Ein Teil des historischen Wegenetzes der Obstbauern und Wengerter in dem Ausflugsgebiet in Wangen ist nun rekonstruiert.

Lokales: Sybille Neth (sne)

Stuttgart-Wangen - Der Dornröschenschlaf der vielen historischen Wandelwege auf der Wangener Höhe ist jetzt beendet. In den vergangenen beiden Jahren haben das Umweltamt, das Tiefbauamt und das Amt für Liegenschaften in Zusammenarbeit mit der Landschaftarchitektin Inge Maas insgesamt zehn Kilometer sogenannter „Wandel“ oder „Gwanwege“ rekonstruiert. Etwa die Hälfte der Strecke mit Staffeln und sogenannten Wasserwegen ist jetzt freigelegt und teilweise neu gepflastert. Für Spaziergänger bieten sich damit neue Ausblicke auf das Dürrbachtal. Auch zahlreiche Trockenmauern wurden restauriert, damit sich dort wieder Eidechsen und Wildblumen ansiedeln. „Das neue Logo zeigt auf den Wegweisern, wo man langwandeln kann“, erklärt Wolf-Dietrich Paul vom Umweltamt. Daneben sind auch ein Faltblatt mit Wanderkarte und eine CD mit vielen weiteren Informationen erschienen.

 

„Zum Lustwandeln waren die Wege allerdings nicht angelegt worden, sondern für die harte Arbeit“, daran erinnerte Baubürgermeister Matthias Hahn am Mittwoch bei seinem „Dienstspaziergang“ über die Wangener Höhe zusammen mit 20 Vertretern aus den beteiligten Behörden und den drei Stadtbezirken Wangen, Rohracker und Hedelfingen. Die Natur hatte sich das Wegenetz aus früheren Jahrhunderten zurückerobert, und viele Pfade waren unter Gestrüpp verschollen, berichtet Paul. Inge Maas sowie die Obst-und Gartenbauvereine haben es wie in einem Puzzle aus historischem Kartenmaterial rekonstruiert. Die Obstbauern und Wengerter hatten auf den Wegen ihre Waren transportiert, und über die teilweise steilen Wege bewässerten sie die Anbauflächen, daher auch die Bezeichnung „Wasserfälle“.

Private Grundbesitzer sollen ihre Trockenmauern instand setzen

Auf Wunsch der Obst-und Gartenbauvereine sowie der Bezirksbeiräte wurde schon vor zehn Jahren das Projekt „Wandel und Wege auf der Wangener Höhe“ in einer konzertierten Aktion federführend von den drei städtischen Ämter und der Landschaftsarchitektin im Rahmen der Biotopverbundplanung in Angriff genommen. Insgesamt eine halbe Million Euro aus verschiedenen Förderfonds sind mittlerweile für das Wandel-Wege-Programm abrufbar, 210 000 Euro davon sind Ausgleichsmittel. „Jetzt kommt es vor allem darauf an, die privaten Grundbesitzer für das Programm zu interessieren, denn sie sollen ihre Trockenmauern instand setzen“, betonte Hahn. 80 Prozent der Kosten bekommen die Gütlesbesitzer von der Stadt ersetzt.

Die Mitarbeiter der Neuen Arbeit, die in vielen Arbeitsstunden die Wandel wieder ans Tageslicht geholt haben, sind dabei auch auf zahlreiche Grenzsteine gestoßen. Wie an zahlreichen Stationen des „Dienstspaziergangs“, hatte der Wangener Ortshistoriker Martin Dolde auch bei den Grenzsteinen eine Anekdote parat. So sollen aufsässige Jugendliche aus Rohracker vorzugsweise an einem solchen Stein von ihren Eltern gezüchtigt worden sein. „Damit wollte man dem Ereignis eine besondere Bedeutung geben“, erzählte er. Über den schmalen Grenzwandel, der Wangen und Rohracker voneinander trennt, trugen einst die Bewohner von Rohracker zu Fuß ihre Verstorbenen zum Friedhof nach Wangen, denn erst 1447 bekamen sie eine eigene Kirche. „Der Grenzwandel war eine echte Herausforderung“, berichtet Paul von den Bauarbeiten. Der gepflasterte Weg ist erst teilweise wieder hergestellt, und Historiker Dolde wünscht sich, dass bei der weiteren Sanierung Basalt verbaut wird, denn mit dem Stein aus der Eiffel oder mit Travertin hatten vor Jahrhunderten die Obst-und Weinbauern ihre Wandel gepflastert.