Die Vorwürfe gegen ihren Chefcoach sind für die Aktiven des neuen Waiblinger Schwimmvereins nicht von Belang – sie wollen einfach nur ihrem Sport nachgehen. Von der Stadt vermisst man die Unterstützung

Rems-Murr : Frank Rodenhausen (fro)

Waiblingen - Die Vorwürfe gegen den früheren sportlichen Leiter der Schwimmabteilung des VfL Waiblingen haben im vergangenen Jahr Wellen geschlagen. Dem Trainer war seitens des Vereins vorgeworfen worden, Geld unterschlagen zu haben. Ohne das Ergebnis der polizeilichen Ermittlungen abzuwarten, wurde der Coach entlassen (wir berichteten). Mittlerweile hat das Amtsgericht Waiblingen wegen der mutmaßlichen Unterschlagung allerdings einen Strafbefehl ausgestellt. Gegen diesen und die damit verbundene Geldbuße haben der Beschuldigte und sein Anwalt Einspruch erhoben (siehe „Strafbefehl gegen den Trainer“).

 

Das indes interessiert die Aktiven des SV Waiblingen offenbar höchstens am (Becken-)Rande. Die Schwimmer halten trotz all der Vorwürfe weiter zu dem sportlich sehr erfolgreichen Trainer, der den VfL binnen weniger Jahre zur Nummer eins der Württembergischen Schwimmvereine machte. Der 32-Jährige fungiert in dem im   Herbst neu gegründeten Waiblinger Schwimmverein als „sportlicher Leiter Leistung“ . Und seine Jünger schwärmen nicht nur wegen eigener sportlicher Ambitionen für den Mann, sondern loben auch dessen menschliche Stärken abseits des Trainingsbeckens.

Von der Stadt Waiblingen hingegen fühlen sich die Schwimmer und ihre Betreuer alles andere als unterstützt. Der Vorwurf: obwohl die heimischen Bäder nicht ausgelastet seien, werde dem SV eine adäquate Trainingsmöglichkeit verwehrt. Man fühlt sich nicht gerade erwünscht.

Benjamin Duppui ist lange Jahre Jugendsprecher in der Schwimmabteilung des VfL gewesen. Er kenne die Verhältnisse, wisse einiges von dem, was vor dem Trainerrauswurf hinter den Kulissen „sonst noch so passiert ist“. Er wolle aber nicht nachtreten, habe den Verein verlassen, um den Blick nach vorn zu richten. Doch wie viele seiner Mitstreiter ist der 21-Jährige enttäuscht von den seiner Meinung nach katastrophalen Rahmenbedingungen, die dem neuen Verein eingeräumt würden: in keinem der fünf heimischen Bäder werde dem SV auch nur eine einzige Trainingseinheit reserviert. Dabei sagt Heike Bickert, die zweite Vorsitzende des Vereins, dass man bei einem Treffen der Vereine im Januar durchaus realistische Wünsche angemeldet habe. Damals jedoch sei man mit der Botschaft „hinten anstellen“ mehr oder weniger abgeblockt worden. Auch Bittbriefe an die Bäderbetriebe und die Stadt hätten nicht gefruchtet.

Seither ziehen die Wettkampfschwimmer auf einer abgeteilten Bahn im Außenbecken des Winnender Wunnebades ihre Runden. Die Kosten dafür muss der Verein mangels städtischer Zuschüsse komplett aus der eigenen Kasse zahlen. Doch es gehe nicht in erster Linie um den finanziellen Aufwand. „Wir haben Schwimmer, die trainieren bis zu zehnmal pro Woche. Die brauchen normale Bedingungen“, sagt Benjamin Duppui. Normale Bedingungen heißt für ihn auch: ein Dach über dem Kopf. Die Schwimmer benötigten schließlich nicht nur die Gelegenheit, ungestört Bahnen ziehen, sondern auch, sich vor dem Sprung ins Nass aufwärmen und bei Teambesprechungen austauschen zu können.

