Nein, einen Agententhriller darf man vom neuen Wien-Tatort „Deckname Kidon“ nicht erwarten. Wohl aber die österreichische Variante davon. Jan Georg Plavec erklärt, warum das vielleicht sogar mehr Spaß macht.

Digital Desk: Jan Georg Plavec (jgp)

Wien - Iranisches Atomprogramm, Mossad, Waffenlobbyisten: wer bei solch großen Themen einen Ausschlag bekommt, sollte beim Wien-Tatort besser nicht einschalten. Wer die Art des Duos Bibi Fellner (Adele Neuhauser) und Moritz Eisner (Harald Krassnitzer) mag und gerne sieht, wie sich die beiden Kommissare in Ermittlungen zwischen Weltpolitik und und Waldviertler Barock-Soirée schlagen, sollte sich „Deckname Kidon“ (am Sonntag um 20.15 Uhr im Ersten und in der ARD-Mediathek) auf jeden Fall ansehen.

 

Gewürzt ist der Wiener Tatort erwartungsgemäß mit den typischen Ingredienzien: nirgends wirken „Verfolgungsjagden“ so gemütlich wie bei der Bibi und dem Moritz, keiner bringt die zuckrig süße Melange österreichischer Gemütlichkeit und staatsmafiösem Filz besser auf die Mattscheibe und natürlich werden auch wieder allerlei Wiener Boshaftigkeiten zelebriert – Schmäh meint eben immer auch die Fähigkeit, das Gegenüber in allerhochgnädigsten Worten als Arschloch zu bezeichnen.

Und so kann man zusehen, wie die beiden Kommissare und der diesmal erstaunlich kooperative Sektionschef Rauter (Hubert Kramar) zu der anfangs erwähnten „österreichischen Lösung“ des sprichwörtlichen Todes-Falls des iranischen Atomfunktionärs finden. Man wird all das gut finden, wenn man sich da nicht einen hochglanzpolierten Agententhriller erhofft. Stattdessen sollte sich der geneigte Wien- und ORF-Tatort-Freund darauf freuen, wie die kleine Welt des Wiener Ermittlerduos auf die große Welt des Atom-Embargos trifft – und wie sich die beiden eher nicht als Digital Natives zu bezeichnenden Kommissare so lange über einen plötzlich schwächelnden Smartphone-Akku wundern.

Der Tatort aus Wien im Kurzcheck

Heimliche Stilikone: Die österreichische Sprache. Wo sonst wird so kreativ, so niederträchtig und trotzdem irgendwie herzlich geflucht?

Schönste Krimifloskel: „Wir haben das Geld, wir haben die Beziehungen und wir scheißen uns nichts“, sagt der Waffenlobbyist Johannes Leopold Trachtenfels (Udo Samel).

Gefühlter Moment, in dem der Fall gelöst ist: Als Trachtenfels genau diesen Satz sagt. Doch der Knall folgt auf dem Fuße, oder eher: auf zwei Rädern.