meist tippt Vincent Mattes diese Daten nicht während eines Spiels ein, da notiert er nur die wichtigsten Eckpunkte, weil er sich sonst nicht auf die Partie konzentrieren und ordentlich coachen könnte – er sieht sich die Spiele danach auf Video an und hält sämtliche Spielzüge entsprechend fest. „Im Idealfall benötige ich dafür so lange, wie das Spiel dauert“, erzählt der Student, dessen Freundin Valeria Schaitel als Zuspielerin im Team der TSF steht, „oft dauert es aber deutlich länger, weil ich nicht blind tippen kann und so immer wieder hin und her schauen muss.“

Datenerfassung nimmt viel Zeit in Anspruch

Vincent Mattes besitzt auf seinem Tablet eine italienische Volleyball-Software, von der es zwei Versionen gibt: eine für Profi-Analysten und eine für Analyse-Einsteiger. Der Bildschirm zeigt ein Volleyball-Spielfeld von oben, die Spielerinnen sind als Kreise digitalisiert, die Spielzüge werden mit dem Stift nachgezogen, zudem gibt es verschiedene Befehle für Anmerkungen. Nach seiner Analyse bereitet er die Daten auf, die wichtigsten Erkenntnisse und Einschätzungen gibt er an Trainer Lothar Benz weiter, der daraus ableitet, was verstärkt trainiert werden muss. „Ich bin erst seit dieser Saison dabei“, sagt Vincent Mattes, „da muss sich noch einspielen, wie wir genau damit umgehen.“

Viele digitale Helfer im Amateursport

Im Profisport geht es nicht mehr ohne digitale Unterstützung und auch einige Sport-Etagen tiefer kommen Tablets und hilfreiche Apps zum Einsatz, wenn es darum geht, die Leistungen zu steigern. Im Fußball tragen Spieler selbst in unteren Ligen einen Tracker, der ihre Bewegungen auf dem Spielfeld sowie weitere körpereigene Daten aufzeichnet – kilometerlange Waldläufe mögen die Kondition verbessern, aber erst mit moderner Technik wird ersichtlich, in welcher Weise die (unterschiedlichen Körper) der Akteure darauf reagieren. Und schließlich haben unzählige Freizeitsportler alle möglichen Fitness-Apps auf ihren Mobiltelefonen installiert. Es existieren Start-up-Firmen, die anbieten, die Digitalisierung im Sportverein einzuführen oder zu verbessern.

Mattes baut ein Scouting-System auf

Allmählich kehren diese Digi-Helfer in die Trainerausbildung ein, Mattes findet: „Darauf muss man einen Schwerpunkt bei Lehrgängen legen.“ Dass er als Student der Wirtschaftsinformatik ein Faible für derlei digitale Hilfsmittel besitzt, überrascht nicht, er hat schon vor Jahren begonnen, für sich ein digitales Scouting-System aufzubauen, weil er festgestellt hat, dass „das in den unteren Volleyball-Ligen kaum ausgeprägt ist“.

Der Tablet-Trainer der TSF sieht sich erst am Angang seiner Karriere außerhalb des Volleyball-Rechtecks, als Spieler hat der 25-Jährige Erfahrung in der Verbandsliga beim TSV Georgii Allianz Stuttgart gesammelt. Vor einem Jahr hat Vincent Mattes die Ausbildung zum C-Trainer absolviert, nun will er den B-Schein in Angriff nehmen, der für Übungsleiter für Regionalliga-Teams unabdingbar ist. „Wir stehen bei den TSF erst am Anfang“, betont Vincent Mattes. Sagen wir es so: Diese Entwicklung hätte sich Mehmet Scholl wahrscheinlich nicht träumen lassen.

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