„Wir haben dem Trainer viel zu verdanken“

Jaroslav Bago, der Vater einer 13-jährigen Schwimmerin, sagt, dass er schon vor einem Jahr nicht verstanden habe, was zu dem Rauswurf des Trainers beim VfL geführt habe, aber jetzt scheine sich das Prinzip fortzusetzen: dass irgendwelche Streitigkeiten auf dem Rücken der Kinder ausgetragen würden. Den Trainer als Sündenbock für eine Misere herhalten zu lassen, die dieser nicht zu verantworten habe, sei nicht in Ordnung, sagt Susanne Fast, die Mutter eines 15-jährigen Schwimmers, der ebenfalls zum neuen Verein gewechselt ist. Man habe dem Coach viel zu verdanken.

Ralf Leiherr, der nach 25 Jahren im VfL in den neuen Verein gewechselt ist, lobt nicht nur dessen sportliche Leistung. Das Mannschaftsgefühl, das der Trainer den Schwimmern nebenbei vermittelt habe, sei einmalig für eine Einzelsportdisziplin wie das Schwimmen. „So etwas habe ich noch nie erlebt“, sagt Leiherr, „und ich habe schon viele Trainer gesehen.“

Die 18-jährige Hanna Kienzle sagt – wie viele ihrer Schwimmkameraden auch –, dass sie die Anschuldigungen nicht interessieren. Sie habe noch nie so einen charakterstarken Menschen kennengelernt, der sie in allen Lebenslagen unterstützt habe – bei Problemen mit den Eltern gleichermaßen wie bei Schwierigkeiten in der Schule. „Das wiegt viel schwerer – egal, was an dem anderen dran sein sollte.“

Auch der 18-jährige Lars Mödinger, wohl einer der erfolgreichsten Nachwuchsschwimmer in dem neuen Verein, betont, dass der Coach nicht nur sein Trainer, sondern auch der beste Freund sei. Mödinger hat es zwar unlängst bei den Deutschen Jahrgangsmeisterschaften in Berlin unter die besten zehn geschafft, doch er sagt, dass er sein Niveau unter den aktuellen Trainingsbedingungen kaum werde halten, geschweige denn verbessern können. „Egal, was da war, wir wollen nur unseren Sport ausüben“, bringt es die gleichaltrige Stefanie Daiß auf den Punkt, „doch jetzt bricht wegen der schlechten Rahmenbedingungen vielleicht alles auseinander.“ Lars Mödinger sieht das genauso: „Noch ein weiteres Jahr unter diesen Verhältnissen überlebt der Verein nicht“, sagt er. Aber vielleicht werde ja genau das mit den Restriktionen bezweckt.

Strafbefehl gegen den Trainer

Vorwurf:
Von den Unterschlagungsvorwürfen gegen den 32-jährigen ehemaligen Schwimmtrainer des VfL Waiblingen übrig geblieben ist letztlich, dass er Überschüsse aus zwei Trainingslagern in den Jahren 2011 und 2012 für sich behalten haben soll. Die Rede ist von einer Summe im vierstelligen Bereich. In der gleichen Größenordnung bewegt sich auch die Geldbuße im Strafbefehl. Die Summe liegt allerdings niedriger als 90 Tagessätze, eine Grenze, ab der man als vorbestraft gilt.

Widerspruch:
Der Beschuldigte hat laut seinem Rechtsanwalt Mathias Fischer vollumfänglich Einspruch gegen den Strafbefehl eingelegt. Der Trainer sei sich keiner Schuld bewusst, die Abrechnung sei mit den Vereinsverantwortlichen so abgesprochen gewesen. Sein Mandant habe das Geld sogar versteuert. Nun muss der Fall vor dem Amtsgericht verhandelt werden. Der Waiblinger Rechtsanwalt rechnet aber nicht mit einem Prozesstermin vor Oktober.