Am Vorabend seines 80. Geburtstags hat die Stadt einen Empfang für den früheren Oberbürgermeister Ulrich Gauss gegeben.

Rems-Murr : Frank Rodenhausen (fro)

Waiblingen - Gestern hat der frühere Waiblinger Oberbürgermeister Ulrich Gauss seinen 80. Geburtstag gefeiert. Am Vorabend hat die Stadt „Ulrich dem Vielgeliebten“, wie Gauss wegen seines ausgleichenden Wesens auch genannt wurde, einen Empfang gegeben – „als Zeichen der Dankbarkeit und der uneingeschränkten Wertschätzung“, wie der aktuelle OB, Andreas Hesky, betonte. 24 Jahre lang hat Gauss die Geschicke der Stadt geleitet, er war zweimal wiedergewählt worden und 1994 in den Ruhestand getreten.

 

Seither höre man nur Gutes über ihn, sagte sein Nach-Nachfolger – „bei anderen wäre das verdächtig, bei Ihnen nicht“. Gauss habe die Entwicklung Waiblingens geprägt wie kaum ein zweiter. Gleich zu Beginn seiner Amtszeit habe er eine Aufgabe gemeistert, die stellenweise dem sprichwörtlichen Tanz auf dem Vulkan geglichen habe: die Integration der bis dato selbstständigen Gemeinden Beinstein, Bittenfeld, Hegnach, Hohenacker und Neustadt. Die Stadt wuchs binnen vier Jahren von 24 000 Einwohnern auf 48 000 an.

Innerstädtisch habe Gauss viele Projekte angestoßen, ohne die Waiblingen heute kaum denkbar wäre: etwa die Umgestaltung der Talauen, den Bau des Bürgerzentrums, des Marktdreiecks oder der Marktpassage. Nicht alles sei unumstritten gewesen. Gauss habe viel Mut und Weitsicht bewiesen, sich stets „von den berechtigten Interessen der Bürger leiten lassen“. Seine Amtszeit sei „eine sehr gute Zeit für Waiblingen“ gewesen.

Friedrich Kuhnle, zurzeit der Erste ehrenamtliche Stellvertreter des Oberbürgermeisters, erinnerte an einige legendäre Gemeinderatssitzungen unter der Regie des heute 80-Jährigen. So beispielsweise, als der 1987 verstorbene Stadtrat Hermann Enssle die Verlegung des Stadtfriedhofs verhindern wollte. Enssle habe vor der Verunreinigung der Mineralwasserquellen durch Finger- und Zehennägel der Beigesetzten gewarnt. Er konnte die Umlagerung nicht verhindern, habe aber daraufhin in einer der Sitzungen den Beinsteiner Sprudel demonstrativ durch ein Sieb getrunken. Heute sei im Waiblinger Parlament vieles anders. Manche Entwicklung sei auf die Initiative von Ulrich Gauss zurückzuführen, erklärte Kuhnle. Etwa, dass „es dort heute keinen Qualm und keinen Rausch mehr gibt.“ Die 1977 von Gauss initiierte neue Geschäftsordnung inklusive Benimmregeln habe den bis dahin durchaus gängigen Alkohol- und Zigarettenkonsum aus dem Saal verbannt.

Auch über die Grenzen der Stadt hinaus hatte Gauss gewirkt. „Ohne seine Persönlichkeit wäre die Entwicklung im Rhein-Neckar-Raum eine andere gewesen“, betonte Stefan Gläser, der geschäftsführende Vorstand des baden-württembergischen Städtetags. Gauss habe in dem Gremium Wegmarken in der politischen Meinungsbildung der südwestdeutschen Städte gesetzt. Für ihn selbst, sagte Gläser, sei er Vorbild und ein ganz besonderer Kollege.

Der so Gerühmte zeigte sich gewohnt bescheiden. Die Resonanz 18 Jahre nach dem Ende seiner beruflichen Laufbahn überwältige ihn, die Entwicklung der Kommune betrachte er mit Stolz. „Man muss nur lange genug in Rente sein, damit die Dinge noch etwas wachsen können.“ Waiblingen sei eine Stadt, „in der sich hervorragend alt werden lässt“.