Spanien ist in der neuen europäischen Normalität angekommen: Mit Vox ist am Sonntag in Andalusien die erste rechtsradikale Partei in ein spanisches Parlament eingezogen.

Korrespondenten: Martin Dahms (mda)

Sevilla - Alle wollen wissen, was bei Vox los ist. Vox ist die kleinste der fünf Parteien, die an diesem Sonntag ins andalusische Regionalparlament eingezogen sind, und trotzdem die heimliche Wahlgewinnerin ist: aufgestiegen fast aus dem Nichts, von 0,5 bei den letzten auf 11 Prozent bei diesen Wahlen. Vox ist die erste rechtsradikale Partei in einem spanischen Parlament. Damit ist Spanien keine europäische Ausnahme mehr. „Wir stehen vor einem historischen Tag“, hatte der Vox-Vorsitzende Santiago Abascal am Sonntagmorgen in Sevilla gesagt, „nicht nur für Andalusien, sondern für ganz Spanien.“

 

Er sollte Recht behalten. Jetzt wollen alle wissen, warum so viele Menschen – fast 400 000 – Vox gewählt haben. Bis vor kurzem ging immer wieder die Frage nach Spanien, warum denn gerade hier noch keine rechtsextreme Partei Fuß gefasst habe. Das Wählerpotenzial für eine Partei wie Vox war immer da. Dass es bisher nie ausgeschöpft wurde, ist ebenso rätselhaft wie nun der plötzliche Dammbruch. Einige Erklärungsansätze gibt es natürlich trotzdem.

Woher kommt der Erfolg der Vox-Partei?

Der wesentliche Grund für den Vox-Erfolg ist Katalonien. Genauer gesagt: die katalanische Unabhängigkeitsbewegung. Die geht fast allen Spaniern, von links bis rechts, gehörig auf die Nerven. Vox ist die Partei, die sich ihr am radikalsten entgegenstellt. Sie ist als Klägerin bei fast allen Strafverfahren gegen katalanische Separatisten dabei. Als Vox-Chef Abascal am Sonntagabend vor seine Anhänger trat, benannte er konkret nur ein politisches Thema: den „Staatsstreich“, der mittlerweile den Moncloa-Palast (also den Sitz der spanischen Regierung) erreicht habe.

Mit dem „Staatsstreich“ meint Abascal das katalanische Unabhängigkeitsreferendum vom 1. Oktober vergangenen Jahres, das von der katalanischen Regionalregierung ohne Rücksicht auf die bestehende spanische Rechtsordnung organisiert worden war. Spaniens konservative Politiker haben sich deswegen angewöhnt, die katalanischen Separatisten als „Putschisten“ zu bezeichnen. Und seit der sozialistische Ministerpräsident Pedro Sánchez seinen konservativen Vorgänger Mariano Rajoy mit einem Misstrauensvotum aus dem Amt jagte, das auch von katalanischen Separatisten unterstützt wurde, wird er von der Opposition als Regierungschef geschmäht, der sich von Putschisten ins Amt wählen ließ.

Der radikale antikatalanistische Diskurs war schon da. Vox hat ihn nur noch weiter zugespitzt. Vox will alle separatistischen Parteien verbieten lassen und die Territorialorganisation Spaniens auf den Kopf stellen: mit der Abschaffung der 17 Autonomen Regionen samt ihren Parlamenten und Regierungen. Ein konkreter Vorschlag von Vox dürfte auch vielen Anhängern anderer Parteien gefallen: die Zusammenfassung der regionalen Gesundheitsdienste zu einem gesamtspanischen öffentlichen Gesundheitssystem.

Spaniens Linke wird nervös

Spaniens fahnenschwenkender Nationalismus ist schon immer ein Nationalismus gewesen, der sich nach innen richtet: gegen die Regionalnationalismen vor allem Kataloniens und des Baskenlandes. Doch einmal selbstbewusst geworden, fügen sich diesem Kernthema alle klassischen antiliberalen Impulse hinzu: gegen das Recht auf Abtreibung, gegen die Homosexuellenehe, für unüberwindbare Grenzen, gegen die föderalen Tendenzen der Europäischen Union. Aus spanischer Sicht sei „die größte Gefahr für Europa“ nicht der ungarische Präsident Viktor Orbán, sondern Angela Merkel, meinte Vox-Chef Abascal kürzlich. Als Orbán vor zwei Jahren Steuersenkungen ankündigte, twitterte Abascal: „Dieser Mann liegt bei allem richtig.“

Spaniens Linke ist seit Sonntag hoch nervös. Weder die Volkspartei noch Ciudadanos haben Berührungsängste gegen den rechtsradikalen Neuling. Schließlich wollen sie alle geeint gegen die katalanischen „Putschisten“ und ihre linken Bettgenossen vorgehen. Da sind auch Orbán-Freunde und Merkel-Gegner willkommen.