Per Zufall hat die Freiburger Bildhauerin Sibylle Nestrasil Kettensägen für ihr künstlerisches Schaffen entdeckt. Im Sommeratelier der Volkshochschule Unteres Remstal hat sie ihre Kniffe weitergegeben.

Waiblingen - Kettensägen knattern, fressen sich surrend in mächtige Stammholzstücke von Eichen und Buchen. Der Boden ist bereits zentimeterdick mit Sägespänen bedeckt. Von künstlerischer Stille ist in dem Hof eines Steinmetzbetriebes in Waiblingen-Hegnach keine Spur: Sibylle Nestrasil weist im Rahmen des Sommerateliers „Tudu“ der Volkshochschule Unteres Remstal die Teilnehmer ihres Workshops in den Umgang mit den schweren Geräten ein. Aus den groben Holzblöcken sollen Designermöbel und Skulpturen werden. In den vorangegangenen Tagen haben die Teilnehmer diese selbst entworfen und Modelle aus Ton als Vorbilder gefertigt.

 

Inspiration auf der Walz

Als sie im Jahr 2005 als Schreinergesellin auf die Walz gegangen ist, hat Sibylle Nestrasil die Kettensäge als künstlerisches Werkzeug per Zufall für sich entdeckt. „Ein Spielzeughersteller hat jemanden gesucht, der sich auf Bildhauerei versteht und mit einer Kettensäge umgehen kann“, berichtet sie. Letzteres traf zwar nicht auf die wandernde Schreinerin zu, aber durch Learning by Doing hatte sie schnell den Bogen raus und wollte am Ende ihr neues Gestaltungsinstrument nicht mehr aus den Händen legen.

„Der Umgang mit der Kettensäge hat Suchtpotenzial“, sagt die gebürtige Besigheimerin (Kreis Ludwigsburg), die sich nach ihrem Bildhauerstudium an der Edith-Maryon-Kunstschule Freiburg in der Stadt im Breisgau als Künstlerin niedergelassen hat. Oft ist sie auch als Dozentin für verschiedene Volkshochschulen im Freiburger Raum sowie in den Landkreisen Rems-Murr und Ludwigsburg auf Achse.

Die Kunstworkshops mit der Kettensäge seien gefragt, sagt die 44-Jährige. Und obwohl immer mehr Künstlerkollegen die Geräte für sich entdecken, hafte dem kreativen Arbeiten mit ihnen immer noch der Ruf des Exotischen an.

Vor allem Frauen wagen sich an die Kettensägenkunst

Genau das hat auch die fünf Teilnehmer des Workshops in Hegnach neugierig gemacht. Nur einer von ihnen hat bereits Kenntnisse im Umgang mit Motorsägen mitgebracht: Martin Schmid. Der Korber ist auch der einzige Mann in der Runde. „Da war ich anfangs doch ganz überrascht“, meint der Werkzeugmacher. Sibylle Nestrasil wundert sich nicht. „An meinen Workshops nehmen fast nur Frauen teil“, berichtet sie. Etwa 70 bis 80 Prozent mache deren Anteil aus. Woran das liegt? Sibylle Nestrasil hat keine Erklärung.

Nachdem die Damen des Kurses bereits mehrere Stunden mit ihren Kettensägen zugange gewesen sind, setzen sie die Schnitte ebenso versiert wie Martin Schmid. Nur eine von ihnen gibt kurz vor Schluss völlig entnervt auf, da ihr Werk quasi noch in der Rohphase ist, derweil die anderen sich bereits an den Feinschliff machen beziehungsweise ihre Gerätschaften zusammenpacken – so wie Hil Lichtmannecker. Die Bad Cannstatterin, die als Goldschmiedin sonst einem wesentlich filigraneren Handwerk nachgeht, hat einen Hocker gefertigt. Zufrieden mit ihrem Werk sitzt sie darauf ein letztes Mal Probe. Auch Martin Schmid testet seinen aus einem Stück gesägten Stuhl. Die Funktionsprüfung hat das Möbel bestanden, doch mit dem Design ist sein Erschaffer noch nicht ganz zufrieden. Die geschwungenen Formen müssten noch besser herausgearbeitet werden, findet er.

Auch Katharina Steinle stellt zu ihrer Skulptur fest: „Da müssen noch ein paar Schnitte gesetzt werden.“ Mit fachmännischem Blick betrachtet die Oeffingerin, die sonst als Metallografin in einer Maschinenbaufirma mit Werkstoffkunde befasst ist, ihr Werk. Künstlerisches Arbeiten ist ihr nicht fremd. Aber die Holzbildhauerei mit einer Kettensäge ist eine neue Erfahrung für Steinle, die bisher ausschließlich Skulpturen aus Metall geschweißt hat. Umdenken ist gefragt. „Sonst wachsen meinePlastiken von sich heraus, während ich hier von Anfang an wissen muss, was ich will.“ Ein falscher Schnitt und es ist nicht mehr rückgängig zu machen. Trotzdem werde der Steinturm aus Holz nicht ihre letzte Kettensägen-Skulptur sein, erklärt sie.

Bernadette Bornitz indes will es bei der einen faszinierenden Erfahrung belassen. Obwohl ihr Beistelltischchen sehr schön geworden ist und die Arbeit daran der Übersetzerin viel Spaß gemacht hat. Und wo kommt das gute Stück nun hin? „Ins Ferienhaus in Ungarn.“

Gospelworkshop für Kurzentschlossene

Neben dem Workshop „Designmöbel mit der Kettensäge“ haben beim vierten VHS-Sommeratelier „Tudu“ weitere Kurse stattgefunden beziehungsweise laufen noch. Zum Beispiel können und konnten Teilnehmer sich im Aktzeichnen und in autobiografischem Schreiben üben. Bis auf zwei Angebote, die abgesagt werden mussten, fanden sich für alle ausreichend Interessenten. „Das Sommeratelier wird jedes Jahr besser angenommen“, sagt die VHS-Leiterin Rosemarie Budziat.

Für ein Angebot, das am Dienestag, 5. August, startet, können sich Kurzentschlossene noch anmelden. Im Gospelworkshop, den Barbara Bürkle leitet, sind wenige Restplätze frei. Er beginnt um 19.30 Uhr in der VHS im Postplatzforum, dauert je zwei Stunden und kostet 40 Euro. Am Mittwoch, 6. August, wird er fortgesetzt. Anmeldung: 0 71  51/ 95 88 00.